Das Schloss meiner Mutter (Serge Scotto, Éric Stoffel, Morgann Tanco, Sandrine Cordurié)

Verlag: Splitter-Verlag; (Oktober 2017)
Gebundene Ausgabe: 96 Seiten; 19,80 €
ISBN-13: 978-3958395329

Genre: Biographie


Klappentext

„Lili kannte jedes Tal, jede Schlucht, jeden Pfad, jeden Stein auf den Hügeln... Und er kannte die Zeiten und Gewohnheiten des Wildes!“

Nach der Jagd auf die Bartavellen, die den Ruhm seines Vaters begründete, lernt der junge Marcel Pagnol eines Tages Lili aus Les Bellons kennen und freundet sich mit ihm an. Das Ende des Sommers ist ein Drama für Marcel, der von seinem geliebten Hügeln Abschied nehmen und zurück aufs Gymnasium gehen muss. Doch die Familie steigt von nun an jeden Sonnabend zur Bastide Neuve hinauf. Es ist ein weiter Weg, aber zum Glück steckt ihnen Bouzigue, der Aufseher des Canal de Marseille, einen Schlüssel zu, der ihnen Zutritt zu den am Wasser gelegenen Privatgrundstücken verschafft. Durch diese Abkürzung gewinnen sie kostbare Zeit. Das Gefühl jedoch, wie Diebe über den Besitz des Schlossherren zu schleichen, beunruhigt vor allem Marcels Mutter. Dies umso mehr, als sie eines Tages von einem Feldhüter überrascht werden...


Rezension

Marcel Pagnol ist nach wie vor äußerst populär in Frankreich. Seine Kindheitserinnerungen werden selbst heute noch von Schülern gelesen und sie sind somit weiterhin relevant. Dass sie so populär sind, liegt vor allem an der Art, wie Marcel Pagnol von seiner Kindheit berichtet. Er blickt zurück, verklärt hier und da, übertreibt vielleicht sogar, aber er erzählt mit einer Leichtigkeit, die den Leser die Provence seiner Zeit erleben lässt und ihn somit in eine Zeit entführt, die zumindest für ein Kind einfacher und voller Abenteuer war, die heutzutage fast nicht mehr vorstellbar sind.

Bei einem solch einflussreichen und beliebten Roman ist es natürlich riskant, ihn in ein anderes Medium zu übertragen, zu viele haben eigene Vorstellungen und vor allem steht immer die Frage im Raum, wie der Autor sie sehen würde und ob er mit der Umsetzung zufrieden wäre. Die Autoren Serge Scotto und Éric Stoffel haben sich dieses riskanten Unternehmens angenommen. Hierauf gehen sie im umfangreichen Bonusteil sogar ein und präsentieren eine schlüssige Begründung für ihr Vorgehen. Das Schloss meiner Mutter ist der zweite Teil von Marcel Pagnols Kindheitserinnerungen und setzt da an, wo Der Ruhm meines Vaters endete. Die Pagnols machen Ferien in der Provence und Marcel lernt Lili kennen, einen Jungen, von dem er viel über die Jagd mit Fallen lernt und der ihn auch ansonsten viel über die Natur lehrt. Zudem gibt ein alter Schüler seines Vaters ihnen einen Schlüssel mit dem sie den beschwerlichen Weg zu ihrem Ferienhaus abkürzen können. Dazu müssen sie allerdings mehrere Privatgrundstücke durchqueren und dies ist nicht ganz so ungefährlich, vor allem Marcels Mutter hat immer Angst erwischt zu werden. Richtig viel passiert eigentlich nicht. Die Geschichte folgt einfach den Ereignissen eines Sommers und den Wochenenden bis zu den nächsten Sommerferien, aber dies auf eine unvergleichliche Art und Weise. Die Leichtigkeit Pagnols wird von den Autoren des Comics bewahrt und sie gehen nicht der Gefahr in die Falle, alles zu sehr zu romantisieren oder gar mit Zuckerguss zu übergießen. Ganz im Gegenteil verstehen sie es den bittersüßen Humor der Vorlage beizubehalten und die tiefe Liebe, die Marcel Pagnol für die Provence und seine Kindheit empfunden haben muss, in pointierten Dialogen zu kleiden und gefühlt alles wesentliche beizubehalten. Marcel Pagnol wäre vermutlich mehr als zufrieden mit dieser Art der Umsetzung gewesen, denn er experimentierte mit neuen Ausdrucksformen und Interpretationen seiner Stoffe und dieser Comic ist ein mehr als gutes Beispiel für eine gelungene Umsetzung in ein anderes Medium. Herausgekommen ist auch im Zusammenhang mit den Zeichnungen ein absolutes Wohlfühlalbum, welches garantiert immer wieder aufgeschlagen werden wird.

Morgann Tanco fiel die schwere Aufgabe zu, für diese Kindheitserinnerungen Bilder zu finden, die am ehesten dem Autoren, der Erzählung und seiner Persönlichkeit gerecht werden. Leicht hätte die graphische Umsetzung sehr verkitscht daher kommen können, in dem sie alles zu sehr romantisiert. Aber Tanco tappt nicht in diese Falle. Sicher entwirft er auch ein verklärtes Bild der Zeit und der Provence, aber kitschig wird es nie. So erschafft er eine Stimmung im Sinne der Romantik, ohne diese auf die Spitze zu treiben. Die Figuren karikiert er ein wenig, gibt sie aber nie der Lächerlichkeit preis, sondern nimmt sie ernst und entwirft durch diese Mischung einen Blick zurück, der den Leser sofort in die Zeit fallen lässt und ihn aufnimmt, bis der Comic zur Seite gelegt wird. Er hält die Balance zwischen Komik und Sehnsucht nach dem Vergangenen und den geschönten Erinnerungen an eine aufregende Kindheit, wie sie Marcel Pagnol bereits in seinen Büchern zu halten vermochte. Die Farbgebung von Sandrine Cordurié ist zudem als perfekt zu bezeichnen. Mit ihren warmen Farbtönen zeigt sie sofort an, dass dies Erinnerungen und nicht die unbedingte Wahrheit sind.


Fazit

Das Schloss meiner Mutter sind Kindheitserinnerungen, die mit Sicherheit jeder von uns gerne hätte. Autoren und Zeichner haben hier eine wunderbare Umsetzung der Bücher von Marcel Pagnol geschaffen, die der Künstler und Filmschaffende mit Sicherheit selbst gerne gelesen hätte.


Pro & Contra

+ sehnsuchtsvoller, aber nicht wehmütiger Blick zurück
+ man kann sich hineinfallen lassen und genießen
+ augenzwinkernder Humor
+ wunderbare Zeichnungen

Bewertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5