Ich habe das Internet gelöscht! (Philipp Spielbusch)

ich habe das internet geloescht

Rowohlt rororo (Februar 2017)
Taschenbuch, 240 Seiten, 9,99 EUR
ISBN: 978-3-499-63189-4

Genre: humorvolle IT-Geschichten


Klappentext

„Was haben Sie gemacht?“ „Nix!“

Diese Antwort kommt immer als erstes. Häufig so schnell, da habe ich das Wort „gemacht“ noch gar nicht ausgesprochen. Die Kunden klingen dann wieder wie Schüler, die vom Lehrer beim Rauchen erwischt wurden und so tun, als wäre nichts gewesen, während ihnen die Wölkchen aus Nase und Ohren puffen.
Wenn der Familienrechner den Geist aufgibt, beim Autohändler der Internetzugang nicht mehr funktioniert oder sich ältere Damen plötzlich ins Abenteuer Photoshop stürzen und dabei so munter wie schamfrei pikante Bilder öffnen, ist Computer-Experte Philipp Spielbusch zur Stelle. Dabei erlebt er Erstaunliches: Denn zu seinem Job gehört nicht nur die therapeutische Begleitung eines Verschwörungstheoretikers, der panische Angst vor dem großen Lauschangriff hat, sondern auch betreutes Klicken für cholerische Kunden, wenn sich am Rechner mal wieder – ganz ohne eigenes Zutun! – alles komplett verstellt hat.
Ein schelmischer Blick auf die komplizierte Beziehung zwischen Mensch und Technik..


Rezension

Philipp Spielbusch ist IT-Dienstleister – auf dem Land. Wo er zwar mit den gleichen Problemen wie seine städtischen Kollegen zu kämpfen hat, aber mehr als diese auf die Eigenarten seiner Kunden Rücksicht nehmen muss. Denn man kennt sich halt. Und für so manchen Bewohner ländlichen Raums ist der Computer auch heute noch ein neumodisches Ding, bei dem die alle Anfängerfehler begangen werden, die im Jahr 2017 eigentlich ausgemerzt sein sollten. Wie beispielweise Passwörter á la „123456“. Mit engelsgleicher Geduld nimmt sich Philipp Spielbusch den Wehwehchen der ländlichen Computer an, leistet gleichzeitig Seelsorge und heckt mit seinem Kollegen Wulf Racheaktionen für unbelehrbare Kunden oder deren Feinde aus …

„Goldene Regel im Umgang mit Kunden: Glaube an den Kunden. Gib ihn niemals auf. Er kann lernen, kann sich ändern, kann eines Tages begreifen, was du für ihn tust. In dem Moment, wo du es nicht mehr erwartest, wird es geschehen und zwar genau bei dem Kunden, dem du es am allerwenigsten zugetraut hast.“ (Seite 185)

Philipp Spielbusch erscheint im Buch wie ein sympathischer Nerd mit einer für diese Spezies selten hohen Sozialkompetenz. Er hat gelernt, möglichst nichts persönlich zu nehmen und sich auf seine Kunden einzulassen. Spricht er beispielsweise mit einem Automechaniker, benutzt er entsprechende Fahrzeugmetaphern und schafft es so sogar, diesem etwas beizubringen. Ganz gleich ob schädliche Software von Computern entfernt, verloren geglaubte Masterarbeiten gerettet oder die Internetverbindung wiederhergestellt werden muss, Philipp scheint für jedes Problem eine Lösung zu haben. Außer für die Steuerpapiere, die sich auf seinem Schreibtisch auftürmen und jeden Tag anklagend anschauen.

Kollege Wulf hingegen ist ein Computerfreak wie man ihn sich vorstellt. Wortkarg, geht ausschließlich IT-Hobbies (wie Domains registrieren) nach und bekommt feuchte Augen, wenn er zum Kern eines PCs vordringen muss. Wulf spricht nicht mehr als zwanzig Worte am Tag, außer er nimmt ausnahmsweise ein Kundengespräch an (wobei er sich als erstaunlich freundlich und hilfsbereit erweist) oder er muss seine Kundschaft belehren. Philipp und Wulf erhalten regelmäßig Besuch von Verschwörungstheoretiker Jonas, der überzeugt ist, sein Laptop sei mit dem Bundestrojaner infiziert. Jonas gehört irgendwie zum Inventar, während Reinigungskraft Beate an der zugemüllten Teeküche verzweifelt.

„Goldene Regel im Umgang mit Kunden: Zieht der Kunde dich aus gutem Grund in einen Krieg hinein, zögere und zaudere nicht. Lege die Rüstung deines Wissens und deiner Fähigkeiten an, sammle die Wut und ziehe an der Seite deines Kunden, mit ihm und für ihn, in die Schlacht.“ (Seite 157)

Die einzelnen Episoden werden mittels einer groben Rahmenhandlung verknüpft und erzeugen so das Gefühl, eine durchgehende Geschichte zu lesen. Philipp und Wulf wachsen dem Leser schnell ans Herz und es ist ungemein amüsant, ihren Alltag zu begleiten, insbesondere, wenn sich ein Kunde mal wieder besonders störrisch zeigt oder dem Computerproblem die eine oder andere Peinlichkeit (wie Pornokonsum) zu Grunde liegt. Das Buch ist dabei auch für den Durchschnittsnutzer verständlich, wobei man deutlich mehr Spaß daran hat, wenn man sich selbst ein bisschen auskennt. Dann lässt sich der Verlauf so manches Rettungseinsatzes vorausahnen, was jedoch nicht den Spaß verdirbt, sondern eher steigert.

Wer des Öfteren humorvolle Sachbücher verschlingt, wird zweifellos die Handschrift des Autorenduos Sylvia Witt und Oliver Uschmann erkennen. Sie haben Philipps Erlebnissen, die zwar oftmals überzogen erscheinen, sich aber wohl ziemlich genau so zugetragen haben dürften, in eine Geschichte verpackt, die sich mit jeder Episode weiterentwickelt. Wiederkehrende Figuren erzeugen einen roten Faden, der unweigerlich auf eine Eskalation hinausläuft. Welche natürlich höchst amüsant ausfällt. Dazu gibt es kleine Einschübe wie die „Goldenen Regeln für den Umgang mit Kunden“ und Erklärungstexten zu IT-Begriffen – so lernt man auch noch was, das einem vielleicht beim eigenen PC weiterhilft.


Fazit

”Ich habe das Internet gelöscht!“ ist ein Buch voll überspitzter Dialoge zwischen IT-Fachmann Philipp und seinen Kunden und auch wenn vieles einem unfassbar erscheint, lässt sich erahnen, dass hinter den humorvollen Episoden einiges an Wahrheit steckt. Umso dankbarer ist man für geduldige IT-Dienstleister wie Philipp Spielbusch, der seine Kunden in ihrer Lebenswirklichkeit abholt und die Probleme löst, von denen normale User keine Ahnung haben. Nebenbei lernt man hier übrigens einiges, was sich am heimischen PC anwenden lässt.


Pro und Contra

+ alltägliche Computerprobleme, humorvoll dargestellt
+ Philipp ist ein supersympathischer Nerd
+ herrlich spritzige Dialoge
+ hier lernt man sogar noch was
+ gewohnt amüsante Umsetzung von Sylvia Witt und Oliver Uschmann

Wertung: sterne4

Geschichten: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5


Rezension zu "Wofür sitzen sie eigentlich hier?"