Im Schatten des Himmels (Guy Gavriel Kay)

Fischer Tor (November 2016)
Originaltitel: Under Heaven
Übersetzerin: Birgit Maria Pfaffinger, Ulrike Brauns
Klappenbroschur
718 Seiten, 16,99 EUR
ISBN: 978-3-596-03570-0

Genre: High Fantasy


Klappentext

Auf einem einsamen Schlachtfeld in den Bergen steht der junge Kriegermönch Shen Tai und blickt in die Ferne. Er hört den Ruf des Schicksals: Die Jadeprinzessin von Taguran hat ihm, als Belohnung für heldenhafte Taten, zweihundertfünfzig sardianische Pferde zum Geschenk gemacht, Geschöpfe von unvergleichlicher Schönheit und Seltenheit. Damit wird er auf einen Schlag zu einem der mächtigsten Männer in seiner Heimat Kitai, dem legendären Reich der Mitte. Und er muss sich schon bald nicht nur der tödlichen Intrigen am Hof des Kaisers erwehren, sondern auch einer Gefahr von außen, die ganz Kitai in den Untergang zu reißen droht.


Rezension

Um seinen verstorbenen Vater zu ehren, hat Shen Tai zwei Jahre damit verbracht, die Toten des Schlachtfelds zu begraben, dessen Bilder seinen Vater – einen berühmten General – sein ganzes Leben lang heimgesucht haben. Doch anders als erwartet ist er dabei nicht unbemerkt geblieben. Die kitanische Prinzessin, deren Hochzeit schließlich den Frieden besiegelt hat, schenkt ihm 250 sardianische Pferde. Bereits eines wäre eine große Auszeichnung gewesen, aber ihr Geschenk ist ein Vermögen, dass allzu leicht Tais Tod bedeuten könnte. Immerhin gibt es wohl niemanden, der ihm den Reichtum und die Macht, die er dadurch erhält, nicht neidet.

Doch er muss feststellen, dass nicht nur die Pferde sein Leben in Gefahr bringen: Noch bevor die Kunde von dem großzügigen Geschenk die Hauptstadt erreicht, sendet jemand eine Attentäterin aus. Die Geister des Tals retten Tai das Leben, aber sie kommen zu spät, um einen Freund, der ihm eine wichtige Botschaft überbringen wollte, zu retten. Begleitet von Wei Song, einem Mitglied des Kriegerordens der Kanlin, kehrt Tai in die Hauptstadt Xi’an zurück. Dort hat sich in seiner Abwesenheit einiges verändert: Seine jüngere Schwester ist mit einem Nomadenhäuptling verheiratet worden, sein Bruder Liu ist der engste Vertraute Wen Zhous, des ersten Ministers des Reiches. Wen Zhou ist auch der Hauptverdächtige für das Attentat auf Tai, denn beide Männer lieben die schöne Kurtisane Frühlingsregen. Tai weiß nicht, ob er seinem Bruder noch trauen kann.

Tai manövriert sich durch einen um strenge Rituale aufgebauten Hof, wo jedes Wort eine verborgene Bedeutung hat und die korrekte Anzahl von Verbeugungen über Leben und Tod entscheidet. Er trifft auf ebenso schillernde wie gefährliche Gestalten wie Wen Jian, die neue Konkubine des Kaisers, oder den verblüffend gewieften Prinzen Shinzu. Und er muss feststellen, dass die beiden mächtigsten Männer nach dem Kaiser, Wen Zhou und General Li An, drohen, das Land durch ihren Ehrgeiz zwischen sich zu zerreißen.

Guy Gavriel Kay hat sich für „Im Schatten des Himmels“ von der Tang-Dynastie des alten China inspirieren lassen, aber einige Fantasy-Elemente hinzugefügt. So gibt es zum Beispiel Geister und oft ist nicht klar, wo Aberglaube aufhört und Magie beginnt. Trotzdem liest sich das Buch über weite Strecken wie ein spannender historischer Roman. Ein faszinierender Schauplatz, der vollkommen zum Leben erwacht, eine schöne, flüssige Sprache und die gelungene Balance aus rasch fortschreitender Handlung und Momenten der Reflektion machen es schwer, sich von dem Buch loszureißen.

Kay schildert auch eine Vielzahl markanter, differenzierter Charaktere. Haupt- und Nebenfiguren sind gleichermaßen gut ausgearbeitet. Die meisten Kapitel sind aus der Perspektive Tais geschrieben, eines klugen, unabhängig denkenden Mannes, der sich bemüht, das Richtige zu tun und noch nach seinem Weg im Leben sucht. Aber es gibt auch Kapitel aus der Perspektive anderer Figuren wie z.B. seiner Schwester Li-Meis oder Frühlingsregens. Beide Frauen sind auf ihre Weise sehr starke Figuren, die sich weigern, die ihnen zugewiesenen Rollen zu akzeptieren. Es irritiert ein wenig, dass Kay die Kapitel aus der Sicht einiger Figuren im Präsenz geschrieben hat, während der Großteil des Buches im Präteritum erzählt wird, aber das stört kaum.


Fazit

Guy Gavriel Kay schöpft für das Setting und Geschehen von „Im Schatten des Himmels“ aus der chinesischen Geschichte. Vor diesem farbenprächtigen Hintergrund entfaltet sich eine mitreißende Handlung um Figuren, mit denen man nur zu gerne Zeit verbringt.


Pro und Contra

+ gut geschildertes, vom alten China inspiriertes Setting
+ Komplexität von Handlung und Figuren
+ starke, verschiedenartige Charaktere
+ Balance von Action und Reflektion
+ Spannung

- Grund für Wechsel ins Präsenz für einige Perspektiven ist nicht ersichtlich

Wertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 3,5/5

Rezension zu "Am Fluss der Sterne"