Die Naturgeschichte der Drachen – Lady Trents Memoiren Bd.1 (Marie Brennan)

Verlag: Cross Cult; (November 2017)
Taschenbuch: 360 Seiten; 14 €
ISBN-13: 978-3959815031

Genre: Fantasy


Klappentext

Lies dieses Buch auf eigene Gefahr, werter Leser. Es ist nichts für schwache Nerven – genauso wenig, wie das Erforschen der Drachen selbst...
-Lady Trent

Lady Trent ist die herausragendste und erfolgreichste Drachenforscherin der Welt. Voller Detailreichtum, Humor und der Abgeklärtheit des Alters berichtet sie aus ihren jüngeren Tagen, da sie ein Mädchen war – vernarrt in Bücher und lernbegierig. Sie trotzte den erstickenden Konventionen ihrer Zeit und setzte ihren guten Ruf, ihre Zukunft und ihre zarte Haut aufs Spiel, um ihre wissenschaftliche Neugier zu befriedigen.

Nun endlich liegt die wahre Geschichte dieser beispiellosen Pionierin vor. In ihren eigenen Worten berichtet Lady Trent über ihre aufregende Expedition in die Berge von Vystrana, wo sie die erste von vielen historischen Entdeckungen machte, die sie und die Welt für immer verändern sollten.


Rezension

Schon sehr früh im Leben ist Isabella Hendemore, der späteren Lady Trent, klar, dass sie nicht als einfache Lady und Hausfrau enden wird. Sie besitzt von Kindesbeinen an, eine unglaubliche Neugier und einen großen Wissensdurst. Insbesondere die Erforschung der Drachen hat es ihr angetan, auch wenn es zu ihrer Jugendzeit nur ein wesentliches Standardwerk zu diesem Themengebiet gibt. Nach einem Jagdunfall schiebt sie ihre Interessen auf Druck ihrer Familie zur Seite, aber schon bald nach ihrer Hochzeit mit Jacob Camherst , der es ihr erlaubt Bücher zu lesen und sie unterstützt, erwacht ihre alte Leidenschaft wieder zum Leben. Als sie dann auch noch die Gelegenheit bekommt, an einer Expedition teilzunehmen, drängt sie ihren Mann mitzufahren und ein großes Abenteuer zu erleben. In Vystrana zusammen mit Jacob und Lord Hilford, der bereits mehrere Expeditionen geleitet und finanziert hat, angekommen, machen sie sich an die Erforschung der Felswyrme. Die verhalten sich in den letzten Monaten sehr aggressiv und aus einer einfachen Naturbeobachtung wird ein viel größeres Abenteuer mit Schmugglern und Adeligen des Landes.

Was wäre, wenn Drachen wirklich existieren würden und die Erforschung ihrer Natur im 19. Jahrhundert systematisch begonnen hätte? Diese Frage dürfte sich Marie Brennen gestellt haben, als sie begann, Lady Trents Memoiren zu schreiben. Denn der Geist der ungebrochenen, unstillbaren Neugier auf alles Fremde, das Hinausgehen in die Welt und die Lust am Erforschen des Unbekannten und neuer Länder ist bei Die Naturgeschichte der Drachen jederzeit vorhanden. Marie Brennan orientiert sich bei ihrem Roman an einen Jules Verne oder Henry Rider Haggard, die ihre Helden ins Unbekannte schickten und dort große Abenteuer erleben ließ. So setzt sich auch ihre Isabella Hendemore immer wieder Gefahren aus, die rein aus ihrer Neugier und Unbedarftheit resultieren. In Kinder- und Jugendjahren, mit denen der Roman beginnt, sind es entsprechend eher noch die kleinen Dinge sind, wie Ungehorsam der Mutter gegenüber, das Sich-nicht-Einfügen in die Gesellschaft, die für Frauen keine höhere Bildung vorgesehen hat oder das aktive Erforschen von Insekten, bevor sie später wirklichen Gefahren trotzt. Isabella Hendemore ist auf keinen Fall eine typische Frau ihrer Zeit oder besser Gesellschaft. Denn Marie Brennan lässt Die Naturgeschichte der Drachen nicht in unserer Welt stattfinden, sondern in einer eigenen. Dabei wäre dies erstens gar nicht notwendig gewesen und zweitens ist es mit den unnötig komplizierten Namen der Länder und Orte manches Mal einfach störend. Es hätte nicht dagegen gesprochen, Lady Trents Geschichte in unserer Welt vor zweihundert Jahre stattfinden zu lassen. Denn gerade das 19. Jahrhundert ist prädestiniert für einen Roman, wie ihn Marie Brennan hier vorlegt. Romane wie Die Reise zum Mittelpunkt der Erde, die hier Pate gestanden haben, zeigen, dass es nicht störend ist, wenn Fantasyelemente in unserer Realität verankert werden. Da hätte Marie Brennan also durchaus den Mut haben sollen, Lady Trents Memoiren im realen 19. Jahrhundert spielen zu lassen. Dies ist aber das einzige größere Manko des Romans.

Ansonsten gelingt ihr ein sehr unterhaltsames Buch, welches die Protagonistin der Reihe zunächst ausführlich vorstellt. Lady Trent zeigt sie durch ihr Verhalten und ihre Erziehung, wenn auch nicht durch ihre Einstellung und Abenteuerlust, als typische Dame des britischen Empire (wenngleich es hier anders benannt ist). Sie hat eine gewisse Überheblichkeit gegenüber Rangniederen und fremden Völkern. So gerät sie dann auch zurecht, immer wieder in Schwierigkeiten. Trotzdem wirkt sie nicht unsympathisch, da sie mit ihrer Abenteuerlust und ihrem Gerechtigkeitssinn zu überzeugen weiß.  Die Nebencharaktere werden von Marie Brennan hauptsächlich dazu genutzt, Isabella Hendemore Reibungspunkte zu geben, an denen sie wachsen kann und die ihren Charakter näher definieren. Sie sind allerdings nicht nur reine Staffage, sondern besitzen genug eigene Züge, um zumindest im einem Fall dem Leser ausreichend ans Herz zu wachsen und somit einer Szene die emotionale Wucht zu verleihen.

Wer ein großes Drachenspektakel erwartet, ist bei diesem Roman allerdings falsch. Zwar sind die Drachen ein Kernpunkt der Handlung und sie bringen alles erst so richtig in Gang, aber Szenen mit ihnen sind rar gesät, dafür aber umso effektiver. Es geht hier nicht um den Kampf mit einem Drachen oder einen Krieg mit ihnen, sondern um ihre Erforschung, weswegen von Marie Brennan in diesem Buch vor allem die Suche nach ihnen und die Entdeckungen um sie herum, im Zentrum stehen. Damit steht sie, wie gesagt, ganz in einer Reihe mit einem Jules Verne und anderen Autoren des 19. Jahrhunderts die Reiseromane verfasst haben, selbst ein Karl May kann hier genannt werde. Ganz im Stile ihrer Bücher schreibt Marie Brennan ihren Roman und findet den passenden Tonfall, der zu so einem Reisebericht passt. Die Ich-Perspektive gibt ihr die Möglichkeit den leicht überheblichen Ton Lady Trents zu nutzen und sie weiter zu charakterisieren. So wirkt Die Naturgeschichte der Drachen wie ein echter Reisebericht, der von einer alten Dame, die sich an ihre Jugend erinnert aufgeschrieben wurde.


Fazit

Die Naturgeschichte der Drachen ist ein unheimlich guter Auftakt für die Reihe über Lady Trents Memoiren. Marie Brennan erschafft eine stark an das britische Empire angelehnte Welt, in der Drachen normal sind und viele spannende Abenteuer ermöglichen. Nach einem etwas langsamen Beginn, wird es spannend und tragisch.


Pro & Contra

+ trifft perfekt den Tonfall alter Reiseberichte
+ Forscherdrang und Abenteuerlust der Hauptfigur machen sie glaubwürdig
+ kreative Ideen in Bezug auf die Drachen
+ flüssig zu lesender Schreibstil

Bewertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4,5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Marie Brennan:

Rezension zu Der Wendekreis der Schlangen
Rezension zu Die Reise der Basilisk
Rezension zu Im Labyrinth der Draken
Rezension zu Im Refugium der Schwingen
Rezension zu Aus der Finsternis zum Licht

Tags: Steamfantasy, 19. Jahrhundert, Drachen, Marie Brennan