Empire of Storms – Pakt der Diebe (Jon Skovron)

Heyne (Februar 2017)
Originaltitel: „Hope & Red – The Empire of Storms, Book One“
Übersetzerin: Michelle Gyo
Klappenbroschur
592 Seiten, 14,99 EUR
ISBN: 978-3-453-31785-7

Genre: High Fantasy


Klappentext

Hope ist noch ein Mädchen, als ihr Dorf von den Magiern des Kaisers angegriffen und dem Erdboden gleich gemacht wird. Sie allein überlebt und findet in einem Kloster nicht nur Unterschlupf, sondern wird dort auch von den Kriegermönchen in den Kampfkünsten unterwiesen. Red ist ein Straßenjunge, der in den finsteren und überfüllten Gassen New Lavens zum besten Taschendieb heranwächst, den das Imperium je gesehen hat. Jahre vergehen – doch als Hope und Red einander auf schicksalhafte Weise begegnen, schließen sie einen Pakt, der die Zeit der Ungerechtigkeit beenden wird …


Rezension

Mit gerade mal acht Jahren wird Hope zur Zeugin des grausamen Todes ihrer Eltern. Scheinbar grundlos löschen die „Biomanten“ des Kaisers ihr Dorf aus. Ein Kapitän bringt das Mädchen mangels Alternativen beim Orden der Vinchen-Kriegermönche unter, deren Großlehrer mit den Traditionen des Ordens bricht, indem er sie nicht nur aufnimmt, sondern auch zu einer tödlichen Kämpferin ausbildet. Doch seine Mitbrüder dulden dies nicht auf Dauer und so wird Hope jäh ihres Mentors beraubt und ist wieder allein auf der Welt.

Auch Red hat seine Eltern früh verloren. Nach ihrem Tod verschlägt es den Sohn einer talentierten, rebellischen Künstlerin, die ihren Adelstitel aufgegeben hat, in die „Paradieskehre“, ein zwielichtiges Viertel, wo die Diebin Sadie ihn unter ihre Fittiche nimmt. Es ist eine raue Welt, in der das Verbrechen regiert, sich aber auch Herzlichkeit und Freundschaft finden lassen. Reds außergewöhnliche Fingerfertigkeit und Intelligenz sorgen dafür, dass seine waghalsigen Einbrüche oft von Erfolg gekrönt sind.

Jahre vergehen und Hope und Red wachsen von Kindern zu jungen Erwachsenen heran, finden und verlieren Vorbilder, erleben Triumphe und Zurückweisungen. Während Red sich eher treiben lässt, hat sich das Gesicht des Biomanten, der ihr Dorf ausgelöscht hat, in Hopes Gedächtnis eingebrannt. Im Einklang mit dem Ehrenkodex der Vinchen hat sie ihm Rache geschworen. Als sie herausfindet, dass überall im Imperium Menschen den grausamen Experimenten der Biomanten zum Opfer fallen, beschließt sie, den gesamten Magierorden zu zerschlagen.

Schließlich kommt sie in Reds Stadt. Red ist sofort von der schönen Fremden fasziniert, während Hope ihn zunächst für den oberflächlichen, gewissenlosen Dieb hält, als der er sich ausgibt, und davon abgestoßen ist. Doch wider Willen müssen sie zusammenarbeiten, denn sie geraten ins Visier des brutalen Bandenführers Dredd und erfahren von unzähligen Menschen aus der Paradieskehre, die über die Jahre in den Labors der Biomanten verschwunden sind. Seite an Seite nehmen sie den Kampf gegen Dredd und die Magier und Soldaten des Kaisers auf und lernen einander besser kennen und schließlich auch schätzen.

Die Welt, in der „Empire of Storms“ spielt, bleibt seltsam diffus. Man erfährt, dass es ein Imperium gibt, dessen Infrastruktur zu einem Großteil auf Schifffahrt beruht und das über relativ fortgeschrittene Technologie verfügt, z.B. gibt es Schusswaffen. Es fallen gelegentlich Andeutungen über eine Bedrohung von außen und die Experimente der Biomanten dienen der Suche nach einer mächtigen Waffe, um das Imperium zu verteidigen – zumindest behaupten sie dies. Dass sie versuchen, mit fragwürdigen Mitteln ein verständliches Ziel zu erreichen, wäre eine gute Möglichkeit gewesen, ein paar Grautöne in die Geschichte zu bringen, aber wie bei so vielen Konflikten in „Pakt der Diebe“ sind die Fronten klar und die Sympathien ganz auf der Seite von Hope oder Red, weil kein Zweifel an der Bosheit ihrer Gegner gelassen wird. Positiv fällt aber die Magie der Biomanten auf: Die Verwandlungen, die ihre Berührungen aller belebten Materie aufzwingen können, sind ebenso eindrucksvoll wie widerlich geschildert.

Hope und Red durchlaufen beide eine große Entwicklung, seit sie als – für ihr Alter unglaubwürdig selbstständige und vielseitig begabte – Kinder ihre Familien verlieren. Skovron versucht eindeutig zu zeigen, wie sie sich durch die Konflikte, die sie erleben, weiterentwickeln. Dies gelingt aber teilweise nicht so gut, unter anderem deshalb, weil immer entweder der Erzähler oder eine der Figuren ausspricht, was eine bestimmte Situation oder Entscheidung für die Hauptfiguren bedeutet oder was sie daraus lernen, statt den Leser eigene Schlüsse ziehen zu lassen. Das ist schade, weil ihre Geschichten eigentlich viele interessante Charaktermomente enthalten. So muss Hope sich zum Beispiel damit auseinandersetzen, dass der Kodex der Vinchen, den sie vollkommen verinnerlicht hat, auch mit Makeln behaftet ist und sie nicht auf die ganze Komplexität und Ambivalenz der Welt vorbereitet hat. Und Red muss sich fragen, ob er sich nicht eines wertvollen Teils seiner Selbst beraubt, wenn er fortfährt, seine Bildung, künstlerische Begabung und Verbindung zu seinen Oberschicht-Verwandten zu verleugnen. Aber leider wird das Potential dieser Momente nicht voll ausgeschöpft.

In Skovrons Roman gibt es eine Menge Action. Kämpfe mit (oder als) Piraten auf hoher See, Auseinandersetzungen, bei denen die zwielichtigen Gestalten in Reds Viertel ihre extravaganten Waffen ausprobieren, Hope, die ihr magisches Schwert mit beinahe übermenschlicher Stärke, Geschwindigkeit und Treffsicherheit schwingt… All dies ist temporeich und bildhaft geschildert, aber würde eine stärkere emotionale Reaktion hervorrufen, wenn nicht die überraschende Beiläufigkeit und Selbstverständlichkeit wäre, mit der die Figuren töten und anschließend nicht weiter darüber nachdenken. Ein weiterer Punkt ist der Stil: Es gibt den einen oder anderen Vergleich, der wahrscheinlich poetisch sein soll, aber nicht so ganz funktioniert, und ein paar etwas unnatürlich wirkende Dialoge und holprige Formulierungen. Auch sind gerade die Kapitel aus der Perspektive Reds mit Gossensprache durchflochten, die hier und da etwas kindisch anmutet (z.B. ist es schwer, die Schläger eines Verbrecherbosses ernst zu nehmen, wenn sie von allen als „Pantoffeln“ bezeichnet werden). Trotzdem ist „Pakt der Diebe“ durchaus spannend und unterhaltsam und das Ende eröffnet den Blick auf größere Zusammenhänge und interessante neue Konflikte, die in den Folgebänden eine große Rolle spielen werden.


Fazit

„Empire of Storms – Pakt der Diebe“ von Jon Skovron ist der actionreiche Auftakt einer Serie um eine einsame, junge Kriegerin und einen charmanten Dieb, die gemeinsam den Kampf gegen ein übermächtiges Imperium aufnehmen. Der Roman liest sich schnell und mühelos, aber leidet darunter, dass Welt und Charaktere seltsam flach bleiben.


Pro und Contra

+ Action
+ rasch fortschreitende Handlung
+ Figuren über Jahre bei ihrer Entwicklung begleitet, Potential für interessante Konflikte
+ beängstigende, eindringlich geschilderte Magie
+ Ende verspricht Gutes für den zweiten Band

- holprige Formulierungen
- kleine Widersprüche (Biomanten werden bei der Manipulation unbelebter Gegenstände gezeigt, der moralische Kodex von Hope und Red wirkt teilweise etwas inkonsistent)
- Charakter-Wendepunkte werden durch eigentlich unnötige Erklärungen ihrer Wirkung beraubt

Wertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3/5


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Tags: Diebe