Project Itoh – Harmony – Blu-ray + DVD Collector's Edition
Originaltitel: Harmony
Regie: Michael Arias, Takashi Nakamura
Format: 16:9 – 1920 x 1080 p
Sprache: Deutsch, Japanisch (Dolby Digital 5.1 / DTS HD MA 5.1)
Untertitel: Deutsch
Daten: KAZÉ (Juli 2017), circa 121 Minuten, UVP 34,95 EUR, FSK 16, EAN: 7630017510419
Genre: Dystopie / Science Fiction
Rezension
Japan hat es zu Frieden und Wohlstand gebracht. Jedem Bürger wird von Geburt an die WatchMe-Technologie implantiert, sodass jeder jederzeit überwacht wird. Krankheiten sind nahezu ausgemerkt, keiner ist mehr zu dick oder zu dünn oder gar depressiv – außer den Jugendlichen, unter denen es immer mehr Selbstmorde gibt. WatchMe wird nämlich erst aktiviert, wenn man als erwachsen gilt, und viele junge Menschen fürchten sich vor der seelenlosen Harmonie, die das eigene Selbst auffrisst. So auch die Mädchen Tuan, Miach und Cian, die ihren gemeinsamen Selbstmord planen. Tuan und Cian überleben und während letztere sich dem System anpasst, flieht Tuan aus dem perfekten Japan und kämpft für die Weltgesundheitsorganisation in Krisengebieten. Dort umgeht sie die Beschränkungen von WatchMe und geht nebenbei illegalen Geschäften nach. Als sie erwischt wird, wird sie nach Japan versetzt. Als eine Selbstmordwelle das künstliche Paradies erschüttert, muss sich Tuan ihrer Vergangenheit stellen …
“Harmony“ ist der zweite Film, der auf den Werken des japanischen Autors Satoshi Ito basiert und erscheint wie ein Gegenentwurf zum düsteren „The Empire of Corpses“. Wir finden uns in einer auf den ersten Blick utopischen Welt wieder, in der die Menschen sicher und gesund leben. Jeder wird jederzeit überwacht und kaum jemand stört sich daran, dass das System einem sagt, was man essen soll, welcher Beruf und welche Sportart zu einem passt oder gar welcher Partner in Frage kommt. Alle verlassen sich auf WatchMe und obwohl die allgegenwärtige Überwachung für uns zunächst unheimlich wirkt, erscheinen die Menschen damit glücklich und zufrieden. Einzig die Freundinnen Tuan, Miach und Cian sind unglücklich und wollen mit ihrem Selbstmord die Macht über den eigenen Körper und den eigenen Willen behalten.
Die Geschichte beginnt mit der erwachsenen Tuan, die sich dem System gebeugt hat, um es zu umgehen. Sie hat einen Weg gefunden, sich selbst treu zu bleiben, doch sie leidet noch immer unter dem Verlust von Miach. Es kommt ihr vor, als hätte sie ihre Freundin verraten, da ihr der Suizid nicht geglückt ist. Im Verlauf der Handlung begreift sie jedoch, dass sie leben will und dass die charmante, rebellische Miach auch gefährlich war. Ihr Traum war es, mit dem gemeinsamen Selbstmord die Gesellschaft zu erschüttern und als sich plötzlich viele Menschen gleichzeitig und scheinbar grundlos das Leben nehmen, fühlt sich Tuan an ihre Freundin erinnert. Lebt Miach vielleicht noch? Und was will sie mit ihrem Handeln erreichen? Für Tuan beginnt ein ganz persönlicher Horrortrip, der schmerzhafte Wunden aufbricht und dabei ihre Gedanken über ihre Mitmenschen verändert.
Das künstliche Paradies wird ins Chaos gestürzt, als eine Rebellengruppe ankündigt, jeden Menschen jederzeit zum Suizid zwingen zu können – zumindest alle, die WatchMe implantiert haben. Über das Fernsehen wird ein Ultimatum gestellt: Entweder man tötet jemand anderen oder man wird zum Selbstmord gezwungen. Tuan, die die perfekte Welt selbst brennen sehen wollte, erkennt dadurch, dass nicht alles in Japan schlecht war und dass die Rebellion all die Opfer nicht wert ist. Sie verliert eine Freundin und ein Familienmitglied und wird fortan von Rache angetrieben. Selbst wenn wirklich Miach hinter allem stecken sollte, will sie sich an ihrer einstigen Freundin rächen.
Während „The Empire of Corpses“ einen sehr rasanten und holprigen Start hingelegt hat, beginnt „Harmony“ eher ruhig und zeigt zunächst ausführlich die futuristische Welt und die Auswirkungen von WatchMe auf das alltägliche Leben. Mit Hilfe von Augmented Reality Linsen kann jeder jederzeit alle Informationen über seine Mitmenschen sehen oder bekommt beispielsweise angezeigt, welche Nährstoffe das Essen enthält, das man gerade zu sich nimmt. Die Handlung konzentriert sich zudem stark auf Tuan und ihre Abneigung gegen die friedliche, überwachte Welt. In Rückblenden werden ihre einstige Freundschaft zu Miach und deren fatalistische Ansichten gezeigt. Dabei wird auch deutlich, dass zwischen den beiden Mädchen mehr als Freundschaft war, was jedoch nur am Rande thematisiert wird.
Obwohl „Harmony“ ein vergleichsweise ruhiger Film ist, kommt die Action nicht zu kurz. Insbesondere in der zweiten Hälfte fliegen die Fetzen, wobei das Ende wieder eher nachdenklich und leise ist – dafür aber umso verstörender. „Harmony“ stellt viele Fragen über die menschliche Natur, über den Willen und das Bewusstsein. Viele dieser Fragen bleiben offen und hallen auch nach dem harten Ende noch nach. Die Gefühle der jungen Miach sind sehr gut nachzuvollziehen, ihr älteres Ich hat seine Ansichten jedoch gewandelt, was anhand neuer Informationen über sie verständlich ist. Trotzdem wollen die beiden Versionen von Miach nicht zusammenpassen. Dies ist einer der wenigen Negativpunkte – ansonsten kann man nur die leichte Zähigkeit des Mittelteils kritisieren.
Für das Charakterdesign war auch dieses Mal der Künstler redjuice verantwortlich, was den „Project Itoh“-Filmen einen einheitlichen Look verleiht. Produziert wurde „Harmony“ vom Studio 4°C, unter anderem bekannt für „Berserk – Das goldene Zeitalter“. Visuell punktet der Film mit klaren, geschwungenen Formen, die sehr futuristisch wirken. Das zukünftige Japan erinnert dabei ein klein wenig an einen Bienenstaat, auch wenn die Farben weiß und rosa dominieren. Insbesondere die Architektur der Gebäude wie auch das Design von Flugmaschinen sind originell und passt sehr gut zum Inhalt. Die Atmosphäre innerhalb der WatchMe-Gesellschaft ist kühl und steril, obwohl alle in Harmonie miteinander leben. Außerhalb des Einflussgebietes der Weltgesundheitsorganisation ist das Leben bunt und rau, wobei hier der arabische Raum als Gegenentwurf zum hochtechnisierten Überwachsungsstaat gezeigt wird.
Wie auch „The Empire of Corpses“ ist „Harmony“ in einer Collector's Edition mit DVD und Blu-ray inklusive schickem Steelbook erhältlich. Leider gibt es auch hier keinerlei Extras. Dabei wäre ein Booklet mit Informationen über Project Itoh sowie Artworks schön gewesen.
Fazit
“Harmony“ ist eine beklemmende Dystopie, in der Frieden und Wohlstand für alle durch totale Überwachung möglich wird. Kein neuer, aber immer noch aktueller Ansatz, insbesondere durch die Einbindung von Augmented Reality. Der Film glänzt mit einer eher ruhigen, nachdenklichen Erzählweise, schockiert aber auch mit brutaler Gewalt. Project Itoh stellt hier viele Fragen über Menschlichkeit, das eigene Ich und die Gefahren einer scheinbar perfekten Gesellschaft.
Pro und Contra
+ stimmige, atmosphärische Dystopie in hellen Farben
+ Tuans Entwicklung
+ die rebellische, junge Miach
+ ruhige, nachdenkliche Erzählweise
+ schockierende Gewalt, die die Verletzlichkeit der Gesellschaft offenbart
+ tiefsinnig und verstörend
+ moderne Optik mit origineller Architektur
+ schickes Steelbook
- etwas zäh im Mittelteil
- Miachs Entwicklung ist nicht ganz glaubwürdig
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Animationen: 5/5
Preis/Leistung: 3/5
Szenenbilder: Copyright by Project Itoh / HARMONY