Winterschlaf (Robert-C. Scheel)

Periplaneta, Dezember 2008
Taschenbuch 250 Seiten, 13,99 Euro, ab 12 Jahre
farb. Umschl. / 14 s/w Illustrationen
ISBN 978-3-940767-18-9

Genre: Fantasy


Klappentext:

Hast du auch gemerkt, dass es in den letzten Stunden viel kälter geworden ist?


Inhalt:

Die zwölfjährige Lisa wohnt in Blauheim.
Unheimliche Dinge geschehen in der kleinen Stadt:
Im Wald beobachten ein paar Mädchen ein riesiges Wesen, das Wasserwerk wird von einer fremden Macht übernommen, blaue Spinnen greifen Lisa an. Nur mittels einer Rune, die ihre Großmutter zum Schutz auf Lisas Hand malte, kann sie die Monster in die Flucht schlagen.

Auf dem Friedhof finden die Friedhofswärter ein zitterndes Mädchen mit blauer Haut. Und dann bricht ein Schneesturm über die im Talkessel liegende Stadt herein, der Menschen und Tiere in eine Winterschlaf ähnliche Starre fallen lässt. Lisa und ihre Freunde können sich nur knapp in das Haus der Großmutter retten.

Der Schlüssel zu allem scheint in den Wäldern und in der Vergangenheit zu liegen, die jedoch von Lisas Eltern totgeschwiegen wird. Allein Lisas Großmutter und der alte Friedhofswärter Friedrich wissen um die Geheimnisse von Blauheim. Wird es den Kindern gelingen, die Stadt vor der eisigen Gefahr zu retten?


Rezension:

“Winterschlaf“ scheint auf den ersten Blick ein reiner Fantasy-Roman für ein jugendliches Publikum zu sein. Doch anstatt auf Harry-Potter-typische-Art möglichst viele skurrile Wesen, Orte oder Zauber zu bieten, setzt Robert-C. Scheel auf seine jungen Protagonisten und deren Innenleben:
Lisas innerer Kampf, ihr Misstrauen ihren Eltern gegenüber und ihr Verhältnis zu ihren Freunden und den in ihr erwachenden Mächten, werden als mitreißende Parabel über ein junges Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden in einfacher Sprache und stellenweise durchaus poetischen Bildern erzählt.

Die von den Eltern verdrängte Vergangenheit bricht als unterdrücktes Unheil hervor und darf auch psychologisch als das Unverarbeitete gedeutet werden, dem gegenüber die Figur der Großmutter steht. Sie nimmt ihre Enkelin ernst und vertraut ihr, das heißt: Sie macht Lisa die Vergangenheit zugänglich und geht damit den ersten Schritt zur Verarbeitung.

Selbst in dem Bild der biederen Kleinstadt, die von finsteren Wäldern umgeben ist, aus denen Monster hervorbrechen und die Straßen bevölkern, ist die Verdrängung als psychologischer Mechanismus angelegt. Tief unter der Stadt ist ein symbolisches Meer des Unterbewusstseins, das sowohl die Monster der Vergangenheit auswirft als auch die einzige Lösung für die Zukunft bereithält.
Ebenfalls spiegelt sich die Thematik Verdrängung/Verarbeitung in der Person des Friedhofswärters Friedrich wider. Der in Einsamkeit lebende alte Mann, der nie mit der Vergangenheit abgeschlossen hat, wird gezwungenermaßen mit ihr konfrontiert.

Obwohl Scheel Wert auf (Fantasy untypische) düstere, fast unheimliche Stimmung legt und gerade in der zweiten Hälfte des Romans das Tempo in Punkto Action stark anzieht, bleibt immer Zeit für einen augenzwinkerndes Zitat oder eine Anspielung auf einschlägige Literatur- oder Filmklischees.

Dabei reicht die kulturelle Spanne von „Fluch der Karibik“ über „H.P. Lovecraft“ und „Die Wonderboys“ bis hin zu „Rambo 3“.


Fazit:

Wer Lust auf mitreißende und unheimliche Fantasy mit Anspruch hat, wird bei diesem durchaus bemerkenswerten Debüt auf seine Kosten kommen.


Wertung:


Diese Rezension stammt von unserer Gastrezensentin Sabine.