Verlag: Splitter-Verlag; (Oktober 2017)
Gebundene Ausgabe: 56 Seiten; 14,80 €
ISBN-13: 978-3958395251
Genre: Thriller
Klappentext
Zwei Frauen gegen
ein Königreich
Rezension
London 2017. Sir Barrington wird von einer Mitschuld am Tod eines Jungen durch eine Antipersonenmine, die sein Unternehmen herstellte, freigesprochen. Kurz darauf wird ein Anschlag mit eben einer solchen Mine verübt. Die Spur führt weit in die Vergangenheit, bis hin zu einer Organisation von Frauen im alten England, die sich selbst Shi, Tod, nennt.
London im Mai 1851. Die erste Weltausstellung in der britischen Hauptstadt statt. Colonel Winterfield und seine Familie besuchen selbstverständlich dieses gesellschaftliche Großereignis. Mit dabei ist seine Tochter, die äußerst selbstbewusst und emanzipiert ist. Sie interessiert sich für die aufkommende Photographie und macht eine schreckliche Entdeckung. Als sie eine Japanerin als Teil der Ausstellung ablichtet, entdeckt sie, dass die Frau ein totes Kind in den Armen hält. Jennifer ist bestürzt und will ihr unbedingt helfen. Jedoch ist das für sie als Frau in jener Zeit nicht so einfach. Und plötzlich nimmt das Leben der beiden Frauen eine sehr unerwartete Wendung, in deren Zuge sie ungewöhnliche und überraschende Freunde finden.
Zwei Frauen, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen und zu Freundinnen werden, stellt Zidrou in den Mittelpunkt seiner neuen Serie Shi. Und gleich zu Beginn tritt er mächtig auf das Gaspedal. Der Leser wird direkt hineingeworfen in eine Geschichte, die Thriller und Drama zugleich ist. Zunächst gibt es gleich zwei Prologe und die machen klar, dass Shi etwas wirklich großes werden könnte. Denn Zidrou spannt bei der Handlung einen Bogen von der Gegenwart zum Jahr 1851, dem Jahr der ersten Weltausstellung.
Seine Handlung entwickelt Zidrou aus den Gegensätzen der Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Die Damen sollen eigentlich nichts weiter als hübsch anzusehen sein, während die Männer sich den wichtigen Dingen widmen und alles für das Britische Königreich tun und sich um die Politik kümmern. Gerade da liegt aber eben sehr viel Sprengkraft. Die Männer, unter anderem Jennifers Vater, die nach außen so ehrenhaft tun, sind hinter verschlossenen Türen verkommener als zunächst erwartet werden konnte. Selbst ein angesehener Mann wie der Reverend ist eigentlich nichts weiter als zutiefst verkommen und geht durch Erpressung der Befriedigung einer seiner Perversionen nach. Jennifer hingegen ist weit fortschrittlicher für die Zeit und vor allem als ihre Mutter und deren Freundinnen. Ihre sexuelle Freiheit hat ihr bereits Schwierigkeiten eingebracht und sie ist mehr geduldet von ihrer Familie, als wirklich akzeptiert. Genau wie ihr Onkel, der zwar Arzt ist, aber von ihrem Vater nicht für voll genommen wird.
Diese Personen lässt Zidrou auf Kita treffen, eine Japanerin, die vermutlich wegen der Weltausstellung in London ist und ein außergewöhnliches Tattoo auf dem Rücken trägt. Als Jennifer sie auf der Ausstellung sieht und merkt, dass Kita ein totes Kind in den Armen hält, explodiert das Pulverfass, auf dem die Familie Winterfield schon immer gesessen hat. Den Colonel interessiert nicht, was mit der Japanerin und ihrem Kind passiert und erweist sich als äußerst hartherzig. So ist es an Jennifer und ihrer neugewonnen Verbündeten Pickles, und mit der Hilfe ihres Onkels, Kita aus einem Irrenhaus zu befreien. Wobei Zidrou hier gleich das nächste Rätsel auslegt, denn Kita hat eine schwer zu verstehende Macht über die Insassen. Das Ende ist dann zunächst hoffnungslos und frustrierend. Da der Prolog aber bereits klar gemacht hat, dass sich noch einiges ereignen wird und der Leser die Frauen an anderer Stelle wiedersehen wird, steigert das Ende die Spannung auf das Kommende.
Die Geschichte entwickelt sich bis zu diesem Punkt rasant, aber immer nachvollziehbar, die Dialoge sind auf dem Punkt und die Charaktere sehr gut ausgearbeitet. Dazu versteht es Zidrou, den Leser in unterschiedliche Stimmungen zu werfen. Während in einem Moment alles etwas leichter und vielleicht humorvoller wirkt, kann es im nächsten Moment umschlagen und richtig düster werden, mit teilweise harten Bildern ergänzt. Weswegen Shi mit Sicherheit nichts für zarte Seelen ist.
José Homs hat durch die Umsetzung der Milleniumtrilogie von Stieg Larsson bereits Erfahrung in der Umsetzung von Thrillerstoffen und wie er diese gestalten muss, um die bestmögliche Wirkung zu erzielen. Er hat einen weichen realistischen Stil, der zwar immer hart an der Grenze des zu Überzeichneten kratzt, aber gerade dadurch genau das erreicht, was nötig ist, um der Geschichte zu helfen, sich zu entfalten. Dabei wirken die männlichen Charaktere meist etwas grotesk, was überaus passend ist, bedenkt man, was sie alles tun. Er legt sehr viel Wert auf Details, Hintergründe und den Aufbau verschiedener Stimmungen, die auch durch die äußerst gelungene Farbgebung hervorgerufen werden. Je nachdem, was gerade geschieht, wirken sie optimistischer oder düsterer. Bei Millenium war Homs bereit gut, hier ist er der ideale Zeichner und sein Tattoodesign ist wieder hervorragend.
Fazit
Homs und sein Partner etablieren in Am Anfang war die Wut... zunächst Hintergrund und Charaktere. Gemessen wie spannend dies bereits gestaltet ist, dürfte hier eine Top-Serie auf die Leser warten, deren Erwartungen hoffentlich nicht enttäuscht werden. Der Auftakt ist rundherum gelungen.
Pro & Contra
+ rasant und schlüssig erzählt
+ viele Rätsel
+ Haupt- und Nebencharaktere sind ausgearbeitet
+ Homs liefert eine seiner besten Leistungen ab
Bewertung:
Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5
Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Homs:
Rezension zu Verblendung Bd.1 (Splitter)
Rezension zu Verblendung Bd.2 (Splitter)
Rezension zu Shi Bd.2