Totenlied (Tess Gerritsen)

Verlag: Limes Verlag (Juli 2016)
Broschiert: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3809026709

Genre: Thriller


Klappentext

Manche Töne treffen uns bis ins Mark. Was jagt Ihnen einen Schauer über den Rücken?

Von einer Italienreise bringt die Violinistin Julia Ansdell als Souvenir ein altes Notenbuch mit nach Hause. Es enthält eine handgeschriebene, bislang völlig unbekannte Walzerkomposition. Julia ist fasziniert von dem schwierigen Stück, doch jedes Mal, wenn sie die aufwühlende Melodie spielt, geschehen merkwürdige Dinge. Etwas Bösartiges geht von dem Walzer aus, etwas, was das Wesen von Julias dreijähriger Tochter auf beunruhigende Weise zu verändern scheint. Weil niemand ihr Glauben schenkt, reist Julia heimlich nach Italien, um nach der Herkunft der mysteriösen Komposition zu forschen...

„So beliebt Rizzoli & Isles auch sein mögen, sie dürfen gern häufiger in Urlaub gehen, wenn Gerritsen dann Zeit für so fantastische Thriller wie diesen findet.“
Los Angeles Times


Rezension

Julia Ansdell ist eine sehr gute, wenn auch nicht geniale Violinistin, die mit einem Quartett auf Konzertreisen geht. In Rom kauft sie ein Heft mit Zigeunermelodien, in dem ein loses Blatt liegt, auf dem ein außergewöhnlicher Walzer notiert ist. Er stammt von dem ihr unbekannten Komponisten L. Todesco und trägt den Namen Incendio. Julia ist begeistert von dem unbekannten Stück und kaum in den Staaten angekommen, kann sie es nicht abwarten, ihn zu spielen. Als sie im Beisein ihrer kleinen Tochter Lily beginnt, Incendio zu spielen, ereignen sich plötzlich schreckliche Dinge. Ohne dass es Julia mitbekommt, tötet Lily Juniper, den alten Hauskater. Nur an den blutverschmierten Händen Lilys und der Leiche des Katers erkennt Julia, was passiert ist. Weitere seltsame Ereignisse kommen vor und immer mehr scheint sich herauszukristallisieren, dass Incendio einen fatalen Einfluss auf Lily hat. Aber niemand will ihr glauben und so entfremdet sie sich immer mehr von ihrer Familie. Nur Gerda, ihre Freundin und Teil ihres Quartetts, nimmt sie ernst und so reisen die beiden Frauen nach Italien, um herauszubekommen, wer der Urheber des Stückes ist und welche Geschichte sich hinter all dem verbirgt.

Wem kannst du trauen? Was ist die Wirklichkeit? Ist immer alles so, wie es scheint? Dies sind die Fragen, die sich Julia und der Leser bei Totenlied stellen müssen. Tess Gerritsen präsentiert in Totenlied mit Julia eine Frau, der im Laufe des Romans immer weiter der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Hat ihre kleine Tochter wirklich versucht, sie zu töten? Ein schrecklicher Gedanke und vor allem einer, vor den sich die meisten Leser selbst fürchten dürften. Denn das das eigene Kind dazu fähig sein könnte, ist doch unvorstellbar. Und doch scheint es in Totenlied so zu sein. Tess Gerritsen lässt Julia mit der Zeit an allem zweifeln, an ihrer Tochter, ihren Ehemann, ihren Freunden und nicht zuletzt an sich selbst. Und Julia wird in keinster Weise geschont und damit auch der Leser, der nie genau weiß, ob alles so ist, wie es Julia darstellt. Die Auflösung am Ende ist, wie gewohnt bei der Autorin logisch und rational, wobei sie auf die letzte Wendung in Venedig hätte verzichten sollen, da es doch ein bisschen so wirkt, als wollte sie unbedingt noch einen echten Kriminalfall einbinden, statt sich rein auf ihre starke Geschichte über Julia und die über Lorenzo zu verlassen. Es schadet zwar dem Buch nicht, bringt es aber auch nicht wirklich weiter. Neben Julias Geschichte erzählt Tess Gerritsen aber noch eine Zweite, die von Lorenzo Todesco, dem Komponisten von Incendio, jenem Stück, welches Julia ihre Tochter mit anderen Augen sehen lässt. Und seine Geschichte ist düsterer als ihre. Denn Tess Gerritsen entführt den Leser in das faschistische Italien und berichtet von jener dunklen Zeit. Dabei zeichnet sie ein nachvollziehbares Bild einer jüdischen Familie, die einfach nicht glauben kann und will, was ihr bevorsteht und dadurch jede Möglichkeit sich in Sicherheit zu bringen, ungenutzt verstreichen lässt. Sie stützt sich dabei auf historische Ereignisse und bindet sie in ihre Geschichte über Lorenzo ein und entwirft so ein erschreckendes Bild, welches einen beschäftigt und einen über so manches nachdenken lässt. Dieser Teil, der sich mit der Gegenwart, abwechselt, ist ebenso gekonnt von Tess Gerritsen gestaltet. Es gibt starke und interessante Charaktere, die in einer brisanten und gefährlichen Situation stecken und deren Weg zum schnellen umblättern und weiterlesen animiert. Beide Teile zusammen ergeben einen für die Autorin ungewöhnlichen Thriller, der sehr spannend ist und gleichzeitig ein düsteres Kapitel der Geschichte illustriert und dadurch nachdenklich macht.

Über Tess Gerritsens Schreibstil müssen nicht viele Worte verloren werden. Sie weiß, wie Spannung erzeugt wird und lässt den Leser ein Wechselbad der Gefühle erleben. Immer ist das Gefühl da, dass etwas hinter all dem lauert. Die Ich-Perspektive ist bei Totenlied notwendig für die Handlung und ist ihr überaus gelungen. Jedoch hat der Roman auch ein kleines Problem. Es ist ihm anzumerken, dass Tess Gerritsen zunächst den in der Gegenwart spielenden Teil geschrieben hat und erst danach beschloss Lorenzos Geschichte zu erzählen. Das ist zwar nicht so stark ausgeprägt, dass es einen aus dem Geschehen reißen würde, fällt aber eben trotzdem etwas auf.

Im Anschluss an den Romans gibt es weitere Informationen zu den Ereignissen in Venedig und Tess Gerritsen geht etwas auf die Entstehung des Romans ein und wer von Incendio noch nicht genug hat und mutig genug ist, es sich anzuhören, kann dies auch tun. Das von Tess Gerritsen komponierte Stück wurde eingespielt und wer möchte, kann es sich unter einer der Internetadressen im Anhang anhören. Es lohnt sich, denn es ist tatsächlich sehr schöne Musik, die einen tiefer in die Geschichte eintauchen lässt, wenn sie während des Lesens gehört wird.


Fazit

Tess Gerritsen Totenlied ist ein spannender Roman über eine immer verzweifelter werdende Frau und ein äußerst düsteres Kapitel der Geschichte. Beides verknüpft sie gekonnt und unterhält damit sehr gut und macht gleichzeitig nachdenklich.


Pro & Contra

+ historischer Hintergrund
+ Verwirrspiel, was echt ist und was nicht

0 es fällt auf, dass die Geschichte Lorenzos erst später dazu kam

Bewertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4 /5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Tess Gerritsen:

Rezension zu Totengrund

Interview mit Tess Gerritsen

Interview mit Tess Gerritsen (deutsche Übersetzung)