Long John Silver – Gesamtausgabe (Xavier Dorison, Mathieu Lauffray)

Verlag: Carlsen (November 2017)
Gebundene Ausgabe: 272 Seiten; 39,99 €
ISBN-13: 978-3551734457

Genre: Piraten/ Abenteuer


Klappentext

Er ist als Kind von Tusche und Feder geboren worden, als Gallionsfigur der „Schatzinsel“ von R. L. Stevenson.

Er hat Träume gehabt und Verbrechen erlebt, kennt die Galeonen von Madeira, die Meerenge von Maracaibo und die Aufstände der Bukaniere.

Er wird Gold und Blut mischen, um sein Schicksal an der Grenze des verlorenen Königreiches von Amazonien zu besiegeln.

Er ist der letzte Pirat.

Er ist Legende:

Long John Silver


Rezension

Long John Silver hat sich zur Ruhe gesetzt und führt ein Gasthaus in Bristol. Viele Jahre vergehen, bis Lady Vivian Hasting auftaucht und ihm einen Vorschlag unterbreitet. Sie hat ein Problem. Sie ist bankrott, ist schwanger und ihr Mann Lord Byron ist seit drei Jahren auf der Suche nach Guyanacapac. Sie schlägt Long John Silver einen Handel vor. Sie geht mit auf die Reise nach Südamerika und wenn sie ihren Mann gefunden haben, beseitigen Silver und seine Leute den Lord und seine Gefolgschaft und teilen den Schatz unter sich. Dies hört sich erst einmal grausam an, allerdings ist Lord Byron skrupellos gegenüber seiner Frau. Selbst aus der Entfernung bestimmt er ihr Leben und sorgt dafür, dass sie kein Geld mehr hat. Silver schafft es, Teil der Mannschaft der Neptune zu werden, die der Bruder Lord Byrons für die Reise chartert. Ebenso ist Dr. Livesey erneut an Bord. Er will auf Lady Hastings achten und Silver im Auge behalten. Aber keiner von ihnen kann sich vorstellen, was sie am anderen Ende der Welt erwartet.

Er ist einer der bekanntesten Piraten der Welt, kaum einer der ihn nicht kennt und er ist eine wirkliche Legende, wie ein Blackbeard, Störtebeker, Anne Bonny oder Jack Rackham: Long John Silver. Und doch hat er nie gelebt. Robert Louis Stevenson schuf ihn für seinen Roman Die Schatzinsel 1881 und seitdem ist er nicht mehr aus der Wahrnehmung der Menschen wegzudenken. Immer wieder wird er von einem Schauspieler in einer weiteren Verfilmung verkörpert und bleibt so weiterhin im Gedächtnis. Mit Black Sails ist gerade erst eine Serie zuende gegangen, die die Vorgeschichte zu Die Schatzinsel erzählt und in der Silver ebenso im Zentrum der Ereignisse steht wie Kapitän Flint.
Ein großes Erbe, dessen sich Xavier Dorison gemeinsam mit Mathieu Lauffray als Zeichner angenommen hat. Dorison schafft es aber, dass Gleichgewicht zu halten zwischen neuen und der Übernahme alter, bekannter Elemente. Eins davon ist das Motiv Silvers an der Fahrt teilzunehmen und das gilt für beide getroffene Aussagen.
Denn Silver ist ein vielschichtiger Charakter. Er hat eine charmante Seite, die Vertrauen erweckt und so seinen Gegenüber in Ruhe und Sicherheit wiegt, zugleich ist da aber auch der düstere, grausame und skrupellose Pirat und Mörder. Beide Seiten zeigt Dorison im Laufe der Geschichte. Er differenziert sie aus und lässt Long John Silver als einen Mann mit Ecken und Kanten erscheinen, der nur noch eins im Leben will: Eine Legende werden, an die sich jeder, der dabei war, erinnert. Silver ist bei Dorison kein reiner Egoist, er ist zu selbstlosem Handeln fähig und er hat seine Prinzipien und sein Ehrgefühl, welches ihn leitet und das ihn dem Leser näher bringt, so dass dieser gebannt seiner Reise folgt.
Neben dem alten Piraten sticht Lady Hastings als Charakter hervor.Sie ist selbstbewusst, weiß was sie will und ist zudem mutig. Ihr Schicksal nimmt sie lieber selbst in die Hand, als es von anderen bestimmen zu lassen. Damit ist sie ihrer Zeit voraus. Glücklicherweise übertreibt es Dorison aber nicht und lässt sie eine durchaus realistische Rolle einnehmen und Entwicklung durchmachen. Generell versteht es Xavier Dorison seine Charaktere bestmöglich einzusetzen und ins richtige Licht zu setzen. Seine Figuren dienen gleichzeitig seiner Geschichte und sie entsteht aus ihnen. Silver und Lady Hastings sind die treibende Kraft der Geschichte und da Dorison es gelingt, seine Charaktere dem Leser nahezubringen, entsteht auf diese Weise ein äußerst spannendes, wendungsreiches Abenteuer, welches mehr als nur eine Überraschung bietet. Die Erwartungen des Lesers werden bewusst nicht immer erfüllt und das ganze Geschehen führt zu einem großen und großartigen Moment für Long John Silver, der dieser Legende würdig ist und trotz allem eine Hintertür für weitere Geschichten mit dem alten Seebären offenlässt.

Mathieu Lauffray sorgt dafür, dass die Geschichte ihre ganze Wucht entfalten kann. Er fängt jegliche Stimmung in atmosphärischen Bildern ein. Die Persönlichkeit Silvers bildet er in seinen Bildern durch Gesichtszüge, Beleuchtung und Körperhaltung in jedem Moment ab. Jede einzelne Facette lässt sich finden, selbst im freundlichsten Blick dieses Mannes lauert die Bedrohlichkeit, die er ausstrahlt. Die Umgebung wird bei Lauffray zu einem weiteren Protagonisten, egal ob es die bedrohliche, ungezügelte See ist oder der mystische, geheimnisvolle Urwald, der Hintergrund wird lebendig und spielt eine große Rolle in der Geschichte. Die düsteren, gewaltigen Zeichnungen, die er in Bezug auf die Charaktere teilweise recht  kantig wirken lässt, sind dabei genauso chaotisch und dreckig wie das Innenleben der Figuren. Für Long John Silver erweist sich Mathieu Lauffray als der ideale Zeichner.

Das Long John Silver gesammelt und gebunden in einem Hardcover als Gesamtausgabe veröffentlicht wird, ist eigentlich Grund genug, um die alten Einzelalben auszusortieren, aber es gibt ein viel größeres Argument dafür, welches unschlagbar ist: Das Bonusmaterial! Interviews und Texte zur Entstehung von Long John Silver fehlen zwar, dafür darf Mathieu Lauffray seine Kunst und sein Können unter Beweis stellen. Rund hundert Kohle- und Bleistiftzeichnungen und Computergrafiken sind zu sehen, entweder als ganzseitige Illustration oder mit mehreren auf einer Seite gesammelt. Besonders stechen die Ölgemälde hervor, mit denen Mathieu Lauffray Long John Silver immer wieder eine neue Seite abgewinnt. Der alte Seebär verliert einfach nie seine Faszination. Gerade auf den doppelseitigen Bildern ist stets ein weiterer Wesenszug des Piraten erkennbar. Außerdem haben gleich mehrere Comickünstler eigene Zeichnungen beigesteuert, unter anderem Alex Alice, Robin Recht, Enrico Marini und Ralph Meyer.


Fazit

Eine perfekte Ausgabe für das letzte Abenteuer einer Piratenlegende. Long John Silver kommt hier zu allen ehren. Die Geschichte ist düster, spannend und voller Überraschungen. Xavier Dorison und Mathieu Lauffray haben eine wunderbare Hommage an Die Schatzinsel geschaffen und diese kann nun in einem durchgelesen werden. Bonusmaterial und Aufmachung rechtfertigen den Preis und machen das Lesen zu einem Genuss.


Pro & Contra

+ reichhaltiges Zusatzmaterial
+ durchdachte Geschichte
+ spannend bis zum Schluß
+ Long John Silver
+ Zeichnungen von Mathieu Lauffray

Bewertung:

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Xavier Dorison und den Einzelalben von Long John Silver:

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Rezension zu Raven Bd.1 – Nemesis
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Tags: Piraten