Cross Cult (März 2017)
Originaltitel: The Red: The Trials
Übersetzerin: Helga Parmiter
Klappenbroschur
520 Seiten, 16,00 EUR
ISBN: 978-3-95981-154-5
Genre: Science Fiction
Klappentext
Lieutenant James Shelley und seine Einheit von Soldaten der US-Army befanden sich auf einem Kreuzzug für die Gerechtigkeit, als sie die unautorisierte Mission Erstes Licht ausführten. Sie kehrten nach Amerika zurück, um sich vor einem Militärgericht zu verantworten – entschlossen, die Korruption in der Befehlskette aufzudecken, die sie zu ihren Taten gezwungen hat. Aber in einem Land, das noch immer vom nuklearen Terrorismus des Koma-Tags gezeichnet ist, ist der Gerichtssaal nur eines von vielen Schlachtfeldern.
Die Politik ist schon lange nicht mehr unabhängig. Konzernchefs machen die Regeln und „das Rote“, eine künstliche Intelligenz, die nicht greifbar ist, scheint die Welt zu manipulieren. Wer steht auf welcher Seite? Aber spielt das überhaupt eine Rolle bei einem nuklearen Katz-und-Maus-Spiel? Shelley bleiben nur noch seine Truppe und seine Ideale. Doch wird das reichen?
Rezension
„Prüfungen“ beginnt mit dem Prozess gegen Shelley und seine Truppe, der den Soldaten jedoch eines nur zu begreiflich macht: Regierung und Justiz sind nicht länger unabhängig, die wichtigen Entscheidungen finden hinter den Kulissen statt. Doch zugleich gibt es einen Funken der Hoffnung: Menschen gehen auf die Straßen, um für die Freilassung Shelleys und seiner Leute (und wahrscheinlich auch insgesamt gegen den zerrüttenden Einfluss der Superreichen auf Transparenz und demokratische Prozesse) zu demonstrieren. Unter diesem Druck muss der Präsident Shelley begnadigen.
Aus der Armee entlassen, desorientiert, und überzeugt, dass seine Arbeit noch nicht getan ist, kehrt Shelley nach Hause zurück und versucht dort, mehr über die weiteren Pläne des „Roten“ herauszufinden, das ihm so oft das Leben gerettet und seine Schritte gelenkt hat. Er hat sich jedoch mächtige Feinde gemacht und die Paranoia, die ihn auf Schritt und Tritt begleitet, ist nicht nur das Resultat seiner Erfahrungen: Er entgeht nur knapp einem Anschlag.
Schließlich nimmt er das Angebot Anne Shimas an, ihrer Truppe von Söldnern beizutreten. Um die Menschheit vor der Bedrohung durch die nuklearen Waffen aus privaten Arsenalen zu schützen, müssen Shelley und seine Truppe außerhalb des Gesetzes agieren – und teilweise auch mit ihren eigenen Prinzipien brechen. In einer Reihe gefährlicher Missionen finden sie nach und nach heraus, wo sich die zwei Atomsprengköpfe befinden, die am „Koma-Tag“ nicht detoniert sind und bereiten sich darauf vor, diese zu bergen, bevor sie eine weitere Stadt auslöschen können.
In der Zwischenzeit kommt es immer wieder zu Konflikten. Shelley hat begonnen, dem „Roten“ zu vertrauen, während die Angehörigen seiner Truppe dessen Einfluss mit Argwohn sehen und sich fragen, ob sie Shelley wirklich noch trauen können. Aber Shelley hat auch mit sich selbst zu kämpfen. Gerade nach seiner Rückkehr erleben Leser ihn zutiefst verunsichert und finden im Verlauf der Handlung auch noch mehr über kleine Schwächen heraus, die den idealistischen, willensstarken Mann mit seiner trotzigen, individuellen Stimme als Ich-Erzähler noch einmal menschlicher wirken lassen. Er kommt auch Delphi näher, der klugen, kompetenten Frau, deren Stimme ihn bei vergangenen Missionen mit ihren Anweisungen am Leben erhalten hat. Die aufrichtige Zuneigung und der Respekt zwischen ihnen machen ihre Beziehung glaubwürdig und sichern ihnen die Unterstützung der Leser. Zugleich wird sie davon überschattet, dass Shelley nur zu gut weiß, dass er Delphi zu einem Leben in Angst in ihn verurteilt. Jede der Missionen, zu denen er – teils angespornt von den subtilen Manipulationen des „Roten“ – aufbricht, ihn mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit das Leben kosten könnte.
Die Handlung schreitet gewohnt schnell und spannungsreich voran, voller Konflikte auf den höchsten politischen Ebenen, Kämpfen, bei denen futuristische Technologie zum Einsatz kommt, und sehr hohen Einsätzen, aber auch genug persönlichem Drama. Die Geschichte ist in der ersten Person und im Präsens geschrieben, was für diesen Typ von Handlung gut funktioniert, liest sich flüssig und sehr unterhaltsam, und hat mit Shelley einen Protagonisten, mit dem man mitfiebern kann – insbesondere, weil schon früh deutlich wird, dass er damit rechnen muss, Menschen zu verlieren, die ihm nahestehen.
Doch wie schon beim ersten Teil ist die Struktur ein wenig merkwürdig: Die Mission, von der man als Leser annimmt, dass sie den Höhepunkt der Handlung darstellt, steht nicht ganz am Ende. Stattdessen folgen darauf eine neue Wendung und eine neue Mission für Shelley, die sich eigentlich nicht mehr wirklich wie ein Teil von „Prüfungen“ anfühlt, sondern primär dazu zu dienen scheint, Teil 3, „Funkstille“, vorzubereiten.
Fazit
Mit „Prüfungen“ setzt Linda Nagata ihren Sci-Fi-Thriller um den sympathischen Protagonisten James Shelley und die geheimnisvolle künstliche Intelligenz, die dessen Schritte beeinflusst, actionreich und unterhaltsam fort. Auch die übliche Kritik an der Untergrabung demokratischer Werte und Prozesse durch die Macht von Superreichen und ihren Konzernen bleibt nicht auf der Strecke.
Pro und Contra
+ sympathischer Ich-Erzähler
+ vertraute Unsicherheit über Rolle und Motive des „Roten“
+ einige gut entwickelte, aktive Nebenfiguren
+ Shelleys Zweifel an der Regierung, aber auch an seinem eigenen Vorgehen
+ Spannung und Action
+ ziemlich coole Technologien
- Ende fühlt sich an, als wäre es nicht mehr wirklich Teil dieser Geschichte
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 3/5