Knaur HC (Oktober 2017)
Klappbroschur
592 Seiten, 16,99€
ISBN: 978-3-426-65443-9
Genre: Fantasy
Klappentext
Sechs unberechenbare Außenseiter – eine unmögliche Mission
Ein Dieb mit der Begabung, aus jeder Falle zu entkommen.
Eine Spionin, die nur „das Phantom“ genannt wird.
Ein Verurteilter mit einem unstillbaren Verlangen nach Rache.
Eine Magierin, die ihre Kräfte nutzt, um in den Slums zu überleben.
Ein Scharfschütze, der keiner Wette widerstehen kann.
Ein Ausreißer aus gutem Hause mit einem Händchen für Sprengstoff.
Höchst unterschiedliche Motive treiben die sechs Außenseiter an, die einen gefährlichen Magier aus dem bestgesicherten Gefängnis der Welt befreien sollen. Kaz Brekker, Meisterdieb und Mastermind, ist nicht der Einzige, der Geheimnisse vor den anderen verbirgt – und natürlich steckt weitaus mehr hinter dem Auftrag, als die sechs „Krähen“ ahnen können …
Rezension
Kaz Brekker kennt keine Gnade, er sieht alles voraus, was seine Konkurrenten im Schilde führen, er interveniert, stellt Fallen und gewinnt. Umso verwirrter ist er, als er an einen Stuhl gefesselt aufwacht und vor ihm einer der wohlhabenden Krämer der Stadt sitzt. Als Kaz wieder auf freiem Fuß ist, hat er eine Mission in der Tasche, die ihn unglaublich reich machen wird – wenn er sie denn überlebt. Denn er soll in das Eistribunal einbrechen, einen gefährlichen Mann finden und ihn lebendig herausbekommen. Für dieses Himmelfahrtskommando braucht er Leute, denen er traut und die spezielle Fähigkeiten haben. Inej, sein Phantom, ihres Zeichens Akrobatin und Informantin. Nina, eine Grischa, mit der Fähigkeit die Lebensfunktionen ihrer Widersacher nach Belieben zu steuern. Matthias ein Kreuzritter, der nach Rache sinnt. Jesper ein Scharfschütze und Kaz‘ Vertrauter. Und Wylan der mit Sprengstoff umzugehen weiß.
„Das Lied der Krähen“ ist ein Hingucker. Die Aufmachung – vom Cover bis zu den in Schwarz getünchten Seitenrändern – ist wertig und sieht beeindruckend aus. Glücklicherweise kann der Inhalt mit der Optik mithalten. Leigh Bardugo wirft den Leser ohne Vorwarnung in eine sehr lebendige Welt, überschüttet ihn aber mit Namen von Personen, Orten und Völkern, was einen zu Beginn etwas überfordert, sich aber schnell wieder legt. Einen kleinen Vorteil dürften die Kenner der Grischa-Trilogie (erschienen im Carlsen Verlag) haben, die sich mit den Magiebegabten bereits beschäftigten. Vorkenntnisse sind aber nicht nötig, außerdem stört die Unübersichtlichkeit wenig, denn der Roman beginnt auch ungemein spannend und hält sein hohes Tempo auch sehr lang, bis sich das Team der Antihelden auf die Reise macht. Diese wird dazu genutzt, die Charaktere in Rückblenden zu erklären. Ihre Motivationen, ihre schlecht verheilten Wunden und ihre Beziehungen werden dabei offengelegt. Neben den Rückblenden dienen auch die unterschiedlichen Erzählperspektiven dazu, die Protagonisten besser zu verstehen. Nachdem man die Reisegefährten ins Herz geschlossen hat, kann die Mission richtig beginnen.
Fast Food Fantasy
„ Das Lied der Krähen“ war in den USA ein Riesenerfolg und das verwundert nicht, denn Leigh Bardugo ist in Hollywood beim Film tätig und beweist mit ihrem Roman, dass sie die Erfolgsformel einer Blockbusterproduktion genau verstanden hat. Wie halte ich den Leser bei der Stange? Wie gestalte ich sympathische Charaktere mit kleinen und großen Macken. Welches Verhältnis von Action und Humor? Ihre Antworten auf diese Fragen sind ideal gewählt für eine unterhaltsame und mitreißende Fantasygeschichte, die den Leser nicht enttäuscht. Der Nachteil ist aber, dass man jedes Element einem der aktuell populären Filme zuordnen kann. Der Anfang könnte aus einem der X-Men Filme stammen, die Charaktere sind Antihelden-Mischlinge aus „Ocean‘s Eleven“ und „Suicide Squad“ und der Einbruch erinnert an „Mission Impossible“. Die komplizierte Beziehung zwischen Nina und Matthias erinnert auffällig stark an die von Jon Snow und Igrit (Das Lied von Eis und Feuer, Game of Thrones). Solche Inspirationen sind nicht automatisch negativ, aber hier fallen sie stark auf. Außerdem weist die Handschrift Hollywoods auch die immer selben Strukturen und Schwächen auf. Was „Das Lied der Krähen“ leider zu oft vorhersehbar macht und somit einer persönlichen Handschrift beraubt.
Sowohl die Protagonisten als auch die Antagonisten profitieren und leiden von derselben Herangehensweise. Alle „guten“ Figuren bekommen genug Backstory, um nicht zu flach zu wirken. Sie bekommen eine nachvollziehbare, meist tragische Motivation für ihre Taten, damit man ein Verständnis für sie entwickelt, selbst wenn sie „Böses“ tun. Die „Bösen“ hingegen bekommen einen „menschlichen“ Faktor, um einen kleinen Raum für Verständnis für sie frei zu machen. Bardugo findet das perfekte Maß, damit man mit den Helden genau richtig sympathisiert und sie ein kleines bisschen verurteilt. Die Gegner hasst, aber ein klein wenig versteht. Sie legt einen perfekten Spagat hin, der so makellos ist, dass er fast schon zu perfekt ist. Es fehlen bei genauerem Betrachten ein paar Ecken und Kanten. Deshalb sind neben dem Storyverlauf, auch die Handlungen der Charaktere selten überraschend und vorhersehbar.
Der Roman richtet sich ganz offensichtlich an ein älteres Publikum. Die Figuren handeln sehr erwachsen, sowohl körperlich als auch geistig, dennoch ist der älteste der Protagonisten gerade einmal 18 Jahre alt. Man könnte meinen, dass die mittelalterlich angehauchte Welt der Grund dafür sind, dass die Menschen früh erwachsen werden, dem entgegen steht aber der Rest der Figuren und der Weltbeschreibung. Viel mehr hat es den Anschein, dass das Alter gewählt wurde, um das Buch auch für Jugendliche interessant zu machen, da die „Young-Adults Bücher“ der größte Absatzmarkt ist. Das Resultat ist leider störend, denn wirklich passen will das Alter zu den Figuren nicht. Regelmäßig vergisst man es, bis man wieder mit ungelenken Erinnerungssätzen damit konfrontiert wird.
Alles in allem ist „Das Lied der Krähen“ allerfeinste Action-Fantasykost, die mit einem schönen Erzählstil sehr gut unterhält und tatsächlich mitfiebern lässt. Große Überraschungen darf der erfahrene Leser und Cineast aber nicht erwarten. Der zweite Band soll im September unter dem Titel „Das Gold der Krähen“ erscheinen, denn wie es sich eben gehört, endet die Geschichte mit einem kleinen Cliffhanger.
Fazit
Mit „Das Lied der Krähen“ liefert Leigh Bardugo einen mitreißenden Fantasyroman ab, der alle Elemente eines People-Pleasers hat. Liebenswerte Charaktere, eine Menge Action und ein wenig Humor und Drama. Unbedingt empfehlenswert, aber auch ein wenig überraschungsarm.
Pro und Contra
+ Aufmachung des Buchs
+ Spannend und mitreißend
+ schöne, einfache Sprache
+ gute eingeflochtene Rückblenden für die Charakterzeichnung
- Aalglatt - es fehlen Ecken und Kanten bei den Charakteren
- wenig Überraschungen
- Hollywoods Handschrift
- Charaktere entwickeln sich nicht wirklich weiter
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4,5/5
Rezension zu Das Gold der Krähen (2)