HEX (Thomas Olde Heuvelt)

hex 2

Heyne (Oktober 2017)
Taschenbuch
432 Seiten, 12,99€
ISBN: 978-3-453-31906-6

Genre: Horror


Klappentext

Du sollst den Ort nicht verlassen

Du sollst keine Fremden einladen

Du sollst nicht über die Hexe sprechen

Auf den ersten Blick ist Black Spring im idyllischen Hudson Valley eine amerikanische Kleinstadt wie jede andere, und dennoch liegt ein dunkler Schatten über dem Ort: Seit über 300 Jahren gehört die blinde Black Rock Witch zum Alltag der Bewohner. Deshalb gelten strenge Regeln, denn die Prophezeiung besagt, dass der Tag, an dem die Hexe ihre Augen öffnet, der letzte Tag von Black Spring sein wird. Doch dann veröffentlichen vier Jugendliche heimlich ein Video der Hexe im Internet. Und der Horror beginnt.


Rezension

„Brilliant und absolut originell“ von Stephen King prangt auf dem Cover. Die ersten 100 Seiten wundert man sich über diesen „Blurb“, denn diese sind beinahe unlesbar. Anstatt Originalität bekommt man einen Abklatsch vom Film „Cabin in the woods“, der genau 1 Jahr vor der Veröffentlichung diese Buches erschien, was wohl kein Zufall ist. Es wurde scheinbar gar nicht versucht, die Anlehnung zu kaschieren, denn die Parallelen sind geradezu unverschämt. Der titelgebende Name „HEX“ ist der Name einer Überwachungsorganisation, die versucht, die Geheimnisse von Black Spring nach außen weiterhin unter Verschluss zu halten, und die dafür verantwortlich ist, dass die Einwohner sich an die Regeln halten, um eine Katastrophe zu verhindern. Einige Passagen sind fast eins zu eins wie im Film. Anderes wiederum ist natürlich gänzlich anders, fühlt sich aber dennoch vertraut an.

Neben den vertrauten Elementen, ist es der etwas schräge Humor am Anfang, der das Lesevergnügen trübt. Man fühlt sich vom Cover hinters Licht geführt und meint, eine Horror-Komödie zu lesen. Als würde das nicht reichen, wird man geradezu zugemüllt mit Markennamen. In Filmen ist man es gewohnt, mit Schleichwerbung in jeder Szene konfrontiert zu werden. Aber in Büchern? Alle Handys sind iPhones, was über das gesamte Buch bestimmt zwanzig Mal erwähnt wird. Es wird unablässig eine GoPro geschwenkt, YouTube erwähnt und aus irgendeinem unerfindlichen Grund wird „yahoo! News“ genutzt. Zu Beginn scheint es nur eine moderne Geschichte mit viel Technik zu sein, aber in Summe ist es zu auffällig, als dass es als unbedenklich durchgehen würde.

Der Gedanke, das Buch abzubrechen ist zunächst stark, allerdings würde man sich einen Horrorroman entgehen lassen, der es durchaus in sich hat. Ganz überraschend – wenn auch gefährlich spät, wenn man seine Leser nicht verlieren will – entwickelt „HEX“ einen ungemein starken Sog und entfesselt tatsächlich seinen versprochenen Horror. Der Ganze Humor, dem man am Anfang ausgesetzt war, verpufft, wie die Illusion zu wissen, was als nächstes geschehen wird. Alles ist nur eine Fassade, um mit der allgegenwärtigen Bedrohung klar zu kommen. Und mit einem Mal glaubt man dann doch, dass Stephen King dieses Buch gefallen hat (falls er es gelesen hat). Denn Thomas Olde Heuvelt befasst sich mit denselben Themen wie King in seinen Büchern. Der Horror kommt – aus den verschiedensten Gründen – meist vom Menschen und seinen grauenhaften Handlungen und nicht zwingend von der offensichtlichen, unmittelbaren Gefahr. Wobei die Black Rock Hexe hier durchaus ganze Arbeit leistet.

Beim Lesen kann einem „HEX“ richtig auf den Magen schlagen. Immer tiefer sinkt man ab in das Grauen, dass sich von Seite zu Seite offenbart. Immer erbarmungsloser entwickelt sich die Geschichte, was man zu Beginn kaum für möglich gehalten hätte. Und immer größer wird der Wahnsinn, dem Black Spring anheimfällt. Die ganze Atmosphäre ist stellenweise unerträglich, überraschend fesselnd und die große Stärke des Romans, sodass man über manche Schwäche durchaus hinweg sehen kann. Allerdings gibt es Schwächen zu genüge.

Heuvelt trifft einige bedauernswerte Entscheidungen, die ziemlich klischeehaft sind. Besonders bitter ist das mit dem Hintergrund, dass „HEX“ in der hiesigen Form bereits eine Art amerikanisiertes Remake ist. Wie man im Nachwort erfährt, wurde das ursprünglich in der Niederlande veröffentlichte Buch (mit demselben Titel) nach seinem nationalen Erfolg, für den amerikanischen Verlag neu überarbeitet. Der Schauplatz aus der Niederlande wurde in die USA verfrachtet und einige Passagen – inklusive des Endes – abgeändert. Somit hätte manches zum Besseren geändert werden können. Womöglich wurde manche Entscheidung aber erst in die Neufassung implementiert. Auch sprachlich lässt sich einiges ankreiden. Besonders schwer lastet, dass sich Heuvelt nicht darauf verlässt, dass der Leser sich selber ein Bild vom Geschehen macht. „Show, don’t tell“ heißt gerne die Forderung an einen Autor, damit er seine Figuren handeln und sprechen lässt, um dem Leser etwas mitzuteilen, anstatt ihm einfach nur zu sagen, was passiert, und oft wird wenig gezeigt und viel erklärt. Heuvelt hingegen macht beides. Er zeigt dem Leser sehr gut, was er wissen soll, nur um im nächsten Moment trotzdem alles nochmal zu erklären, damit man es auch wirklich verstanden hat. Besonders in den intensiven Passagen, in denen man geradezu gebannt ist, fällt das störend auf. 

Das Horrorgenre ist nicht gerade dafür bekannt, intensive Charakterstudien abzuliefern. Und auch HEX ist da keine Ausnahme. Zwar gelingt es Heuvelt, die Menschen im Dorf als ein Kollektiv sehr gut in Szene zu setzen, aber als Individuen sind sie eher eindimensional bzw. zu simpel gestrickt. Steve Grant, als der Hauptprotagonist, trifft zwar einige fragwürdige Entscheidungen, allerdings ist sein Leidensweg wahrlich gelungen.


Fazit

An „Hex“ von Thomas Olde Heuvelt kann man vieles bemängeln und besonders das erste Viertel macht es einem schwer, überhaupt weiterzulesen. Dennoch, sobald der Roman seinen Horror entfesselt, kann man sich diesem nicht mehr entziehen. Egal ob Mensch oder Hexe, die Grausamkeit kann einem wortwörtlich auf den Magen schlagen.


Pro und Contra

+ ein Horror-Roman der seine Bezeichnung verdient
+ die vielen Gesichter der Grausamkeit
+ realistische und beängstigende Beschreibung der Dorfdynamik
+ Steve Grants Leidensweg

- Schleichwerbung (?)
- nervige Teenager
- das ein oder andere Klischee
- unnötige Erklärungen

Wertung:sterne4

Handlung:4/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5