10 Jahre Literatopia - Swantjes Highlights

Eines steht fest: Ich schulde Gesa Schwartz eine Menge. Sie hat mir nicht nur geholfen, als ich meine BLL (Teil der Abiturprüfung) über ihre Kurzgeschichte „Das Herz in der Dunkelheit“ geschrieben habe, sondern ist auch indirekt dafür verantwortlich, dass ich bei Literatopia gelandet bin. Als ich vor einigen Jahren vom großartigen Cover von „Grim – Das Erbe des Lichts“ dazu angeregt wurde, das Buch aufzuheben und umzudrehen, wurde ich auf das lobende Zitat auf dem Buchrücken aufmerksam, das von einer gewissen Seite namens „Literatopia“ stammte. Das Buch kam mit (was sich als gute Entscheidung erwies) und ich beschloss nach der Lektüre, Literatopia zu googeln und mir die komplette Rezension durchzulesen (ich habe diesen Tick, dass ich besonders gerne Rezensionen zu Büchern lese, die ich bereits kenne, um meine Erfahrungen mit denen des/der Rezensierenden abzugleichen).

Eine Stunde später war ich immer noch damit beschäftigt, Literatopia-Rezensionen zu lesen und habe in den folgenden Monaten und Jahren immer wieder auf der Seite vorbeigeschaut, bis ich schließlich einen Aufruf fand, sich bei Interesse doch als Redakteurin zu bewerben. Nun bin ich seit etwas mehr über zwei Jahren dabei, konnte den einen oder anderen Artikel zum Phantast-Magazin beitragen und habe eine ganze Reihe von Büchern gefunden, von denen ich nur zu gerne in meinen Rezensionen erzählt habe. Hier ist eine kleine Auswahl:

Einer meiner Favoriten ist „Die Schwerter von Dara“, der Auftakt zu Ken Lius „Seidenkrieger“-Reihe. In einem asiatisch inspirierten Setting entwickelt Liu ein beeindruckendes Epos, das sehr reif und ruhig daherkommt. Die Geschichten vieler Charaktere verflechten sich und man kann beobachten, wie ihre Beteiligung an der Rebellion gegen einen tyrannischen Herrscher sie verändert. „Die Schwerter von Dara“ erzählt nicht nur die Geschichte der Rebellion, sondern kreist vor allem um die Frage, was danach kommt. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung, die im Oktober erscheinen soll.

Wie das von mir aufgesammelte Grim-Exemplar, das mich schließlich zu Literatopia gebracht hat, schon andeutet, bin ich ein großer Fan atmosphärischer Urban Fantasy. Es ist also kein Wunder, dass mir „London“ von Christoph Marzi gut gefallen hat. Er entwirft eine phantastische Parallelwelt, die eng mit dem realen London verwoben ist und schildert Bilder und Szenen, die ihren ganz eigenen düsteren Zauber haben. Ein großes Plus ist außerdem Hauptfigur Emily, die sich kompetent durch diese magische Welt bewegt und dabei sehr menschlich, differenziert und nachvollziehbar erscheint.

Stadt der tanzenden Schatten“ von Daniel José Older ist ein Urban-Fantasy-Jugendroman, der mich sowohl mit seiner Verwurzelung in der Realität, als auch durch seine originellen phantastischen Aspekte und seine lebensfrohen, sympathischen Figuren aufwartet. Mir hat gut gefallen, dass "Stadt der tanzenden Schatten" in einem New Yorker Viertel angesiedelt ist, wo vor allem die Nachkommen von Immigranten leben, deren Traditionen und Familienstrukturen eine große Rolle spielen, aber auch von der jungen Generation weiterentwickelt werden. Es war außerdem nett, einen Jugendroman mit einer entspannten, natürlich wirkenden Liebesgeschichte ohne aufgesetztes Drama zu lesen.

In „Marco Polo – Bis ans Ende der Welt“ greift Oliver Plaschka die Geschichte des berühmten venezianischen Reisenden auf und lässt seine Leser an dessen Staunen über die facettenreiche, fremde Welt teilhaben, die er im fernen Osten findet. Sein schöner Schreibstil und die Einbettung in eine ebenfalls überzeugende Nebenhandlung steigern das Lesevergnügen noch. Auch Tanja Kinkel entführt ihre Leser in „Manduchai“ in die Welt der spätmittelalterlichen Chinesen und Mongolen. Jedoch spielt ihr Roman deutlich später und stellt zwei starke, faszinierende Frauenfiguren in den Mittelpunkt. Beide Romane spielen in Kulturen, über deren Geschichte ich in der Schule wenig gelernt habe, und erinnern noch einmal daran, dass das Mittelalter nicht nur in Europa stattfand.

Linda Nagata und Nnedi Okorafor werfen mit ihren Romanen beide einen Blick in die Zukunft: Nnedi Okorafor schildert in „Lagune“ die Landung von Aliens in Lagos (eine hübsche Antwort auf das Klischee, dass Außerirdische immer in den USA, vorzugsweise in New York landen müssen) und zeichnet dabei ein einprägsames Bild der afrikanischen Metropole. Linda Nagata beschreibt in ihren Thrillern um „The Red“ unsere Welt in der nahen Zukunft und thematisiert Überwachung, Korruption und künstliche Intelligenz, während sie ihren sympathischen Protagonisten auf eine gefährliche Mission nach der anderen schickt. Gerade der erste Band, „Morgengrauen“, findet eine gute Balance zwischen Kritik an Problemen und Tendenzen der Gegenwart und einer Menge spannender Action, die zu Lesen einfach Spaß macht.

Ich habe für Literatopia auch einige Non-Fiction-Bücher rezensiert. Besonders überzeugt hat mich das fantastisch gestaltete „Große Steampanoptikum“ von Clara-Lina Wirz und Alex Jahnke. Dabei handelt es sich um ein Portrait deutschen Steampunkszene, das einen Einblick in diese vielseitige Subkultur gibt und zwischen zwei Buchdeckeln nach bester, kombinationsfreudiger Steampunk-Manier Fotographie, Sachtexte, Prosa und Lyrik zusammenbringt.

Mit „Utopien für Realisten“ liefert Rutger Bregman ein leidenschaftliches Plädoyer gegen Pessimismus und Resignation und entwirft die (teilweise ziemlich gut von empirischen Daten unterfütterte) Perspektive einer Welt mit weniger Armut und weniger unnötiger, freudloser Arbeit. Es hat wirklich gut getan, in unserer zur Resignation einladenden Zeit ein Buch von jemandem zu lesen, der Verbesserungen für möglich hält und konkrete Vorschläge hat.

Es gibt noch viele andere Bücher, auf deren Lektüre für Literatopia ich gerne zurückblicke, und ich freue mich schon auf die nächsten.

Viele Grüße von Eurer

Swantje