Barbara Büchner (07.11.2009)

Interview mit Barbara Büchner

Literatopia: Hallo Barbara, es freut uns, dass Du die Einladung zu dem Interview angenommen hast! In einer Autorenbeschreibung über Dich heißt es, dass Du lieber hinter Deinen Büchern zurücktrittst. Inwieweit stimmt das? Was möchtest Du trotzdem kurz über Dich erzählen, um Dich unseren Lesern vorzustellen?

Barbara Büchner: Ja, es stimmt, dass ich lieber durch meine Bücher spreche als den Leuten erzähle, ob ich einen chinesischen Schopfhund habe, gerne Schokolade mit Oliven esse oder bei 5 Grad minus schwimmen gehe. Ich glaube, es war Nathaniel Hawthorne, der einmal gesagt hat: „Was ein Autor nicht durch seine Bücher sagt, braucht auch nicht gesagt zu werden.“ Und ich sage: Autoren soll man weder sehen noch hören, nur lesen.

Literatopia: Weshalb hast Du Dich entschieden, einige Romane unter einem Pseudonym zu veröffentlichen?

Barbara Büchner: Ich bin als Kinderbuchautorin bekannt geworden – eigentlich gegen meinen Willen. Ich habe ein Kinderbuch geschrieben und dann wollten plötzlich mehrere Verlage eines von mir. Da sagt man natürlich nicht nein, vor allem, da ich ja vom Schreiben lebe. Aber meine eigentlich Liebe gilt dem historischen Roman. Nur, als ich solche Romane angeboten hatte, schauten die Verlage sie erst gar nicht an, sondern sagten: „Ach, die schreibt Kinderbücher, das interessiert uns nicht.“

Literatopia: Du warst auch als Ghostwriterin tätig. Wie ging es Dir damit, kein selbstgewähltes Pseudonym sondern den Namen eines Anderen über Deiner Arbeit zu sehen?

Barbara Büchner: Da habe ich kein Problem damit. Mir geht es ums Schreiben. Wenn mich ein Text interessiert ist es mir letztendlich egal, wessen Name darüber steht.

Literatopia: Journalistin und Übersetzerin – ebenfalls Berufe, die mit dem Schreiben zu tun haben. Was hat Dich dazu gebracht? Und inwiefern haben sie Deinen Zugang zur Textproduktion verändert?

Barbara Büchner: Journalistin bin ich eigentlich auch durch Zufall geworden. Ich habe einen Text eingereicht und danach wollten sie weitere von mir. Ich habe diesen Beruf sehr gern gehabt und erst aufgegeben, als die Zeitung in Konkurs ging. Und Übersetzerin – nun ja, ich war längere Zeit in England, kann gut Englisch und arbeite gern mit der Sprache. Beeinflusst hat mich der Journalismus insofern, als ich eine einfache, klare Sprache ohne Schnörkel schreibe und sehr sorgfältig recherchiere.

Literatopia: Wie ist Deine Leidenschaft für die Schriftstellerei entstanden, ja, was lässt Dich überhaupt schreiben?

Barbara Büchner: Das weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass ich schon in der Volksschule entschlossen war, Schriftstellerin zu werden und auch nie etwas anderes werden wollte. Ich habe schon als Kind viel geschrieben.

Literatopia: Du hast eine beeindruckende Anzahl an Veröffentlichungen vorzuweisen. Wie groß muss dafür die Selbstdisziplin sein? Haben sich manche Bücher wie von selbst geschrieben – und woran musstest Du besonders lang arbeiten?

Barbara Büchner: Für jede Arbeit, die man professionell ausübt, braucht man Selbstdisziplin. Es ärgert mich furchtbar, wenn Leute meinen, eine Schriftstellerin schreibt halt so auf die Schnelle ein Buch, verdient Millionen damit und räkelt sich den Rest des Jahres am Swimmingpool. Wie lange ich an einem Buch arbeite, hängt davon ab, wie viel ich recherchieren muss; das ist zeitraubender als die Handlung zu schreiben.


Jugendbücher

Literatopia: Was reizt Dich so sehr an jugendlichen Protagonisten, der jugendlichen Leserschaft? Weshalb Jugendbücher?

Barbara Büchner: Siehe oben ...

Literatopia: Auf die eine oder andere Weise sind die Protagonisten Deiner Bücher immer irgendwie anders, ob äußerlich erkennbar oder innerlich verschlossen, ob durch tief verwurzelte Persönlichkeitsmerkmale oder Ereignisse, die sie beeinflussen und prägen.
Inwiefern siehst Du darin Identifikationspotential für die jugendlichen Leser?

Barbara Büchner: Es gibt auch für Jugendliche die unerreichbaren „Role models“, und sie fühlen sich häufig  anders, unzulänglich, nicht dem Idealbild entsprechend. Ich habe dann oft Briefe bekommen in denen mir junge Leute sagten, sie fühlten sich endlich verstanden.

Literatopia: Ganz generell sind die Themen Deiner Jugendbücher weit gefächert – gibt es dennoch Motive, die Du als „typisch“ für sie betrachtest oder die Du bevorzugt aufgreifst?

Barbara Büchner: Nein, eigentlich nicht.

Literatopia: Teilweise werden Deine Bücher auch im Unterricht gelesen. Was hältst Du davon?

Barbara Büchner: Es freut mich. Moderne Jugendliteratur, ob von mir oder anderen, sollte im Unterricht genauso Platz haben wie die Klassiker.

Literatopia: Was ist Dir in diesem Bereich wichtiger – zu unterhalten oder etwas zu vermitteln? 

Barbara Büchner: Beides kann Hand in Hand gehen, ja muss eigentlich Hand in Hand gehen. Wenn man z.B. „Jurassic Park“ von Michael Crichton nimmt, so ist das an der Oberfläche eine reine Abenteuergeschichte. Aber eigentlich ist es eine Abhandlung über die Chaosthorie. Und ich jedenfalls hätte NIE irgendetwas über Chaostheorie gelesen, wäre sie mir nicht durch diesen unterhaltsamen Roman nahe gebracht worden.

Literatopia: Ich habe Deine Jugendbücher früher sehr gerne gelesen und das auch bei anderen Bekannten diesen Alters erlebt. Inwiefern erhältst Du Rückmeldungen von dieser Zielgruppe? Oder möchtest Du Dich davon nicht beeinflussen lassen?

Barbara Büchner: Ich habe sehr viele Briefe bekommen und die Meisten auch beantwortet.     

Literatopia: Welches dieser Bücher liegt Dir besonders am Herzen?

Barbara Büchner: Das ist eigentlich ein Buch für Erwachsene, „Der Pestarzt.“ Es handelt von einer Geschichte, die sich wirklich in Wien zugetragen hat und mich seit meiner Kindheit tief bewegt hat.


Zusammenarbeit mit Alisha Bionda

Literatopia: Du hast schon an zahlreichen Projekten von Alisha Bionda, der Herausgeberin, Autorin und LITERRA-Chefredakteurin, zusammengearbeitet. Wie ist es dazu gekommen?

Barbara Büchner: Das weiß ich gar nicht mehr. Irgendwann haben wir dann regelmäßig zusammengearbeitet. Und sie ist ja auf Anthologien spezialisiert, das bedeutet ein besonderes Interesse an Kurzgeschichten, von denen ich auch eine Menge habe.

Literatopia: Im Interview-Special zu den „Schattenversuchungen“ hast Du gemeint, die drei beigesteuerten Geschichten hätte es schon vorher gegeben. Hast Du generell eher einen Vorrat an Kurzgeschichten, die manchmal in Anthologien passen, oder schreibst Du sie auch speziell darauf zugeschnitten?

Barbara Büchner: Sowohl als auch. Ich habe viele auf Halde, aber wenn ein interessantes Thema vorgegeben wird schreibe ich auch „nach Maß“.

Literatopia: In den Anthologien „Dark Ladies I & II“ und „Schattenversuchungen“ hast Du einen Hang zur düsteren Erotik gezeigt – ein Genre, das oft als „anrüchig“ und „unliterarisch“ betrachtet wird.* Was hältst Du von dieser Einstellung und wie gehst Du damit um?

Barbara Büchner: Ich hab schon immer eine Vorliebe fürs Gothische gehabt und besonders für die Erotik auf dem Gebiet. Und ich finde, es gibt keine unliterarischen Genres, es gibt nur gute und schlechte Bücher. Der Kriminalroman z.B. wurde lange Zeit von den Literaturpäpsten mit Verachtung behandelt und wird heute als Genre hoch geschätzt.

Literatopia: Der Schwerpunkt der Anthologien, an denen Du beteiligt warst, lag immer wieder auf der Faszination der Dunkelheit, ein Wesenszug, der manchmal geradezu typisch für die Menschheit zu sein scheint. Was interessiert Dich daran, was hältst Du generell von der Anziehungskraft des Dunklen auf uns?

Barbara Büchner: Ich glaube, man muss unterscheiden zwischen Dunklem und Bösem. Ich mag keine Horror-Geschichten oder Filme, die nur auf Brutalität, perfide Grausamkeit und literweise Blut aufgebaut sind. Ich würde mir nie einen Film wie „Saw“ anschauen. Aber das Unheimliche hat Menschen schon immer beschäftigt, auch unsere „aufgeklärten“, modernen Menschen. Es gibt so vieles auf der Welt, das uns nicht heimelig, eben un-heimlich erscheint, und wir beschäftigen uns damit, weil Dinge, die man zu verstehen sucht, schon weitaus weniger schlimm sind.

Literatopia: Generell hat Alisha bei dem Großteil dieser Anthologien die Geschichten in Dialog mit Bildern gesetzt. Wie siehst Du dieses Konzept? Was sind Deiner Meinung nach die Vor- und Nachteile davon?

Barbara Büchner: Ich persönlich bin von einem Großteil dieser Illustrationen begeistert, weil sie wirklich den Charakter meiner Geschichten erfassen und zeichnerisch ausdrücken. Allerdings muss man einen wirklich guten und einfühlsamen Illustrator haben. Mir hat es schon an mehr als einem guten Buch die Freude verdorben weil die Illustrationen so scheußlich waren.

Literatopia: Sowohl „Der ewig dunkle Traum“ als auch „Der dünne Mann und andere düstere Novellen“ sind Anthologien, die um Werke von Wolfgang Hohlbein gruppiert sind. Hast Du etwas von ihm gelesen oder hat Dich eher die Thematik zur Teilnahme gereizt?

Barbara Büchner: Nein, von Hohlbein habe ich nie etwas gelesen. Ich lese eigentlich nichts von der typischen Fantasy. „Der Herr der Ringe“ und die „Narnia-Märchen“ waren das erste und letzte, was mich auf diesem Gebiet jemals angesprochen hat. Mich hat nur die Thematik  fasziniert.

Literatopia: „Der schwarze See“, Dein kürzlich bei Ars Literrae veröffentlichtes Jugendbuch, wirkt streckenweise experimentell durch ungewohnte Elemente und ein für Jugendbücher nicht unbedingt klassisches Ende. Was hat Dich dazu bewegt?

Barbara Büchner: Ich muss ja nicht genau das schreiben, was alle Anderen schon geschrieben haben. Ich gehe davon aus, was mir durch den Kopf geht.


Ausstieg und Leserfragen

Literatopia: Lovecraft, Tolkien, Stephen King: Immer wieder tauchen die Namen verschiedener Autoren in Deinen Büchern auf. Inwiefern spiegeln die Lesegewohnheiten Deiner Protagonisten Deine eigenen wieder? Welche Lektüre ist in Deinem Regal zu finden?

Barbara Büchner: Nun, an Lovecraft kommt keiner vorbei, der auf dem Gebiet des Unheimlichen schreibt. Er ist einfach einer der Urväter der unheimlichen Phantastik, genauso wie Edgar Allan Poe. Tolkien war auch so ein Urvater, hunderte Male kopiert, nie erreicht. Und Stephen King hat den klassischen Horrorromane in ein modernes Ambiente gesetzt. Das fasziniert mich. Ich finde einen Vampir bei McDonald’s weitaus beängstigender als einen in einer finsteren Ruine, in die ich ohnehin nie hineingehen würde.
Ich lese sehr gern Medizingeschichte, authentische Kriminalfälle, also solche, die sich wirklich abgespielt haben, und Geschichten über Rätsel und Wunder. Und im Fernsehen schaue ich mir am liebsten CSI an, das finde ich aufregender als jeden erfundenen Krimi.

Literatopia: Du hast Dich schon verschiedenster Themen, Genres, literarischer Formen angenommen – weshalb? Trennst Du zwischen den verschiedenen Bereichen Deines Schreibens, bevorzugst Du manche?

Barbara Büchner: Nein, das kommt noch aus meiner Journalistenzeit, wo mir auch jede Woche ein anderes Thema vorgegeben wurde. Davon hatte ich natürlich manche lieber und manche weniger. Ich schreibe nichts, was ich absolut nicht mag, z.B. keine Agentenstorys, aber ich bin eine professionelle Schriftstellerin und kann mich dadurch sehr leicht an ein Thema anpassen. Schließlich lebe ich davon und das kann ich nicht von einem einzigen Buch im Jahr.

Literatopia: Und wieder eine Frage zu der großen Anzahl an Motiven: Woher nimmst Du die Ideen? Was kann Dich faszinieren und inspirieren?

Barbara Büchner: Alles. Ein Bild, ein Buch, ein Film, das Foto eines Menschen oder einer Landschaft. Ich bin in Gedanken immer bei meinen Büchern. Ein Buch kann man nicht schreiben, wenn man 90% der Zeit mit dem Kopf woanders ist, genauso wenig, wie man ohne tägliches Üben ein Klavierkonzert geben kann. Man muss sich immerzu damit beschäftigen, dann fließen die Ideen. Mein Computer ist ein riesiges Lagerhaus voll Ideen und Entwürfe, die ich dann irgendwann heraushole.

Literatopia: Kam Dir bei manchen Geschichten schon der Gedanke, das Thema könnte zu heikel sein? Hast Du vielleicht dann auch schon das eine oder andere fallen gelassen, abgeschwächt – oder reizen sie Dich dann erst recht?

Barbara Büchner: Ich habe kein Problem damit, aber die Verlage. Die müssen ja bedenken, ob sie nicht vielleicht rechtliche Schwierigkeiten bekommen. Das war einmal so, als ich einen erst kurz zuvor verstorbenen Prominenten in einen Roman einbauen wollte, das musste ich ändern, sonst hätte möglicherweise seine Frau den Verlag geklagt. Und Verlage haben geradezu panische Angst vor manchen Themen, z.B. davor, dass irgendetwas als ein Gutheißen von Kindesmissbrauch interpretiert werden könnte. Ich habe da ein Märchen über einen Hirten geschrieben, der Kinder anlockt und sie dann wie Schafe hütet, da meinte der Verlag, sie müssten hintennach eine ellenlange Erklärung schreiben, dass sie natürlich gegen Kinderverführer sind. Das war ein Märchen! Da müsste man ja auch Hänsel und Gretel verbieten, weil die Hexe eine Lustmörderin und Kannibalin ist.

Literatopia: Immer wieder verwischst Du die Grenzen zwischen Wissen und Glauben, Realität und Übersinnlichem, und immer wieder geben die Figuren Deiner Bücher zu, nicht zu wissen, was tatsächlich außerhalb des für uns Wahrnehmbaren existiert, was nach dem Tod geschieht und ähnliches. Wie wichtig ist Dir diese Thematik? Was möchtest Du vermitteln?

Barbara Büchner: Was wissen wir denn wirklich? Je tiefer wir in die Geheimnisse der Welt eindringen, desto komplizierter werden sie. Früher dachten die Leute, in der Bibel stehe alles, was man über die Welt wissen muss und kann. Später stellte man sich die Welt als ein aufwändiges, aber doch leicht verstehbares Uhrwerk vor. Wenn man heute ein Buch über moderne Naturwissenschaften liest, klingt es wie ein verrücktes Märchenbuch – Quantenphysik, Teilchenbeschleuniger, Strings, schwarze Löcher ...

Literatopia: Was dürfen wir als nächstes von Dir erwarten, woran arbeitest Du zurzeit?

Barbara Büchner: An einem Ghostwriting-Auftrag mit einem so verflixt guten Thema, dass ich wünschte, es wäre mir selber eingefallen.

Literatopia: Vielen Dank für das Interview!


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Dieses Interview wurde von Anna Lehner für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.