Mantikore 2013
Originaltitel: Peace and War (2006)
Übersetzt von Verena Hacker
Gebunden, 800 Seiten
€ 29,95 [D] | € 30,80 [A] | CHF 41,90
ISBN 978-3-939212-27-0
Genre: Science Fiction
Inhalt
Anmerkungen des Autors | Der ewige Krieg (The Forever War, 1975) | Der ewige Friede/Soldierboy (Forever Peace, 1997) | Am Ende des Krieges (Forever Free, 1998) | Anhänge: Nachwort von Joe Haldeman, Interview mit Joe Haldeman
Der ewige Krieg: Im Jahr 2297 wird der Ich-Erzähler und Physiker William Mandella als einer der ersten Wehrpflichtigen für den Krieg auf fremden Planeten eingezogen. Nach der brutalen Grundausbildung mit einigen Toten werden die Soldaten auf den Planeten Charon geschickt, wo sie Taurier bekämpfen sollen, eine Spezies, über die sie so gut wie nichts wissen. Die erste Auseinandersetzung mit den Tauriern wird ein ungleiches Gemetzel, weil dem Gegner die offene Schlacht fremd ist. Mandella hasst den Krieg, in dem die Soldaten vor ihrem ersten Einsatz übler Propaganda und einer Hypnose ausgesetzt waren. Mandella ist sicher, dass die nächste Begegnung zwischen Menschen und Tauriern nicht so einseitig verlaufen wird…
Der ewige Friede/Soldierboy ist nicht inhaltlich, wohl aber thematisch mit Der ewige Krieg verbunden. Die Kriege werden nun in der Mitte des 21. Jahrhunderts zwischen den Armen und den Reichen ausgetragen. Die Armen sind Rebellen, die in den Entwicklungsräumen, aus denen sie stammen, bekämpft werden. Hauptfigur ist der 32-jährige Sergeant Julian Class, im Jahr 2043 Zugführer und Operator eines Soldierboy genannten Kampfroboters. Julian bewegt sich in einem Handlungsraum, der durch zwei Verschwörungen bestimmt ist…
Am Ende des Krieges erzählt die Geschichte von William Mandella, seiner Frau Marygay und ihrer zwei Kinder weiter. Die Familie wird auf einem unwirtlichen Planeten mit anderen Veteranen und Tauriern als Genpool in Isolation gehalten. Die Herrschaft auf dem Planeten liegt bei einer genetisch perfektionierten Version der Menschheit, einem posthumanen Gruppenverstand. Weil das Leben auf dem Planeten unerträglich eintönig ist und sie mit dem Zustand der Gesellschaft unzufrieden sind, wollen die Mandellas mit einem Raumschiff einen Zeitsprung in die Zukunft vollziehen, zehn subjektive Jahre, 40.000 Erdenjahre beziehungsweise Zeitdilatationsjahre. Sie und andere Veteranen und Zivilisten hoffen, bei ihrer Rückkehr eine bessere Welt vorzufinden…
Rezension
Joe Haldemans Der ewige Krieg wurde ab 1972 als Serie in der Zeitschrift Analog in Teilen vorabgedruckt. Er stieß auf Ablehnung und wurde 1974 von St. Martin’s Press New York in Buchform gekürzt veröffentlicht, zugleich aber mit den drei international wichtigsten Preisen für Science Fiction ausgezeichnet, dem Nebula in 1975, Hugo und Locus in 1976, sowie mit dem australischen Ditmar Award in 1976. Den vollständigen Text, der von Haldeman 1988 wiederhergestellt wurde, wollte Avon Books publizieren, brachte es 1991 jedoch nur auf eine umfangreichere Fassung. Die gegenwärtige und integrale Fassung verlegt den Handlungsbeginn, ursprünglich auf 1997 datiert, in das Jahr 2297.
Der ewige Krieg ist ein herausragendes Werk der Science Fiction und hat heute den Status eines (modernen) Klassikers. Soldaten werden durch das All und über Zeitsprünge von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz befördert, Krieg erscheint als die Aktivität, durch die das Wesen des Menschen am zutreffendsten beschrieben werden kann. Mandella, klanglich ein Anagramm für Haldeman, wird durch die Galaxis transportiert, um diesen Krieg zu führen, den er nicht führen will und den er nicht versteht. Er kämpft gegen einen Feind, gegen den er nicht nur nichts hat, sondern von dem er nicht einmal weiß, ob er ein Feind ist.
Das, wofür Mandella angeblich kämpft, gibt es bei seiner Rückkehr nicht mehr. Dadurch, dass er ständig von Ort zu Ort geschickt wird, ist er der irdischen Lebenswirklichkeit entkoppelt, die Erde entwickelt sich weiter, wenn er zwischendurch nach Hause kommt, sind seine Bekannten älter geworden oder leben nicht mehr, Regierungen haben gewechselt, es gibt technologische Entwicklungen, die etabliert, ihm jedoch unbekannt sind, und er kann sich in dieser jeweils neuen Welt nicht heimisch fühlen.
Die extreme Entfremdung, die Krieg erzeugt, scheint eins der wichtigsten Themen Haldemans zu sein. Als der Krieg aus reiner Erschöpfung ein Ende findet, weiß niemand um seine Ursache und wer ihn angefangen hatte – wobei man sich wechselseitig beschuldigt. Die Menschheit führt naturgemäß Kriege und hört, wie Haldeman in Der ewige Friede/Soldierboy darlegt, damit nur auf, wenn sie eine Entwicklung durchmacht, an deren Ende ein kollektives Bewusstsein die Individualität ersetzt hat. Haldeman selbst scheint diese Perspektive abzulehnen, seine Hauptfiguren wehren sich gegen diese Entwicklung.
Der ewige Krieg und Der ewige Friede/Soldierboy sind Charakterstudien und gesellschaftspolitische Texte. Im ersten Buch werden gleichgeschlechtliche Beziehungen von der Regierung gefördert, um das Problem der Überbevölkerung zu entschärfen. Von neun Milliarden Menschen sind sechs Milliarden arbeitslos, Gewalt beherrscht den Alltag, Eugenik ist ein etabliertes Verfahren. Das Szenario der Verelendung wird im zweiten Buch verdichtet auf einen brutalen Klassenkampf. Die Begründung für Krieg ist universell und zeitlos, das vorgelegte Beweismaterial ist lächerlich dünn, die wenigen Menschen, die darauf hinweisen, finden kein Gehör.
Krieg ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. In Der ewige Friede/Soldierboy ist er gar Ausdruck eines auf anderem Wege nicht lösbaren Konflikts zwischen den wenigen Reichen und der Masse der Armen. Nicht lösbar, weil die Umverteilung, die zu diesem Ergebnis geführt hat, von den Reichen und Mächtigen gewollt war, auch wenn sie sich „zivilisiertere“ Arme gewünscht hätten. Am Ende des Krieges erzählt eine Mysterygeschichte, die in einer großen philosophisch angehauchten Auflösung endet. Von Kritik und Leserschaft wurde dieser relativ kurze Roman eher verhalten bis negativ rezipiert.
Fazit
Joe Haldemans Der ewige Krieg ist ein Meilenstein der (Military) Science Fiction, basierend auf Vietnam-Erfahrungen des Verfassers. Der Autor entwickelt in seinem vielschichtigen Werk eine reflektierte Haltung zu Militär und Krieg. Der Jargon orientiert sich an der Erzählweise der schwarzen Serie, dem Hardboiled-Kriminalroman. Die drei Romane in Der ewige Krieg. Gesamtausgabe sind auf je eigene Weise und in verschiedener Qualität und Intensität eine stark geerdete Mischung aus Science Fiction und politischem Statement mit pointiert vorgetragenen Gedanken über den Krieg als Bestandteil des Menschseins.
Pro und Kontra
+ Klassiker der Science Fiction
+ vollständige Veröffentlichung dreier thematisch zusammengehörender Texte
+ trägt zum Verständnis gegenwärtiger kriegerischer Auseinandersetzungen bei
Wertung:
Handlung: 5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4,5/5
Rezension zu Der ewige Krieg (Übersetzung Heyne)