Shadowrun - Iwans Weg (David Grade)

iwans weg grade

Pegasus (April 2018)
Taschenbuch, 344 Seiten, 12,95 EUR
ISBN: 9783957891723

Genre: Cyberpunk mit Fantasyelementen


Klappentext

Deutschland 2078 – die Welt hat sich verändert, die Magie ist erwacht, Mysterien sind auferstanden und Megakonzerne regieren das Geschick der Welt. Der junge Hacker Iwan stammt aus einem Gebiet voll Chaos und Anarchie mitten im Rhein-Ruhr-Megaplex: der Dortmunder Nordstadt. Der verzweifelte Mensch versucht alles, um einen Weg ans Licht zu finden. Als er scheitert, ist seine letzte Hoffnung die Seelie Mae. Doch ein dunkles Geheimnis umgibt diese Fee. Und sie ist auf der Flucht, verfolgt von skrupellosen Mördern. Der brutalste unter ihnen ist Rhoslyn, der sich in einer Schneise der Zerstörung durch die für ihn neue Welt von Matrix und Maschinen fräst. Auch ein Team Shadowrunner wird zur Jagd auf Mae erpresst. Jäger und Gejagte erzeugen einen Strudel aus Gewalt und Alpträumen, der Iwan für immer zu verschlingen droht.


Rezension

Zehn Jahre hat es gedauert, bis wieder ein deutscher „Shadowrun“-Roman erscheint: „Iwans Weg“ von David Grade spielt im zukünftigen Rhein-Ruhr-Megaplex, genauer gesagt, in der Dortmunder Nordstadt, wo der junge Hacker Iwan einen dunklen Pfad beschreitet. Nachdem er sein Stipendium bei einem großen Konzern verloren hat, gerät Iwan an die Fee Mae, die ihm Liebe und ein neues Leben verspricht. Dabei ahnt er nicht, zu welchen Grausamkeiten die schöne Fee fähig ist. Zudem wird sie verfolgt, unter anderem von ihrem Vater Rhoslyn, der sie finden will, bevor es schlimmere Mörder als er tun. Gleichzeitig wird ein Team Shadowrunner erpresst, Mae zu finden und zu töten ….

David Grade gelingt es, von der ersten Seite an Spannung zu erzeugen, da man sich unweigerlich fragt, wer Mae ist und was sie getan hat, dass sie so erbarmungslos gejagt wird. Auch fragt man sich, wie Iwan in die ganze Sache hineinrutscht und es ist abzusehen, dass die Situation früher oder später eskaliert. Bis dahin wird man von den derben Charakteren, von denen nur wenige wirklich sympathisch sind, bestens unterhalten. Feenmann Rhoslyn verbreitet während seiner Suche reichlich Chaos und Tod, während Ex-Shadowrunner Sascha von einem seiner ehemaligen Auftraggeber kontaktiert wird. Eigentlich ist der Familienvater raus aus den Schatten, aber durch Frau und Kinder ist er erpressbar und muss annehmen.

Hinzu kommen eine drogenabhängige Trollin, das Runnerteam um Saschas Auftraggeber und Saschas Frau und Kinder, die in die heikle Geschichte mit hineingezogen werden. Einige dieser Nebencharaktere werden facettenreich dargestellt, wie beispielsweise Saschas Sohn Jerome, der ebenfalls ein Shadowrunner ist und damit genau das, was Sascha hinter sich lassen wollte. Andere werden dagegen nur kurz vorgestellt und geraten bis zum Ende beinahe in Vergessenheit, wie die Trollin, deren Geschichte spannend beginnt und im Sande verläuft. Nahezu alle sind jedoch Kriminelle, Abhängige oder schlicht Verrückte, die auf ein besseres Leben hoffen oder einfach etwas für sich herausschlagen wollen. Zudem mischen einige hartgesottene Damen mit.

“Iwans Weg“ wird im Verlauf der Handlung ein zunehmend blutiger, wobei der Leser von Anfang an mit grausamen Morden und brutalen Kämpfen konfrontiert wird. Viele Charaktere erleben das Ende der Geschichte nicht und hier liegt einer der wenigen Kritikpunkte: Es sterben zu viele Figuren zu schnell. Gewalt und Tod gehört bei „Shadowrun“ dazu, aber wenn erfahrene Runner relativ leicht umzubringen sind, ist das für den Leser nicht glaubwürdig. Dafür beschreibt David Grade das Ableben einzelner Charaktere detailreich und die Brutalität der Actionszenen veranschaulicht die Verrohung der Metamenschheit, die sich mit Cyber- und Bioware "verbessert". Gleichzeitig sind die Szenen in der VR (Virtual Reality) und der AR (Augmented Reality) sehr gelungen. Die futuristischen Technologien durchziehen den Alltag der Charaktere und für den Leser fühlt sich alles ganz natürlich an.

Abseits der Fantasyelemente ist „Iwans Weg“ klassischer Cyberpunk, der sich stilistisch an den Werken William Gibsons orientiert. Wer sich im Genre nicht auskennt, wird anfangs vielleicht Schwierigkeiten mit den technischen Begriffen und Abkürzungen haben – ein ausführlicher Glossar im Anhang schafft da Abhilfe. Am besten liest man ihn vor der Lektüre kurz durch, dann sollten auch Genreneulinge gut zurechtkommen. Fantasywesen oder besser gesagt Metamenschen wie Orks, Zwerge oder Trolle fügen sich perfekt in das Cyberpunksetting ein und bereichern das „Shadowrun“-Universum mit skurrilen Figuren und Magie, die Astralreisen und Gedankenmanipulation ermöglicht. Für alle, die die Welt von „Shadowrun“ noch nicht kennen, gibt es einen kurzen Einführungstext im Anhang des Romans.


Fazit

”Iwans Weg“ generiert von der ersten Seite an Spannung, während die derben Charaktere für reichlich Unterhaltung sorgen. Protagonist Iwan ist dabei am sympathischsten und zudem ein typischer Vertreter des Genres: jung, begabt, aber perspektivlos in einer Welt, die von Konzernen regiert wird. David Grade überzeugt vor allem mit dem deutschen „Shadowrun“-Setting im Rhein-Ruhr-Megaplex, der hier sehr atmosphärisch in Szene gesetzt wird.


Pro und Contra

+ derbe, durchgeknallte Charaktere
+ atmosphärischer Cyberpunk mit Fantasyelementen
+ durchweg spannend
+ eindringliche Beschreibungen der Welt
+ deutsches Setting im Rhein-Ruhr-Megaplex
+ auch für Neueinsteiger geeignet

- zu viele Tote, deren Ableben unglaubwürdig wirkt
- interessante Nebencharaktere geraten in Vergessenheit

Wertung: sterne4

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5


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Tags: Cyberpunk, Shadowrun, David Grade, deutschsprachige SF