Ulrike Helmer Verlag, 1. Auflage, 2017
Taschenbuch, 176 Seiten,
12,95 Euro [D]
ISBN-13: 978-3-89741-395-5
Genre: Jugenddrama/Belletristik
Klappentext
Schwarz. Wie immer. Die dicken Vorhänge sind zugezogen, das Licht ist aus und draußen greift die Nacht langsam, aber unaufhaltsam um sich.
Sie weiß, dass es falsch ist: das sie eigentlich ein ganz normales Leben führen sollte. Sich Ziele setzen und diesen folgen sollte, doch fällt es ihr so schwer. Sie würde sich gerne treiben lassen, wie die anderen in ihrem Alter, von denen sie nicht einen richtig kennt. Sie hört ihnen manchmal heimlich zu.
Der Autor
Jonas Zauels, Jahrgang 1992, wuchs in einem Dorf im Kreis Ahrweiler bei Bonn auf und entwickelte früh eine Bindung zu Literatur und Schreiben. Bisher verfasste er zwei Romane und diverse Kurzgeschichten. Er studiert Germanistik und Philosophie an der Universität Bonn und spielt in einer Indie-Rockband.
Rezension
Das Leben der siebzehnjährigen Emilia ist geprägt von Dunkelheit. Zurückgezogen lebt sie allein, lässt kaum eine Menschenseele an sich heran und lässt sich treiben. Einziger Halt und Richtungsweiser ist Theo – ein seltsamer junger Mann, der ihr wie ein Schatten folgt. Auf einen Ausflug zu ihrem Dealer trifft Emilia auf Rebecca. Da die Streunerin eine Bleibe sucht, nimmt Emilia das Mädchen spontan bei sich auf. Aus den beiden Mädchen werden Freundinnen. Zusammen gehen sie aus, gehen aus Langeweile mit einer Rockband auf Tour. Sie verlieben und zerstreiten sich, langsam fasst Emilia vertrauen. Doch Emilias Abgründe sind dunkel. Alte, schmerzhafte Erinnerungen drängen an das Tageslicht und bedrohen Emilias Zukunft.
Alle Farben der Nacht ist Jonas Zauels Romandebut. Im Herzen der Geschichte findet sich eine flackernde Seele – getrieben und verzweifelt. Früh verlassen vom Vater, wuchs Emilia nach dem Tod der Mutter bei ihrer dominanten Großmutter auf. Mit Hilfe des Jugendamtes gelingt Emilia schließlich die Flucht aus den strengen Fängen der Großmutter. Zum ersten Mal kann und muss das junge Mädchen für sich allein Sorgen. Einsam und ohne Aufsicht fällt sie in einen Strudel aus Alkohol und Drogen. Kurze sexuelle Abenteuer markieren ihren Weg. Doch engere Bindungen vermag sie nicht einzugehen. Diesem haltlosen, aber faszinierenden Charakter stellt Zauels die abenteuerlustige Streunerin Rebecca und den fürsorglichen Jungen Theo zur Seite – kaum mehr als flackernde Streiflichter in Emilias egozentrischer Welt.
Zauels erzählt seine Geschichte in kurzen, fast schon fragmentartigen Kapiteln aus Emilias Sicht. Der Schreibstil ist anschaulich und beschönigt nichts. Modern und frisch malt er Emilias Welt so dreckig und trist, das sich Ähnlichkeiten zu Christiane Fs „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ aufdrängen. Trotz zahlreicher Bilder findet sich der Leser ebenso treibend wieder wie Emilia. Zauels deutet Vieles nur an und lässt Spielraum für Interpretationen. Phantasie und Realität werden von Zauels zu einem Kunstwerk verwoben. Brillant in Szene gesetzt durch fesselnde Dialoge und ein Ende, das das gesamte Buch in einen anderen Blickwinkel setzt.
Fazit
Jonas Zauels Debut beginnt als modernes Jugenddrama. Die siebzehnjährige Emilia flieht mit Drogen, Sex und Alkohol aus ihrer tristen Welt. Das dumpfe Ertränken ihrer Gefühle und Erinnerungen nimmt ein jähes Ende als sie die Streunerin Rebecca kennenlernt und das erste Mal so etwas wie Liebe und Fürsorge erfährt. Trotz des schillernden Titels ist „Alle Farben der Nacht“ nicht bunt. Es ist ein faszinierender Strudel aus Gefühlen, Sinneseindrücken und Phantasien, der einen in die dunklen Ecken unserer Welt führt und aufgewühlt zurücklässt.
Pro/Contra
+ Emilia
+ Schreibstil
+ Handlungsaufbau
Bewertung:
Charaktere: 4,5/5
Handlung: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4,5/5