Es muss nicht immer Großverlag sein I

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©Shikomo

Es muss nicht immer Großverlag sein –

ARUNYA

ein kleiner, feiner Verlag schickt sich an, die Leser zu erobern.

Ich möchte nun auch sporadisch Kleinverlage vorstellen, die mit sehr viel Herzblut Bücher verlegen.
Im Sommer 2014 hat ein neuer Verlag seine Pforten geöffnet – der ARUNYA-VERLAG, der schön illustrierte eBooks und handliche, edle Hardcover mit farbigen Innengrafiken zu leserfreundlichen Preisen publiziert.

Ich starte nun eine kleine Exkursion durch eine Auswahl der bisher erschienen Titel des Verlages – aber auch einige der geplanten möchte ich vorstellen. Darüber hinaus kleine Leseproben oder Sonstiges „einstreuen“.
Weiteres finden Sie auf der Verlags-Website: www.arunya-verlag.de

Und nun viel Spaß bei der kleinen Literatureise, Alisha Bionda

Beginnen möchte ich meiner Romantasy-Serie von Annika Dick:

1 logo hex hex©Shikomo

HEX HEX

Morgana ist eine Hexe, Mitte zwanzig und lebt in einer Kleinstadt im heutigen England. Sie führt einen kleinen Laden und lebt in der Wohnung darüber. Diese teilt sie mit ihrer sprechenden Katze und dem Exfreund ihrer Schwester, den diese – in ihrer typisch impulsiven Art – in einen Raben verwandelt hat. Nicht selten muss Morgana ähnliche »Missgeschicke« ihrer Schwester ausbaden, die es nicht einsieht, verantwortungsvoll mit Magie umzugehen. Auch ihre Mutter, die die altmodische Meinung vertritt, Hexen sollten unter sich bleiben, sorgt gerne für Turbulenzen.

Der Künstler Peter Wall betreut das Projekt künstlerisch.

fauler zauber1FAULER ZAUBER
Annika Dick
Romantasy
Covergrafik: Peter Wall
Innengrafiken: Peter Wall
Covergestaltung: Shikomo
HEX HEX: Band 1
eBook - Juni 2013 - 4.99 EUR

Morgana ist jung, gut aussehend und äußerst hilfsbereit – und ihre Probleme löst sie einfach mit Magie.

Getränke aus Salamanderherzen und Krötenschleim, eine sprechende Katze und ein Rabe, der einmal ein Mensch war, Drachenschuppen und Blutegelanhänger, eine Banshee und eine Vampirin, eine Mutter, die einen unbedingt unter die Haube bringen will und eine verantwortungslose große Schwester – und jede Menge fauler Zauber.

Für Morgana ist es der ganz normale Wahnsinn. Mit Mitte zwanzig kommt sie sich nicht selten wie die einzig Erwachsene in ihrem Umfeld vor und darf so manches Missgeschick ihrer Freunde und Familie ausbaden. Eines steht dabei fest: Langweilig wird ihr so schnell nicht.

Entspricht 200 Normseiten

hexengrippeHEXENGRIPPE
Annika Dick
Romantasy
Covergrafik: Peter Wall
Innengrafiken: Peter Wall
Covergestaltung: Shikomo
HEX HEX: Band 2
eBook - Mai. 2014 - 4.99 EUR

Morgana weiß, dass ihr Traum von einem ruhigen Leben in weite Ferne gerückt ist. Auch wenn ihre Wohnung nun nicht mehr einer Auffangstation für obdachlose übernatürliche Wesen gleicht, so geht es doch noch immer turbulent zu.

Dass sich ihre Schwester Desdemona weiterhin von ihrer schlechtesten Seite zeigt, ist für Morgana wenig überraschend. Doch eine neue Nachbarin und das überaus merkwürdige Verhalten ihrer Mutter stellen die junge Hexe vor neue Probleme. Und das ausgerechnet jetzt, wo es schon in ihrem Liebesleben drunter und drüber geht.

Demnächst erscheint der dritte Band der Serie:

nixenträumeNIXENTRÄUME
Annika Dick
Romantasy
Covergrafik: Peter Wall
Innengrafiken: Peter Wall
Covergestaltung: Shikomo
HEX HEX: Band 3
eBook – voraus. Herbst 2017, 4.99 EUR

Band 3 der Serie HEX HEX ist derzeit in Arbeit und erscheint voraussichtlich im Herbst 2017.

Als kleinen Appetizer können Sie hier die Prologstory zur Serie lesen:
http://www.literra.info/kurzgeschichten/short_story.php?id=663

REZENSION FAULER ZAUBER
rezensiert von Monika Schulze (suechtignachbuechern.blogspot.de)

Inhalt

„Getränke aus Salamanderherzen und Krötenschleim, eine sprechende Katze und ein Rabe, der einmal ein Mensch war, Drachenschuppen und Blutegelanhänger, eine Banshee und eine Vampirin, eine Mutter, die einen unbedingt unter die Haube bringen will und eine verantwortungslose große Schwester - und jede Menge fauler Zauber. Für Morgana ist es der ganz normale Wahnsinn. Mit Mitte zwanzig kommt sie sich nicht selten wie die einzig Erwachsene in ihrem Umfeld vor und darf so manches Missgeschick ihrer Freunde und Familie ausbaden. Eines steht dabei fest: Langweilig wird ihr so schnell nicht.“

Morgana erbt von ihrer Tante Henrietta einen Laden für Zauberbedarf. Die junge Hexe denkt, jetzt würde alles besser werden, da sie endlich von ihrer schrägen Schwester Desdemona und ihrer kontrollsüchtigen Mutter wegkommt. Doch damit fangen ihre Probleme eigentlich erst an, denn wer mit einer Vampirin und einer Banshee befreundet ist und so eine Familie hat, der kann nur im Chaos enden.

Jeder Tag birgt eine neue Überraschung für Morgana und hält die junge Hexe damit in Atem … .

Meine Meinung

Die Geschichte beginnt mit einem Brief von Henrietta an ihre Nichte Morgana, in dem sie erklärt, wieso sie umziehen will und damit ihren Zauberladen aufgeben muss. Da es jedoch ein Familienunternehmen ist, möchte sie gerne, dass Morgana den Laden übernimmt und diese ist sofort begeistert, da sie endlich von ihrer Mutter und ihrer Schwester wegkommt.

Sie denkt, jetzt hätte sie endlich Ruhe, doch ihre Schwester Desdemona taucht immer wieder bei Morgana auf und sorgt kräftig für Wirbel. Dabei passieren so viele Dinge kurz hintereinander, dass man kaum zum Durchatmen kommt. Desdemona fallen ständig neue Dinge ein, um ihre Schwester Morgana in Atem zu halten und was diese nicht schafft, übernehmen Morganas beste Freundinnen: Laila, die Vampirin und Cait, die Banshee oder ihr Hexenkater Shadow.

Man lernt viele magische Wesen kennen und erlebt, welche Eigenheiten ihnen die Autorin Annika Dick zugeschrieben hat. Es macht richtig Spaß, die einzelnen Darsteller kennenzulernen und gemeinsam mit ihnen Abenteuer zu erleben. Doch manchmal überschlagen sich die Ereignisse geradezu und in jedem Kapitel passieren so viele unglaubliche Dinge, die dann aber schnell wieder aufgelöst werden, so dass man teilweise kaum Zeit hat, diese Erlebnisse zu genießen. Manchmal hätte ich mir ein bisschen Alltag gewünscht, um Morgana etwas genauer kennenzulernen, ohne dass die nächste Katastrophe schon wartet.

Sehr gut gefällt mir der Humor von Annika Dick, mit dem sie das Leben der Hexe Morgana erzählt. Da gibt es einen pinken Raben, eine durchgeknallte kleine Fee, die möchte, dass Morgana ihren Traumprinzen findet und deshalb die Wohnung voller Frösche zaubert und eine unberechenbare Schwester, die immer wieder für Wirbel sorgt.

Das Ende bietet außerdem zusätzlich Spannung und ist ein absolut fieser Cliffhanger, der einen sehnsüchtig auf die Fortsetzung warten lässt. Mal sehen, welche zauberhaften Katastrophen dann auf Morgana und ihre Freunde warten.

Fazit

In Annika Dicks „Hex Hex“ lernt man so viele magische Wesen kennen und erlebt so viele Abenteuer, dass man kaum zum Verschnaufen kommt. Dadurch verfliegen die Seiten geradezu und man fragt sich, was wohl noch alles auf Morgana zukommt. Dieses Buch macht wirklich jede Menge Spaß. Am besten man liest es im Sommer draußen auf der Gartenliege und lässt sich von der Hexe Morgana und ihren Freunden verzaubern.


Weiter geht es mit dem Fantasy-Programm des Arunya-Verlages:

regenbogenweltREGENBOGEN-WELT
Alisha Bionda
Roman / Ethno-Fantasy
Innengrafiken: Barbara Schriefers
eBook - Juni 2013 - 5.99 EUR

Eine etwas andere "Schöpfungsgeschichte" nach dem Mythos der Navajo-Indianer und anderer Stämme.

Über die verwaiste Erde wölben sich die fünf Ebenen der Regenbogen-Welt.
Die menschliche Rasse hat sich selbst vernichtet ¬ sich und alles andere Leben. Nur das Volk der Insekten hat dem Untergang getrotzt. Aus ihm ist Saha, die Gottesanbeterin, hervorgegangen. Als sie herangewachsen ist, macht sie sich, geplagt von einer unerklärlichen Wissbegier und Unruhe, mit einigen Freunden auf den Weg, die Regenbogen-Welt zu erkunden. Ihr Ziel ist die fünfte Ebene, von der Auserwählte hinab auf die verwaiste Erde geschickt werden sollen.

Immer wieder treffen sie auf Relikte verschiedener Kulturen der untergegangenen Welt, und immer neue Reisegefährten gesellen sich zu ihnen. Es kommt zu gefährlichen Begegnungen. Ihr Aufstieg durch die fünf Ebenen der Regenbogen-Welt gestaltet sich als fast unmögliches Unterfangen. Doch Saha wird von einer Vision getrieben, in der sie und ihre Freunde als die Auserwählten der Zweiten Menschenrasse erscheinen.

Entspricht 459 Normseiten

1 Leseprobe Regenbogenwelt

© Barbara Schriefers

LESEPROBE

Die Sonne kitzelte am nächsten Morgen Sahas Nase. Tuc und Barb waren bereits wach und unterhielten sich leise mit Uhura. Es war schon wieder drückend heiß. Ein schwüles Lüftchen umwehte sie. “Würde es doch mal regnen”, stöhnte Jabani. Sie sehnte sich in die kühle, dunkle Höhle zurück, in der sie bisher gehaust hatte.
Saha blickte in den wolkenlosen Himmel. “Ja, es wäre wirklich eine Wohltat, wenn endlich ein paar Tropfen Wasser vom Himmel fielen.”
Doch To neinili, der Regengott, verweigerte ihnen das lebensspendende Naß. Er war der erste Gott, der ihnen seine Macht zeigte. Und seinen Zorn. Er ließ sie darben. Ließ sie über verdorrte, harte Erde gehen. Ließ sie dursten und nahm ihnen schon zu Anfang ihrer Reise die Hoffnung, jemals die fünfte Welt zu erreichen. Die Luft war zu heiß zum Fliegen. Sie verbrannte ihnen die Flügel. So krochen sie Meter für Meter durch diesen unerträglichen Brutkasten.
“Puh”, stöhnte Tuc. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so geschwitzt zu haben. Geschwitzt und gelitten. Und dabei war seine Leidensfähigkeit sehr groß. Das wußte er seit dem Moment, als er mit ansehen mußte, wie sein Volk unterging. Er würde den Anblick der Wassermassen des über die Ufer getretenen Flusses, welche die Stadt seines Volkes mit sich rissen, nie vergessen. Dabei war es purer Zufall gewesen, daß er verschont geblieben war. Sein jüngster Sohn hatte gefiebert und Tuc war in den Wald gegangen, um Heilkräuter zu sammeln. So war ihm das Los des frühen Todes erspart geblieben. Auch wenn er sich in den dunklen Stunden des Schmerzes nichts sehnlicher gewünscht hatte, als mit seiner Familie gestorben zu sein. Mittlerweile war er dankbar dafür, daß er noch lebte. Ihn trieb die Hoffnung voran, ein Weibchen seiner Spezies zu finden und ein neues Volk zu gründen. Darin sah er eine große Chance. Und seine Daseinsberechtigung.
Tuc ließ die Flügel hängen. Kleine Schweißrinnsale liefen über seinen Körper. ”Puh, das ist ja nicht auszuhalten.” Seine Stimme zitterte vor Anstrengung.
“Das kannst du wohl laut sagen”, entfuhr es Hazee keuchend. Ihr sonst so prachtvolles, rotbraunes Fell klebte verschwitzt an ihr. Aber es ging nicht nur ihr so erbärmlich. Die anderen sahen auch nicht viel besser aus. Shirkans Gang hatte sichtbar an Elastizität verloren, Jabanis Gesichtsausdruck wirkte noch verschlossener als sonst, Ishtars dünne Flügel hingen schlaff herab und Barbs klebten ihr wie festgeschweißt am Körper. Nur Saha hatte keine Schwierigkeiten. Ihr Chitinpanzer glänzte wie gewachst. Aber auch Kasur machten die Hitze und der Flüssigkeitsverlust nicht so sehr zu schaffen wie ihren Freunden. Die giftgrüne Schlange glitt mühelos über den Boden. Uhura bewegte sich mit komischen Flatter-Trippel-Bewegungen neben ihr her. “Das ist die Sonnenstraße”, gab sie im Lehrmeisterton von sich.
Hazee warf einen genervten Blick in das sonnenveredelte Blau des Himmels. “Eine sehr treffende Bezeichnung. Aber ich hatte für meinen Geschmack schon zu viel des Guten.”
“Ich auch!”, pflichtete Jabani ihr bei. “Ich bin es nicht gewöhnt, ständig durch das helle Licht zu wandern. Wenn nicht bald...”
“Laßt euch nicht entmutigen”, fuhr Saha dazwischen. “Wir wußten von Anfang an, daß es nicht leicht wird.”
Ihre Freunde murrten, gingen aber dennoch weiter.

*

In den Nächten legte der Schwarze Gott ein so dunkles Tuch über die Welt, daß Saha und ihr Gefolge nicht weiterziehen konnten. Die Dunkelheit lastete so schwer auf ihnen, daß einige zu sterben glaubten. Saha hörte das angstvolle Stöhnen der Freunde und spürte, daß der Schwarze Gott nicht nur die Welt ins Dunkel zog, sondern auch ihre Seelen. Er war der zweite, der seinen Zorn über sie schickte. Ihnen nachts das Licht nahm.
Sahas Finger schlossen sich wie selbstverständlich um den Beutel, den Iman ihr gegeben hatte. Sie hörte im Geist deren Stimme: “Du wirst wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist, ihn zu öffnen.” Jetzt war er gekommen!
Ungeduldig wühlte Saha in dem Ledersäckchen und zog die geschlossene Hand wieder hervor. Sie war selbst mehr als gespannt, was sie darin finden würde. Als sie die Hand öffnete, schrie sie erstaunt auf: Abertausend kleine blinkende Glimmerstückchen lagen darin. Saha wußte nicht so recht, was sie mit dem funkelnden Staub anfangen sollte. Einer Eingebung folgend warf sie die Glimmerstückchen so hoch sie konnte in die Luft. Jabani, die über ihren Köpfen flatterte, fuhr herum und blies mit aller Kraft in den fliegenden Glimmerteppich hinein. Die Teilchen flogen hoch empor und hefteten sich in unregelmäßigen Scharen an den dunklen Himmel. Einige bildeten Formationen, aus denen Saha und ihre Freunde Tiere und andere Gebilde heraussahen. “Sieh nur, ein großer Bär!”
“Nein, dort ein Wagen.”
“Und hier, ein Skorpion!”
So redeten sie alle aufgeregt durcheinander. Dann verstummten sie wieder und blickten ehrfürchtig in den Himmel. Die Glimmerstückchen, die keine Formation bildeten, verstreuten sich unregelmäßig über das ganze Firmament.
“Ich hätte nie zu hoffen gewagt, daß ich sie noch einmal sehe”, sagte Uhura leise. Ergriffenheit lag in ihrer Stimme. Eine Gefühlsregung, die der sonst so beherrschten Eule nicht ähnlich sah.
“Wen?” fragte Barb. Selbst ihr keckes Gesicht trug einen ehrfürchtigen Ausdruck.
“Die Sterne”, sagte Uhura. Dann drehte sie den Kopf. Nicht schnell genug, so daß Saha nicht entging, wie Tränen über die runden Wangen der Eule liefen.

*

Die Nächte waren zwar immer noch dunkel, aber die Sterne machten sie jetzt lebendig und veredelten den Himmel. Uhura hatte ihnen erzählt, daß mit dem Untergang der ersten menschlichen Rasse auch die Sterne verschwunden waren. Jene Leuchtpunkte am Himmel, welche die Nächte erhellten.
“Die Menschen haben wirklich ganze Arbeit geleistet”, murmelte Saha gedankenversunken. “Aber sie wurden hart dafür bestraft. So wie wir jetzt. Die Götter haben auch mit uns kein Einsehen.”
Damit hatte sie völlig recht. To neinili, der Regengott, hatte ihnen immer noch kein Wasser geschickt. Aber Not machte ja bekanntlich erfinderisch. So hackten die Freunde mit spitzen Steinen Löcher in die Säulenkakteen und tranken die milchige Flüssigkeit, die aus den Pflanzen austrat. Das löschte ihren ärgsten Durst. Sie fertigten aus überreifen Beeren ein dünnflüssiges Mus, und auch das hielt sie am Leben. Essen gab es in Hülle und Fülle. Das ließ ihre Kräfte nicht schwinden. Schon bald gewöhnten sich ihre Körper an die veränderten Lebensbedingungen. Nur das ständige Sonnenlicht, das sie früher gesucht hatten, trieb sie an den Rand ihrer seelischen Belastbarkeit.
Andere hätten bereits aufgegeben.
Die Freunde aber gingen beharrlich weiter auf der Sonnenstraße. Dabei folgten sie immer den Schatten, welche die Strahlen des Lichtkörpers am Himmel warfen. Bis das nächste Hindernis der grollenden Götter über sie hereinbrach.
Rote Feuerzungen regneten auf sie herab. Von einer Sekunde auf die andere. Als sie schutzlos durch ein kleines Tal gingen, schickte ihnen der namenlose Feuergott seine heißen Todesboten. So plötzlich und heftig, daß sie verloren gewesen wären, hätte sich nicht plötzlich am Rande der Felsen, die das langgezogene Tal einschlossen, eine große, dunkle Gestalt erhoben. Das Wesen hatte einen dichten, braunen Pelz, bewegte sich auf vier mit mächtigen Krallen versehenen Pfoten und vermochte sich sogar auf seine Hinterbeine aufzurichten. Der plump wirkende Körper bewegte sich erstaunlich flink auf sie zu und stellte sich schützend über sie. “Bleibt immer unter mir und lauft mit mir zurück in die Berge”, schrie es Saha und ihren Freunden zu. Die überlegten nicht lange, denn das bullige Wesen setzte sich, nachdem es von mehreren Feuerzungen getroffen worden war, mit einem schmerzerfüllten Schrei in Bewegung. Bereits nach wenigen Schritten war es vor ihnen. Beraubte sie so seines schützenden Körpers.
Es war zu schnell für sie.
Saha gab ein schrilles Pfeifen von sich. Das Wesen drehte sich herum und eilte zu ihnen zurück. “Ihr seid zu langsam.” Eine weitere Feuerzunge traf den gewaltigen Körper. Geruch von verbranntem Fell stieg in Sahas Nase. “Ich habe eine bessere Idee. Klammert euch an mein Bauchfell.” Für Jabani war das eine Kleinigkeit. Sie hing in Sekundenschnelle an den warmen Bauchfransen des Retters. Auch Ishtar, Shirkan und Barb klammerten sich daran fest. Tuc verschwand sogar vollends in dem dichten Pelz. Hazees keckes Näschen lugte neben ihm hervor. Nur Uhura und Kasur sahen sich hilflos an. Die Schlange atmete einmal tief durch und ringelte sich blitzschnell um die linke Hinterpfote des Wesens. Saha blickte Uhura an. Sie war zu schwer, um sich an dem Bauchfell des Wesens festzuklammern. Die Eule versetzte Saha mit dem Schnabel einen heftigen Stoß, so daß sie gegen den Bauch ihres Retters fiel und sich instinktiv daran klammerte.
“Macht euch um mich keine Sorgen”, schrie Uhura und warf einen besorgten Blick in Richtung des Himmels, von dem es weiter Feuerzungen regnete. “Ich versuche mich so durchzuschlagen.” “So weit kommt das noch”, brummte das Wesen, öffnete sein beeindruckendes Maul und erfaßte die Eule. Saha schrie auf und hätte sich beinahe vor Schreck fallenlassen, klammerte sich aber im allerletzten Moment wieder an die zotteligen Fransen, als sich das Wesen in Bewegung setzte. Saha schloß die Augen und fragte sich, ob sie von Uhura nur noch eine unförmige Masse vorfinden würden. Bis das beruhigende Gurren der Eule erklang.
Uhura lebte!
Das Wesen steigerte sein Tempo und erreichte beeindruckend schnell die Berge. Lief geschickt durch einige Felsausläufer und preschte in eine Höhle, die Schutz vor den Feuerzungen bot. Dort blieb es japsend stehen, ließ Uhura sanft aus seinem Maul zu Boden gleiten, lugte dann zwischen seinen Vorderpfoten hindurch und betrachtete Saha und ihre Freunde.
“Endstation”, sagte es freundlich. Immer noch außer Atem.
Kasur schlängelte sich elegant auf den Boden und kroch in sichere Entfernung. Das Wesen war ihr trotz seiner Hilfe nicht ganz geheuer.
Saha und ihre Freunde ließen sich ebenfalls zu Boden gleiten und liefen auf Uhura zu. “Geht es dir gut?” fragte Saha besorgt.
Die Eule nickte, noch sichtlich benommen, und blickte das pelzige Wesen an. “Wir danken dir. Ohne deine Hilfe hätten wir es nicht geschafft. Du kamst zur rechten Zeit. Aber nun verrate uns auch, wer du bist und wie du heißt.”
“Mein Name ist Shash. Ich bin der letzte, lebende Sohn von Anoo, dem Bären.”


elfenmondELFENMOND
Guido Krain
Roman / Fantasy
Covergrafik: Shikomo
Innengrafiken: Shikomo
Covergestaltung: Shikomo
ELFENMOND: Band 1
eBook- Juni 2013, 5.77 EUR

Es gibt Personen, in die man sich besser nicht verliebt, wenn man auf ein beschauliches Leben mit gemütlichem Tod im eigenen Bett aus ist. Und es gibt angenehmere Wege seine Brötchen zu verdienen, als das ständig misstrauisch beäugte Leben eines Magiers in Nosbador zu führen.

Dies ist die Geschichte vieler Schicksale, die unentwirrbar mit dem Leben eines jungen Mannes verwoben sind. In einer Welt voller Wunder und übermächtiger Feinde versucht er, den Überblick zu behalten und zu überleben. Doch am Ende des Weges wird er erfahren müssen, dass der Unterschied zwischen "gut" und "böse" nur eine Frage der Perspektive ist und dass Monster nicht immer geboren, sondern viel häufiger gemacht werden.

ELFENMOND ist der erste veröffentlichte Roman von Guido Krain und erschien im Arunya-Verlag als eBook in einer neu lektorierten und illustrierten Ausgabe.

Entspricht 552 Normseiten

1 Leseprobe Elfenmond ©Shikomo

LESEPROBE

2 - Dämonische Früchte

„Und Sie sind sicher, dass die Krankheit Ihrer Begleiterin nicht ansteckend ist?“ Der kleine kahlköpfige Mann hinter dem Tresen schien sichtlich besorgt zu sein. „Besorgt“ war noch sehr schmeichelhaft ausgedrückt; Ivo hatte wesentlich deutlichere Worte für den einfältigen Wirt gefunden.
Schon als wir gekommen waren, hatte der Herbergsvater eilig seine Familie in die Küche geschickt. Nur meine offensichtliche Zugehörigkeit zur Ziranom schien uns einen unfreundlicheren Empfang erspart zu haben. Der Mann hatte Angst. Und bisher schien er sich noch nicht entscheiden zu können, ob die Angst vor mir oder der „Krankheit“ meiner Begleiterin größer war. Dabei hatte er nicht viel mehr als Lunas bleiche Hände und ihre glühenden Augen zu Gesicht bekommen, als sie völlig apathisch den Schlafenden Ochsen betreten hatte. Ich hatte sie schnurstracks in eines der Zimmer gebracht und einige Minuten gewartet, bis sie eingeschlafen war. Dass es nur wenige Minuten dauern würde, war kaum zu übersehen gewesen.
Auf dem ganzen Weg hierher hatten wir kein Wort miteinander gewechselt. Ich hatte sie im Sattel festbinden und festhalten müssen. Ihre wundervollen Augen schienen eine andere Welt zu sehen. In ihnen spiegelten sich Schrecken, Entsetzen und eine schwer zu beschreibende Form von ... Unbeugsamkeit?
Auch Ivo war sehr still und ernsthaft gewesen. Er schien auf etwas zu warten und hatte mit seiner beharrlichen Weigerung, mir zu sagen, was er wusste, mein Nervenkostüm auf die Probe gestellt. „Natürlich bin ich sicher“, schnauzte ich den Wirt an. „Sonst würde ich mein Zimmer wohl kaum mit ihr teilen“, fügte ich etwas versöhnlicher hinzu.
„Lüg’ doch nicht so.“ Ivo war seit unserer Ankunft in der Schenke sichtlich ruhiger geworden. Seine Art war deshalb aber nicht weniger aufreizend. Er zwinkerte mir zu und verunsicherte unseren Gastgeber damit noch weiter.
„Spricht er mit Euch?“, fragte er sichtlich überrascht.
Ich entschied, dass mein Verhältnis zu Ivo den Wirt nun wirklich nichts anging und konnte aus den Faxen, die mein amphibischer Freund in meinem Augenwinkel vollführte, ersehen, dass ich mit meiner Einschätzung nicht alleine dastand. Doch zum Antworten kam ich nicht mehr.
Ein Riese fiel auf das Dach. Zumindest hörte es sich so an. Der dumpfe Schlag ließ das klapprige Regal hinter der Rezeption erbeben und die Augen des Wirtes groß werden. Die Deckenlampe torkelte wie eine betrunkene Schildkröte in meiner Kopfhöhe herum und zeichnete wirre Muster über Decke und Wände. Dabei verteilte der Lichtspender großzügig seinen öligen Inhalt über Fußboden und Hausherr. Ein lauter Knall kündete von der unsanften Bekanntschaft eines auffallend hässlichen Bilderrahmens mit dem Holzboden des Wirtshauses.
„Na endlich“, meinte Ivo trocken. Die Gelassenheit in seiner Stimme überzeugte mein Herz davon, dass es eine gute Idee sein könnte, einfach weiterzuschlagen. Mein Verstand nahm sich allerdings noch eine Auszeit, sonst hätte ich mich wohl fragen müssen, was er mit diesem Spruch gemeint haben könnte.
„Bei den sechs Hunden des Kao... Was war das?“ Die Stimme des Wirtes war kaum mehr als ein zitternder Hauch. Wenn er die Augen weiterhin so aufriss, würden sie ihm gleich aus dem Kopf fallen.
Doch ich hatte keine Gelegenheit, das Phänomen näher zu betrachten. Meine Beine waren trotz heftiger Proteste meines grünen Reisegefährten bereits damit beschäftigt, mich regelrecht zur Treppe hinaufzutreiben. Ich stand schon im Flur vor unserem Zimmer, bevor ich überhaupt realisiert hatte, dass ich nicht vor Schreck gelähmt im Erdgeschoss stand.
„Du Trampel! Du Rindvieh! Du Produkt eines grobmotorischen Trolls und einer altersschwachen Elefantenkuh!“ Ivos kleine quadratischen Hände hielten sich an meinem Kragen fest. Er versuchte, mit den Beinen Halt zu finden und sich wieder auf meine Schulter zu ziehen. Ich hatte zwar keine Ahnung, was eine Elefantenkuh war, doch vermutlich hätte sich meine Mutter ebenso über diese Bezeichnung gefreut, wie mein Vater über den „grobmotorischen Troll“.
Glücklicherweise nahm ich Ivos Lamentieren kaum wahr. Ich war mit der Sorge um Luna vollkommen ausgelastet. Hektisch stolperte ich den nur vom Mondlicht beleuchteten Flur entlang und griff nach der Klinke unserer Zimmertür.
„Warte nur bis ich ...“, setzte Ivo wieder an. Der Rest seines Wortschwalls ging unter, als die Tür von innen aufgerissen wurde und mich wie eine übergroße Fliegenpatsche von den Beinen holte. Der harte Aufprall presste mir die Luft schmerzhaft aus der Lunge.
Im fahlen Gegenlicht des Flurfensters stand eine Frau. Ihre Silhouette hätte im großen Lexikon von Kalva den Eintrag „weiblich“ illustrieren können. Der Schatten war so scharf gezeichnet, dass sie entweder extrem enge Kleidung trug oder nackt sein musste. Ihre Schultern wurden weitgehend vom Schatten ihres wilden Haares verdeckt. Sie war sehr schlank, wenngleich sie gegen Luna fast üppig wirkte. Ihre Bewegungen waren eher die eines Berglöwen als eines Menschen. Das Silber ihrer Fingernägel war die einzige Farbe der Gestalt, die nicht vom Gegenlicht geschluckt wurde. Kalt und bedrohlich schimmerten sie und unterstrichen die stumme Drohung, die jede Pore ihrer Haut auszuatmen schien. Wie kam diese Gestalt in Lunas Zimmer? Und was noch wichtiger war: Was hatte sie dort getan?
Die „Türreißerin“ hatte einen Augenblick innegehalten um ihr Opfer zu begutachten. Ich konnte ihren höhnischen Blick nicht nur spüren, sondern fast greifen. Sie schien unschlüssig, ob sie mich ignorieren, kidnappen oder töten sollte.
Nun, ich hatte Talon überlebt, starb fast vor Sorge um Luna und würde mich jetzt bestimmt nicht von einer Schattenfrau einschüchtern lassen. Und warum sollte ich auch? Ich war immerhin Magier! Vielleicht nicht gerade der begabteste Zauberkundige aller Zeiten, doch immerhin ein Absolvent der Ziranom. In der Auseinandersetzung mit Talon – als Kampf wollte ich das lieber nicht bezeichnen – hatte ich instinktiv Magie eingesetzt. Das hätte ich mir früher niemals zugetraut. Und nun würde ich diese Macht bewusst benutzen.
Wie ich es gelernt hatte, konzentrierte ich mich auf mein inneres Auge. Die Realität versank im Nichts und gab den Blick auf die wundervolle magische Struktur der Welt und des Seins frei. Der unerwartete Erfolg riss mich fast aus meiner Konzentration. Bisher hatte ich es nur geschafft, die magische Welt zu fühlen, wie vielleicht ein Blinder mit einem Krückstock eine Murmel ertasten kann.
Doch diesmal rauschte die Kraft geradezu wie ein donnernder Strom durch meinen Geist und drängte mich, ihr zu folgen. Ich sah wunderschöne magische Strukturen, die wie Sonnen glühten, die man in einen Regenbogen getaucht hat. Sonnen, deren Licht wie bunte Kristalle von ihnen herunter tropfte und sich zu komplizierten Bändern und Flächen dehnten.
Es war, als könne ich die Grundfesten der Wirklichkeit berühren, und als luden diese Festen mich zu ausgelassenen Spielen ein. Nie zuvor hatte sich mein Geist so sehr geweitet und derartig plastisch die Wunder und die Schönheit der Magie erfassen können. Ich sah den Wirt, wie er ängstlich mit einer Öllampe im Erdgeschoss am Fuß der Treppe stand.
Und ich sah Luna, die in unserem Zimmer auf dem Bett saß und sich die Augen rieb. Sie war in strahlendes Weiß getaucht und wurde von einem kräftigen bunten Feld durchdrungen. Neben ihr saß ... nun ja ... LunaLuna pechschwarz und hatte weiße, pupillenlose Augen. Sie wirkte auf eine seltsame Art unecht. Als sei sie vom Schicksal vorgesehen, hätte aber den Sprung in die Wirklichkeit nicht geschafft. Wie eine Schwester, deren Geburt vergessen worden war. Auch die „schwarze Luna“ saß auf dem Bett, sah allerdings sehr erschöpft aus.
Als ich merkte, wie sehr mich das Betrachten von ihr aus dem Gleichgewicht brachte, riss ich meine Aufmerksamkeit von ihr los und wandte mich dem unheimlichen Schatten vor mir zu. Er war monströs. Ich konnte ihn – oder besser sie – nicht richtig erfassen. Ich fühlte nichts als Kälte, Hass, Gewalt und Tücke. Die Fremde schien die magische Welt um sich herum zu konsumieren; sie einzuatmen und dann verunstaltet wieder von sich zu geben.
Meine Gedanken bündelten sich wie von selbst zu einem tiefen Griff in das magische Netz. Es war wie ein unglaubliches Spiel; gleichzeitig einfach und doch unfassbar kompliziert. Ich spürte, wie sich komplexe magische Strukturen meinem Geist beugten und in Sekunden manifestierten. Es war so einfach. Ich änderte meine Absicht, die Fremde mit einem grellen Lichtblitz zu blenden.
Stattdessen versuchte ich einen Zauber, der sogar meinen Lehrern an der Ziranom oft misslungen war. Ich kam mir wie ein Fuchs vor, der seinen Jungen einen Wolf zum Abendessen servieren will. Voller Stolz schleuderte ich der Fremden das Feuerband des Sardon entgegen.
Zumindest wollte ich das.
Der gesamte Flur war mit einem Mal von einem dichten Regen aus kleinen weichen Brocken gefüllt. Das Prasseln war ohrenbetäubend und holte mich damit in die Welt zurück, die ich gewohnt war. Eine Ohrfeige hätte nicht plötzlicher kommen können. Ich verlor die Orientierung oder vielleicht wurde ich auch gerade wahnsinnig. Ich sah nichts mehr, hörte nur noch ein lautes Prasseln und wurde überschwemmt von süßlichem Geruch.
Süßlicher Geruch? Ich brauchte viel zu lange, um die Fakten zu einer kühnen Annahme zu verdichten.
„Es regnet Kirschen!“ Als hätte mein überraschter Ausruf den imaginären Gott des Kirschregens verstimmt, endete der seltsame Obstschauer genauso abrupt, wie er begonnen hatte. Ich war halb von Kirschen verschüttet und spürte, wie sich meine Hosen mit Saft vollzusaugen begannen. Der weibliche Schattenriss klebte wie eine Spinne unter der Decke und stieß ein Lachen aus, das nichts mit Humor zu tun hatte.
„Das üben wir besser noch einmal, Kleiner. Schade nur, dass du nicht mehr dazu kommen wirst ...“ Ihre Stimme klang, als wäre sie für einen weiblichen Mühlstein gedacht gewesen. Ihre Worte troffen vor Bosheit. Der letzte Teil des Satzes war wegen eines eigenartigen Knackens in ihrem Gesicht kaum noch zu verstehen gewesen.

cvonCVON
Guido Krain
Roman / Fantasy
ELFENMOND: Band 2
eBook - Oktober 2013 - 4.99 EUR

Erster Teil des Ushovar-Zyklus

Augen wie Eis, Krieg im Herzen und Tod im Gepäck – Die Legende der Kriegerin, die Krieg gegen den Krieg führte.

Cvon ist eine Frau des Krieges, die in ihrem kurzen Leben bereits genug mitgemacht hat, um jedes Bisschen Naivität und Blauäugigkeit abgelegt zu haben. Im Zentrum eines chaotischen Bürgerkrieges glaubt sie nur noch an das Prinzip "Überleben" und daran, von gar nichts mehr aus der Fassung gebracht werden zu können.
Auch Kriegerinnen können irren.
Ihren Schultern wird eine Verantwortung aufgebürdet, die weit über ihr eigenes Leben und ihre eigenen Wünsche hinausgeht. Ihr werden Opfer und Entscheidungen abverlangt, die einem empfindenden Wesen unerträglich sein müssen. Und sie wird lernen, dass es einen Preis für Härte gibt, den jeder Mensch bezahlen muss.

Entspricht 239 Normseiten

LESEPROBE

Ihr Atem geht rau und stoßweise. Wie gebannt schaut sie auf die morsche Tür des Lagerraums. Er darf sie nicht finden. Oh Ihr Götter ... alles, aber lasst ihn mich nicht finden!, denkt sie immer wieder und glaubt bei jedem Atemzug, dass ihr das Herz gleich aus dem Halse springen wird. Da ... schlurfende schwere Schritte im Flur.
„Cvon! Komm her du kleine Kröte! Du willst mich doch nicht wütend machen, oder?“
Pheras‘ Zunge ist schwer und ungelenk vom Alkohol. Sie kann förmlich den Speichel hören, der ihm mit jedem Wort über die Lippen kommt. Ekel und Angst mischen sich zu nackter Panik. Sie muss kämpfen um nicht laut zu schreien. Verzweifelt irrt der Blick ihrer grünen Augen über willkürlich aufeinandergetürmte Möbel, Bilder, Fässer und Säcke. Die unsortierte Beute, die Pheras‘ Bande während des langen Bürgerkriegs zusammengerafft hat. Die Sonne ist vor wenigen Minuten aufgegangen und sendet ihre Strahlen durch das löchrige Dach. Cvon fühlt sich so unsäglich verraten. Von der Sonne, deren Licht ihr die Sicherheit eines dunklen Versteckes verwehrt, vom Alkohol, der Pheras nach einer durchzechten Nacht noch immer auf den Beinen stehen lässt und von ihrem eigenen Körper. Dem verdreckten Körper einer 12-Jährigen, der den stinkenden Männern des Clans in den vergangenen sechs Jahren zu mager gewesen war. Aber selbst das scheint sie jetzt nicht mehr zu schützen. Sie ist allein. Allein mit ihrer Angst, ihrem Hass und ihrer Hilflosigkeit.
Wenigstens nimmt sie die brutale Kälte nicht wahr, die sich wie so häufig durch ihr dünnes zerlumptes Leinenhemd beißt.
„Cvon! Ich will dir doch gar nichts tun! Du wirst sehen!“
Sie muss es nicht sehen. Sie weiß, was er vorhat. Sie hat gesehen, wie er es vielen Frauen und Mädchen vor ihr antat. Er wird das mit ihr machen, was er und seine Bande ihrer Mutter antaten, bevor sie ihr die Kehle durchschnitten.
Sie hört, wie nebenan die Türen aufgestoßen werden, und kann doch nichts tun als steif vor Angst in der Mitte des Raumes stehen zu bleiben. Ihr Blick verschleiert sich mit Tränen. Seine Schritte schlurfen immer näher heran, dann passiert das Unvermeidliche. Die Tür fliegt auf und Pheras, ein betrunkener Berg von einem Mann, steht vor ihr. Sein Gestank nach Alkohol und Urin ist kaum zu ertragen. Hilflos umklammern ihre dünnen Arme ihren mageren Körper.
Seine Ohrfeige kommt hart und unerwartet. Die Wucht des Schlages wirft sie zu Boden. Ihre Wange brennt und ihre Stirn hinterlässt eine dünne Blutspur auf den rauen Dielen unter ihr.
„So, du kleines Luder! Hast du gedacht, du könntest dich vor mir verstecken, was?“ Sein Fuß tritt heftig gegen ihr Schienbein. „Los ... runter mit dem Fetzen!“
Sie weiß, dass sie jetzt weinen müsste, aber sie kann nicht. Alles in ihr ist so kalt. So unsagbar kalt. Die Bilder ihrer geschändeten Mutter ziehen durch ihren Geist und mischen sich mit dem modrigen Geruch des Bodens, seiner Stimme und ihrem Schmerz. Mit einer Energie, die sie sich selbst nicht zugetraut hat, springt sie plötzlich auf und wirft sich ihm mit lautem Kreischen mitten ins Gesicht. Mit Händen und Füßen versucht sie, ihm die Augen aus den Höhlen zu kratzen. Sie spürt Widerstand und hört ihn aufschreien, doch ihr Triumph wird schnell erstickt. Mit all der Kraft eines erfahrenen Kriegers drischt er seine gewaltige Faust gegen ihren mageren Mädchenkörper. Sie hört etwas tief in ihrem Brustkorb knacken und wird mit unerhörter Gewalt gegen kunstvoll aufgetürmte Möbel geworfen. Der gesamte Aufbau stürzt polternd in sich zusammen.
Ihr Gesichtsfeld verengt sich, sie ringt verzweifelt nach Luft und ein unerträgliches Stechen in der Brust macht sie glauben, jeden Augenblick sterben zu müssen. Doch es wird noch schlimmer. Als hätte er schon lange auf einen Anlass gewartet, verdrischt er sie, wie sie es nicht für möglich gehalten hätte. In einem nicht enden wollenden Strom prasseln die Schläge auf sie nieder und sie weiß, dass er es genießt.
Der Geschmack von Blut füllt ihren Mund, doch so schrecklich die Schmerzen auch sind, so betet sie doch darum, dass er nicht aufhört, bis sie endlich tot ist. Er soll sie schlagen, bis ihr Körper den Kampf endlich aufgibt und ihr die Flucht in den ewigen Schlaf erlaubt. Nichts kann so schlimm sein, wie von ihm missbraucht zu werden.
Doch trotz seines Rausches scheint er sehr genau abschätzen zu können, wie viel Prügel ihr junger Körper überleben kann. Kurz bevor sie aufhört, die Schmerzen zu fühlen, setzt er sich auf ihre Beine und reißt ihr mit roher Kraft das Kleid vom Leib. Niemals in ihrem Leben hatte sie sich auch nur vorstellen können, dass es möglich wäre, sie so zu demütigen. Nackt und hilflos liegt sie vor ihm und kann nur noch hassen. Sich, ihn und ihren Körper. Dafür, dass er weiblich und schwach ist. Und dafür, dass sie immer noch lebt.
Brutal greift er ihr zwischen die Beine und in die Haare. Wie ein Spielzeug reißt er sie mit sich hoch und wirft sie bäuchlings auf einen der in sich zusammengestürzten Gerümpelhaufen. Stuhlbeine, Schmuckschatullen und Bilderrahmen bohren sich in ihren Leib, können aber leider nicht tief genug eindringen, um sie zu töten.
Sofort ist er hinter ihr. Seine schwere erbarmungslose Hand drückt ihr Gesicht fest auf eine umgestürzte Schublade. Sie spürt seine Zunge, wie sie vom Steiß bis zum Hals eine feuchte Spur zieht und will vor Ekel und Seelenschmerz schreien, aber die Schublade drückt ihr die Luft ab. Sie kann nichts tun, als die Tortur in stillem Horror über sich ergehen zu lassen.
Sie spürt, wie er an seiner Hose herumzufuchteln beginnt und schließt in stillem Entsetzen die Augen. Wenige Momente später dringt er keuchend und stöhnend in sie ein, ohne dass sie aufhört, Jungfrau zu sein. Der Schmerz ist so entsetzlich, dass sie glaubt, in zwei Teile gerissen zu werden. Die Qual mischt sich mit seinem bestialischen Geruch und sie spürt unwiderstehlichen Brechreiz in sich aufsteigen, doch als er seinen Griff um ihren Nacken unwillkürlich lockert, kann sie sich weder übergeben noch schreien. Gegen ihren Willen hustet sie und ringt nach Luft.
Er greift ihr brutal in die kurzen schwarzen Haare und reißt daran in dem Bemühen, sein Geschlecht noch tiefer in ihre Eingeweide zu bohren. Doch zwischen all den Tränen des Schmerzes, des Zorns und des Entsetzens sieht sie etwas glitzern.
Ein gewaltiger Schwertgriff ragt zwischen einem Sack und einem Fass hervor. Er besteht aus stark angelaufenem Silber, das in Knochenform gegossen ist. Das Ende des Griffs bildet ein kleiner orkischer Totenschädel. Das Glitzern stammt von zwei roten Edelsteinen, die dem Orkschädel als Augen dienen. Sie hat keine Ahnung, wie sie der Anblick des Heftes in diesen Momenten der tiefsten Demütigung beeindrucken kann. Dass sie ihn überhaupt wahrnimmt, ist ein Wunder. Doch irgendwie ist der Griff ein ruhender Pol, etwas, das Ruhe und Sicherheit gibt.
Pheras Geschlecht dringt mit einem letzten gnadenlosen Stoß ganz in sie ein. Dann werden seine Stöße schneller. Sein Körpergeruch wird unglaublich penetrant. Er hat ihr mehrere Haare ausgerissen und ihr ist bewusst, dass sie blutet. Sie fühlt den roten klebrigen Saft an der Innenseiten ihrer Schenkel herunterlaufen. Doch was sind die Blessuren ihres Körpers gegen den Tod von ... ja, was eigentlich?
Irgendetwas Wertvolles, ein Teil von ihr, ist heute hier gestorben. Sie hofft, dass er auch den Rest von ihr töten wird, wenn er fertig mit ihr ist. Doch noch während sie diesen Gedanken zu Ende bringen will, ersetzt leblose Kälte den Teil in ihr, den Pheras getötet hat. Leblose Kälte, die sich danach verzehrt, sie vor dem widerlichen Schänder zu schützen. Das Schwert? Leuchten die Orkaugen jetzt heller als zuvor?
Ohne wirklich darüber nachzudenken, greift sie mit ihrer gefühllosen Rechten nach dem Heft des Schwertes. Es ist ein Wunder, dass sie den Arm überhaupt bewegen kann, und doch sieht sie ihre Hand beinahe mühelos und zielstrebig das Schwert ergreifen.
Wohltuende Kälte und Gnadenlosigkeit trifft sie wie eine Flutwelle; überrollt sie und gibt ihr den Lebenswillen zurück. Die roten Edelsteine glühen hell auf und das Schwert selbst erstrahlt geradezu im Glanze frisch polierten Silbers. Cvon glaubt ihren Augen nicht trauen zu können.
Doch ehe sie sich darüber Gedanken machen kann, reißt sie die Waffe auch schon mit unerhörten Kräften aus dem Gerümpelhaufen und knallt Pheras in einer unglaublichen Drehung den Knauf auf das Schlüsselbein.
In maßloser Überraschung reißt er die Augen auf und taumelt grunzend zwei Schritte zurück. Jetzt erst kommt auch der Rest der Klinge frei, die um einiges länger als Cvon selbst ist. Doch in ihren Händen scheint das schwere Schwert absolut gewichtslos zu sein. Nur nebenbei bekommt das kleine Mädchen mit, dass ihre Waffe zwei parallel laufende Klingen hat, die vorne zu einer tödlichen Zange zusammenlaufen. Sie muss es auch nicht sehen; sie kann es fühlen.
Ihre großen grünen Augen blitzen vor Zorn und fixieren den feigen Clanführer für wenige Sekundenbruchteile. Dann übergibt sie das Schwert ihrem Hass; all die Grausamkeit, zu der sie fähig ist, legt sie in diesen einen Schlag, bis das Schwert selbst zu ihrem Zorn wird. Die gewaltige Waffe schießt fauchend auf den fassungslosen Pheras zu und reißt ihm mit rasiermesserscharfen Klingen den Brustpanzer und die Bauchdecke auf. In namenlosem Grauen starrt Pheras auf seine Därme, die sich unaufhaltsam auf den Boden des Lagerraums ergießen. Hysterisch schreiend fällt er auf die Knie und versucht, seine Eingeweide wieder in den Körper zurückzustopfen.
Cvon sieht ihm mit vor Entsetzen geweiteten Augen zu. Sie hat nicht gewusst, dass man einem Menschen so etwas Furchtbares antun kann. Das Schwert schon.
Fassungslos wandert ihr Blick über den blanken ... Stahl? Silber? Doch sie kann der Waffe keine negativen Gefühle entgegenbringen. Außer tiefster Verbundenheit spürt sie überhaupt nichts. Ihr Beschützer hat sie endlich gefunden.
Doch auch wenn das Schwert keine Gnade kennt ... ihr Herz ist nicht aus Stahl. Auch wenn er es verdient hat, wird sie keiner Kreatur solches Leid antun wollen. Ohne weiter darüber nachzudenken, schlägt sie ihm den Kopf vom Hals.
Lange steht sie einfach nur da und schaut auf die Leiche herab.
Eine magere 12-Jährige mit einem zweiklingigen Beidhänder, der fast doppelt so lang ist wie sie selbst. Splitternackt, vom Blut ihres Peinigers und ihrem eigenen bespritzt. Misshandelt und vergewaltigt; ohne Zuhause, ohne Zukunft in einem Haus voller schlafender Räuber und Mörder. Doch irgendetwas ... irgendetwas hält sie aufrecht. Eine neue Kälte, die sie vor dem Zusammenbruch bewahrt und die es nicht einmal zulässt, dass sie sich beim Anblick der Leiche übergibt.

tialhorTIA-LHOR
Guido Krain
Roman / Fantasy
Covergrafik: Shikomo
Innengrafiken: Shikomo
Covergestaltung: Shikomo
ELFENMOND: Band 3
eBook - Februar 2014 - 4.99 EUR

"Ich habe nur einen Feind und das ist meine Mutter. Alles andere ist Beute." Tia-Lhor an ihrem 2. Geburtstag.

Jede Reise findet einmal ein Ende - manchmal aber auch mehrere.
Tia-Lhor ist die Fortsetzung des Romans "Cvon", in dem eine junge Kriegerin im chaotischen Bürgerkrieg Ghoshabas zu überleben versucht.
In den Seiten dieses Buchs offenbart sich die ganze Perfidität der Pläne der Etherna. Ein Schatten aus der Vergangenheit kehrt zurück und eine verlorene Seele findet Geborgenheit in den Armen der Nacht. Cvon nimmt Fäden auf, die vor Äonen fallen gelassen wurden, und stolpert im wahrsten Sinne des Wortes über Geheimnisse, die sie lieber im Nebel des Vergessens zurückgelassen hätte.

Entspricht 388 Normseiten

LESEPROBE

Leere. Das war es vielleicht. Leere, die nicht einmal genug in ihr zurückließ, um verzweifelt zu sein. Wie Arlton es so gerne tat, stand Tia-Lhor auf einem der tausend Balkone der alten Elfenfeste und ließ den Blick schweifen. Zeitlose Kunstwerke voller Harmonie, schwer mit Geschichte bepackt und voll verschwenderischer Schönheit schmückten jeden Winkel, jedes Türmchen und jeden Erker von Uvia´Lys. Das Bauwerk selbst war ein Kunstwerk, an dem Generationen von elfischen Meisterbildhauern und begnadeten Malern ganze Zeitalter gearbeitet hatten. Doch diese Pracht bedeutete ihr nichts. Das elfische Vermächtnis ging sie nichts an, sie war eine Fremde, eine Sklavin des Herren dieser Burg. Je länger sie schaute, umso mehr schien die Ehrfurcht gebietende Perfektion sie zu verhöhnen.
Sie wusste nicht, warum sie überhaupt hier stand. Vielleicht hoffte sie, der kühle Nachtwind könne ihr das Gefühl der Lebendigkeit zurückbringen. Hunderte von Düften trug er aus anderen Bereichen der Feste zu ihr. Düfte, die von dem Vergehen feinsten Lampenöls und von erhitzten Körpern erzählten, die sich an offenen Fenstern dem Ruf der Natur hingaben. Tia-Lhor fühlte die Millionen von Lebensfäden, die mit dem alten Bollwerk über die Jahrtausende verknüpft waren und die ungeheure Kraft des Nexus, der im Fundament der alten Burg lag und Uvia´Lys beinahe zu einem Lebewesen machte.
Selbst die feinsinnigen Elfen nahmen kaum etwas von der aufregenden Wirklichkeit ihrer Heimstatt wahr. Verglichen mit der Halbdämonin waren sie taub, blind und unbeholfen.
„Beute“, wie ihre Mutter sagen würde. Doch Tia-Lhor hatte jedes Recht verloren, überheblich zu sein. Sie hatte sich von Vontares, dem Herrscher der Elfenfeste, überlisten lassen.
Wie naiv sie gewesen war zu glauben, dass er sie vor dem Zugriff ihrer Mutter beschützen wollte! Sie vereinigte die Erinnerungen, das Wissen und die Persönlichkeiten von tausenden ihrer Ahnen in sich. Natürlich waren es immer nur Bruchstücke, aber es hätte mehr als reichen müssen, den verschlagenen Blutsauger zu durchschauen. Jede Vorsicht hatte sie außer Acht gelassen und einen hohen Preis bezahlt. Sie hatte ihm etwas von ihrem Blut überlassen, damit er eine Art astraler Tarnung für sie entwickeln konnte. Niemals, niemals, niemals durfte ein Dämon oder Halbdämon so etwas tun, das war ein Gebot des Überlebens. Damals war sie überheblich gewesen. Sie hatte nicht geglaubt, dass ein einfacher elfischer Möchtegernvampir wie Vontares es wagen würde, sie wütend zu machen ...
Aber er wagte mehr als das. Er versuchte, sie zu brechen.
Die uralte Statue reagierte mit nicht mehr als einem Knirschen, als Tia-Lhors Nägel tiefe Furchen durch ihr Gesicht zogen. Hilflosigkeit ließ ihre Fäuste zittern und ihre Herzen rasen. Aber vielleicht war selbst das besser als die Leere.
Die Leere, die Arlton hinterlassen hatte, nachdem er gegangen war. Es hatte Spaß gemacht, sich von ihm „anbeten“ zu lassen und ihn bis an die Schwelle des Wahnsinns zu führen. Aber dann, als die Ekstase sie aus ihrem Griff entlassen hatte, war die Armseligkeit ihres Tuns wie ein ganzes Bollwerk über ihr zusammengebrochen.
Sie hatte ihn benutzt, um ihr Selbstbewusstsein zu polieren; hatte sich an ihrer Macht über ihn ergötzt, um das Brennen der unerträglichen Demütigungen zu betäuben. So tief zu sinken, hatte sie nie für möglich gehalten.
Seine Augen waren noch von den Nachbeben ihrer Vereinigung erfüllt gewesen, als sie ihn vor die Tür setzte. Verständnislos, aber folgsam wie ein Lamm war er einfach gegangen. Nicht wie ein Mann. Wie Beute. Fast war er so etwas wie ein Freund für sie geworden, aber Beute konnte bestenfalls ein Spielzeug sein. Sie war allein.
Einen Augenblick hatte sie darüber nachgedacht, ihn dafür zu töten.
Tock
Das Klopfen war nicht sehr laut, aber eindringlich. Selbst Tia-Lhor hätte es beinahe überhört und sah nur beiläufig hinab zu dem Ursprung des seltsamen Geräuschs. Ihre Hand lag noch immer fest auf dem Kopf der meisterlichen Plastik, deren Gesicht sie vor wenigen Augenblicken zerstört hatte.
Tock
Ein steinerner Finger schlug sanft gegen einen der stählernen Stützpfeiler. Ein elfischer Bewohner wäre wohl mit einem Aufschrei zurückgefahren, doch Tia-Lhor war lediglich erstaunt. Zu mehr als einer hochgezogenen Augenbraue ließ sie sich nicht hinreißen. Es brauchte weit mehr, als eine bewegliche Statue, um die Tochter einer großen Mutter aus der Ruhe zu bringen.
Die Statue legte den Kopf in den Nacken und schien zu ihrer Peinigerin aufzuschauen. Die langen Nägel der Halbdämonin steckten tief in den Augen der Figur und machten das ehemals wunderschöne Gesicht zu einer grotesken Fratze. Tia-Lhor fühlte sich angestarrt.
„Freiheit“, sagte die Statue mit ungelenken Lippen und einer Stimme, die so dunkel wie ein Donnergrollen war. Kein Sterblicher konnte eine solche Stimme haben und einer zierlichen Elfenstatue stand sie noch weniger zu, fand Tia-Lhor.
„Was meinst du?“, fragte sie kalt und ungerührt. Ein Beobachter hätte meinen können, sie spräche öfter mit jahrtausendealten Statuen.
„Freiheit“, grollte es zurück. „Ich kann sie dir geben“. Instinktiv schoben sich die Nägel der Halbdämonin tiefer in die Augenhöhlen ihres Gesprächspartners.
„Wie meinst du das?“
„Freiheit, den Tyrannen zu zerquetschen“, kam es dunkel zurück. „Dich zu rächen; blutige Rache zu nehmen für die Gefangenschaft, zu der du verdammt wurdest!“ Das dumpfe Donnergrollen der Stimme schwoll zu einem regelrechten Orkan an. Jedes Wort troff vor Hass und bebte vor kaum bezähmbarer Mordlust. Tia-Lhor war beeindruckt. Nicht einmal ihre Mutter verkörperte das Böse in so reiner Form.
„Rache ...“, wollte sie ansetzen, wurde jedoch in einer Lautstärke unterbrochen, die sie fürchten ließ, dass ihre unkonventionelle Unterhaltung entdeckt werden könnte.
„Jaaaa! Raaaaache! Rache für ...“ Jeden Augenblick würde die unirdische Stimme in blanke Raserei umschlagen
„Das habe ich verstanden!“, schnappte Tia Lhor und brachte die Figur zu ihrer eigenen Überraschung zum Verstummen. Nur ein dumpfes Nachbeben schien zurückzubleiben. Als hätten unausgesprochene Worte eine nicht fassbare Drohung in der Luft hängen lassen.
„Was muss ich tun?“
„Komm‘ zu mir“, kam es flüsternd zurück. Doch die dämonische Hälfte Tia-Lhors fühlte die Wut und die Arroganz der Kreatur so sicher wie den Stein unter ihren nackten Füßen. Ihr Gesprächspartner war es offensichtlich nicht gewöhnt, unterbrochen zu werden und musste ihre Kooperation sehr dringend brauchen, um sich zurückzuhalten. Aber vielleicht brauchte sie die Hilfe dieses Wesens ebenso nötig, wie es die ihre.
„Hör‘ auf, mit mir wie mit einer Sterblichen zu reden“, fauchte sie. Es war nicht weise, die Kreatur zu provozieren, aber auch sie war nun einmal, was sie war. Die Aggression brannte hell in der dunklen Stimme und fachte das dunkle Feuer in Tia-Lhors Brust immer stärker an. Sie spürte ihre Herzen rasen, als sei sie noch immer in der Vereinigung mit Arlton gefangen. Wer auch immer der Eigentümer der Stimme war, musste über Macht verfügen, die weit jenseits der Fähigkeiten ihrer Mutter lag. „Beantworte meine Frage: Was muss ich tun?“
„Komm‘ zu mir“, wiederholte die Stimme.
„Wo bist du?“
„Finde mich ... du musst mich finden ... schnell!“ Der Zorn der unheimlichen Stimme war an die Kette gelegt, aber ohne jeden Zweifel vorhanden. Zitternde Gier tropfte förmlich aus jedem Wort. Tia-Lhor fühlte sich besudelt und angeekelt. Aber was war, wenn ihr die Kreatur tatsächlich die Freiheit bringen konnte?
„Wie?“
„Tief unten! In der Tiefe bin ich! Komm zu mir!“
Tief unten? Ein erschreckender Verdacht keimte in der Halbdämonin auf. Tief unter dem Schloss lag der Nexus. Der Nexus, von dem sich Vontares die absolute Herrschaft über den nördlichen Teil des Kontinents erhoffte! Konnte es sein? Konnte der Nexus lebendig sein?
„Bist du in der Feste?“, fragte sie vorsichtig.
„Deine Worte haben keine Bedeutung für mich, primitive Kreatur!“ Die dumpf grollende Stimme schrie jetzt voll ungezügeltem Zorn. „Meine Welt ...“
„Du bist es, der primitiv ist!“, fauchte Tia-Lhor. Schluchzend vor Anstrengung und Frustration hielt sie ihre dämonische Seite in Zaum. Allein die Gegenwart der Stimme hatte ihre dunklen Herzen mit Zorn und Hass entzündet, und nun brachte seine Dummheit den Teil, den ihr Vater ihr vererbt hatte, in Aufruhr. „Du hast dich an mich gewendet! Wie soll ich dich finden, wenn du weder sagen kannst, wo du bist noch versuchst, meine Fragen zu beantworten? Du bist es, dessen Worte keinen Sinn ergeben!“
Die Stimme verstummte, doch ihre Gegenwart blieb. Tia-Lhors dämonische Seite spürte, wie sein ganzes Wesen im Feuer seines eigenen Zorns brannte und doch nicht verzehrt werden konnte. Sein Hass überstieg alles, was sie jemals für möglich gehalten hatte. So mit ihm zu reden ließ ihn mehr Hass empfinden, als eine ganze Kleinstadt von Menschen, denen man ihre Brut nahm, zusammen aufbringen konnte.
„Du musst einmal sehr mächtig gewesen sein“, sagte sie leise und entfachte damit einen Sturm von Emotionen, dem sie sich nur mit Mühe erwehren konnte.
„ICH WAR DER KÖNIG DER WELT!“, brüllte die Stimme in ihrem Kopf mit öligem Stolz. Nur mit Mühe konnte Tia-Lhor die Übelkeit niederkämpfen. „Und ich werde es wieder sein. Ich werde …“
Doch die Halbdämonin konnte die schmierigen Emotionen nicht mehr ertragen. Schnappend unterbrach sie ihn erneut.
„Der Nexus! Weißt du, wo der Nexus ist?“ Stille antwortete ihr. Zuerst spürte sie, wie ihre Unterbrechung seinen Hass erneut hell auflodern ließ, doch dann fühlte sie – nichts. War die Wesenheit verschwunden? Doch dieser Zustand dauerte nur wenige Augenblicke. Dann schwappte die Erregung der Kreatur wie eine fürchterliche Flut über die Tochter Minkas hinweg und ließ sie beinahe zwei Schritte zurücktaumeln.
„NEXUS!“, brüllte die Stimme so laut, dass Tia-Lhor schwindelig wurde. „Nexus! Ja, Nexus! Ich bin in einem Nexus!“ Seine Euphorie wurde von einem Wahnsinn getragen, der wie glühende Nadeln in ihren Verstand biss.
„Raus aus meinem Kopf!“, fauchte die Halbdämonin mit erstickter Stimme und stieß das Wesen instinktiv mit aller Kraft von sich. Die vertraute friedliche Stille der Nacht breitete sich aus und brachte das Gleichgewicht zurück. Zitternd fiel Tia-Lhor auf die Knie und genoss mehrere Atemzüge lang die Ruhe in ihrem Geist. Dann erst fiel ihr auf, was sie getan hatte. Sie hatte Magie, die eine mächtige magische Kreatur auf sie angewendet hatte, unterbrochen. Sie selbst hatte instinktiv Magie gewirkt! Endlich entfalteten sich ihre angeborenen Fähigkeiten! Endlich! Irgendwie hatte diese Kreatur das in ihr ausgelöst. Sie musste sie finden! Vielleicht war das Wesen im Nexus tatsächlich ihr Weg in die Freiheit.
Sie hatte keine Zeit zu verlieren! Schon wollte sie kopfüber die Fassade herunter, als die Vernunft sie zurückhielt. Diese Angelegenheit durfte sie nicht mit der Impulsivität ihres mütterlichen Erbes angehen. Der Nexus war Vontares kostbarster Besitz. Wenn er sie bei diesem Ausflug erwischte, war nicht zu sagen, was er ihr antun würde. Ihr kühler Kopf war aber noch wichtiger, wenn sie wieder mit dem Wesen umging. Wenn sie die Kontrolle verlor, waren die Folgen unabsehbar. Als Erstes musste sie etwas überziehen – die Sterblichen hatten eine merkwürdige Art, mit Nacktheit umzugehen und so würde sie ohne Kleidung sehr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Für mehr als eine hastig übergestreifte Robe reichte ihre Disziplin jedoch nicht. Die Dunkelheit würde nicht ewig andauern und vielleicht würde diese Nacht darüber entscheiden, ob sie frei, tot oder weiterhin gefangen sein würde.

guidokrain

 ©Guido Krain

Guido Krain zu ELFENMOND, CVON und TIA-LHOR

A.B.: Was hat Dich daran gereizt, den Lesern diese Romane überarbeitet und neu illustriert anzubieten?

G.K.: Da gab es eine ganze Reihe von Gründen. So spielte die Umstellung auf die neue deutsche Rechtschreibung eine Rolle und natürlich freut sich jeder Autor, wenn seine Bücher liebevoll illustriert werden.
Den Ausschlag gab aber, dass man heutzutage nicht mehr an eBooks vorbeikommt. Ich habe mich ja lange dagegen gewehrt, weil ich – was Bücher angeht – wohl ein unverbesserlicher Romantiker bin. Aber auch ich muss gestehen, dass elektronische Bücher dank der modernen Reader außerordentlich praktisch sind. Das gilt nicht nur für die Leser, sondern auch für die Autoren. Plötzlich sind nämlich auch kleine Verlage in der Lage, nicht nur in der Qualität, sondern auch beim Preis mit den Großverlagen zu konkurrieren.
Aber auch das ist sekundär. Man muss seine Leser ganz einfach da abholen, wo sie sind. Und das ist heutzutage immer häufiger vor einem eBook-Reader.

A.B.: Was erwartet die Leser in ELFENMOND?

G.K.: Mein Erstling ELFENMOND handelt von einem jungen menschlichen Magier, der sich mit seiner großen Liebe eine Menge Ärger einhandelt. Er gerät in eine epische Geschichte, bei der es um den Thron eines Elfenvolkes und eine Invasion von Dämonen geht. Je weiter sich die Geschichte entwickelt, umso mehr verschwimmen die Grenzen zwischen „Gut“ und „Böse“, bis es nur noch eine Frage der Perspektive ist.
Tja – und wenn ich jetzt nicht noch den außerordentlich attraktiven Frosch erwähne, der ebenfalls eine Hauptrolle spielt, bekomme ich wohl Ärger Zuhause. ;o) (Anmerkung Alisha Bionda: hehe, und von mir auch!

A.B.: Was in CVON?

G.K.: CVON ist um einiges düsterer als ELFENMOND. Die Titelheldin ist eine Kriegerin, die in einem chaotischen Bürgerkrieg versucht, über die Runden zu kommen. Sie wird sie zum Mittelpunkt eines ausgeklügelten Plans, der den Krieg beenden soll. Doch auch wenn der Plan an sich schon undurchführbar scheint, sind die eigentlichen Probleme anderer Natur. Zum Beispiel ihre Vergangenheit und ein schwer greifbares aber immer präsentes Schicksal. Oder die Tatsache, dass sie nach und nach erfahren muss, dass sie den Plan leider nur zum Teil kennt …

A.B.: Was wiederum in TIA-LHOR?

G.K.: In TIA-LHOR wird die Geschichte von CVON weitererzählt. Gemeinsam bilden beide Bände eine in sich abgeschlossene Geschichte, die zugleich der Auftakt des Ushovar-Zyklus ist. Die Titelheldin ist diesmal eine Halbdämonin mit einem kleinen Temperamentsproblem, die zudem auf der Seite von Cvons Feinden steht. Sie tauchte schon in CVON auf, in diesem Band wird man aber sehen, ob die Heldin auch an ihr vorbeikommen wird. Außerdem entdeckt Cvon einige Geheimnisse über sich selbst, ihr Schicksal und die Geschichte ihres Kontinents.

A.B.: In welchem Zusammenhang stehen die drei Bände?

G.K.: Alle Bände spielen in derselben Welt und in CVON/TIA-LHOR gibt es auch ein Wiedersehen mit einigen Nebenfiguren aus dem Vorgänger. ELFENMOND ist von den anderen beiden Bänden aber völlig unabhängig.

A.B.: Ist der nächste Band des Ushovar-Zyklus bereits geplant?

G.K.: Ja, allerdings ist noch nicht die Zeit geplant, wann ich Gelegenheit habe, sie zu schreiben.

A.B.: Shikomo hat die Cover- und Innengrafiken der drei Romane gefertigt. Wie gefällt Dir die Aufmachung?

G.K.: Ich bin sehr zufrieden mit den Illustrationen. Insbesondere Cvon und die Augen Tia-Lhors finde ich sehr gelungen.

A.B.: Hast Du in ELFENMOND und den beiden CVON-Bänden einen Charakter, der Dir besonders am Herzen liegt? Wenn ja, welcher und warum?

G.K.: Es fällt mir schwer, diese Frage zu beantworten. Ich mag die meisten meiner Charaktere – selbst die ganz fiesen. Und gerade bei diesen drei Bänden ist dieses Gefühl besonders stark.

A.B.: Hast Du die Bände streng nach Expos geschrieben oder hat sich die Handlung während des Schreibens entwickelt?

G.K.: Ich habe glaube ich noch keinen Roman geschrieben, bei dem ich mich 1:1 an ein Expo gehalten hätte. Ein Roman entwickelt sich bei mir immer während des Schreibens und je mehr er zu leben beginnt, umso schneller kann er aus dem Expo laufen.
ELFENMOND war jedoch ursprünglich als 2-Seitige Hintergrundgeschichte für einen Fantasy-Rollenspielcharakter gedacht, hat mich aber nicht in Ruhe gelassen, bis ich einen 500-Seiten-Roman daraus gemacht hatte.
Bei Cvon und Tia-Lhor hatte ich ein grobes Expo im Kopf, das sich dann aber schnell selbst weiter entwickelt hat.

A.B.: Wo siehst Du den Vorteil, wo eventuell den Nachteil von eBooks?

G.K.: Ich hatte ja schon angedeutet, dass ich mich lange gegen eBooks gesträubt habe. Wenn ein Buch nur noch ein paar Cent oder gar nichts kostet, sehe die Gefahr, dass das Werk des Autors an Wert und Wertschätzung verliert. Das ist nicht nur dem Prinzip „was nichts kostet ist nichts wert“ geschuldet, sondern auch den Mechanismen des Buchmarktes.
Einige Verlage gehen jetzt dazu über, praktisch jedes eBook zu veröffentlichen und die erfolgreichen Titel dann auch als Print zu bringen. Die Existenzberechtigung eines Verlages besteht aber darin, gute Bücher zu erkennen und diese erfolgreich in den Buchhandel zu bringen. Durch dieses neue Prinzip muss der Autor jetzt beide Aufgaben selbst übernehmen und der Verlag setzt sich bei Erfolg ins „gemachte Nest“. Daraus wiederum folgt, dass immer mehr Autoren auf eigene Faust ein eBook herausbringen. In dieser Flut von eBooks völlig unterschiedlicher Qualität ist es für jeden Autor schwer, überhaupt noch aufzufallen. Als Profi wird es damit immer schwieriger, von seiner Arbeit zu leben – gerade wenn man sich jetzt auch noch zunehmend selbst um den Vertrieb kümmern muss.
Hinzu kommt die wachsende Bedeutung bestimmter Internetportale für den Vertrieb von eBooks. Einige dieser Portale nutzen diese Marktmacht schon jetzt aus, um durch die Hintertür eine weltanschauliche Zensur durchzusetzen.
Allerdings bieten eBooks natürlich auch Chancen. Ich denke, dass viele Menschen eBooks lesen, denen normale Bücher zu umständlich oder zu mühsam zu lesen sind. Und weil jeder ein preiswertes eBook produzieren und über das Internet vertreiben kann, schwindet die übergroße Dominanz der Großverlage. Vielleicht werden wir so häufiger mal in den Genuss außergewöhnlicher Werke kommen, die im klassischen Literaturbetrieb einfach untergegangen wären.
Ich glaube, dass sich der Buchmarkt derzeit im Umbruch befindet. Man wird schauen müssen, ob das eBook am Ende ein Fluch oder ein Segen war.

A.B.: Was präferierst Du: Print oder eBook?

G.K.: Ganz klar Prints.


Demnächst geht es weiter mit weiteren spannenden Titeln aus dem Arunya-Verlag ...