Die Stadt der toten Klingen - Die göttlichen Städte 2 (Robert Jackson Bennett)

Bastei Lübbe (November 2017)
Originaltitel: City of Blades (The Divine Cities #2)
Übersetzer: Winfried Czech
Taschenbuch
720 Seiten, 11,00 EUR
ISBN: 978-3-404-20871-5

Genre: Fantasy


Klappentext

Als Saypur die Welt eroberte, tötete es die Götter der unterworfenen Völker. Alles Göttliche wurde verboten. Doch die Stadt Voortyashtan – einst Sitz der Göttin des Krieges und Todes – stellt noch heite eine Brutstätte sektiererischer Ideen und blutiger Rebellion dar.

Als dort eine Geheimagentin spurlos verschwindet, gibt es nur eine Person, der die Premierministerin von Saypur genug vertraut, um die Sache zu untersuchen: Generalin a.D. Turyin Mulagesh. Eigentlich hatte sich die kriegsmüde Soldatin längst zur Ruhe gesetzt. Turyin zweifelt daran, dass sie noch das Zeug zur Heldin hat, doch ihr Mut und ihr Kampfgeist werden bald auf eine harte Probe gestellt. Denn in Voortyashtan stößt sie auf ein Geheimnis, das die Welt für immer zerstören könnte …


Rezension

„Die Stadt der toten Klingen“ ist der zweite Teil in Robert Jackson Bennetts Trilogie „Die göttlichen Städte“, die mit „Die Stadt der tausend Treppen“ begann. Generalin Turyin Mulaghesch, die nun ins Zentrum der Handlung tritt, war in „Die Stadt der tausend Treppen“ noch eine Nebenfigur. Da es an einem neuen Schauplatz, mit einem neuen Konflikt und neuen Nebencharakteren weitergeht, ist es möglich, „Die Stadt der toten Klingen“ zu lesen, ohne den Vorgängerband zu kennen. Dennoch entgeht einem auf diese Weise wahrscheinlich etwas, da alte Bekannte wie Shara und Sigrud auftauchen, deren Auftritte in einem anderen Licht erscheinen, wenn man die Ereignisse aus „Die Stadt der tausend Treppen“ kennt.

Mulaghesh ist zu Beginn der Handlung bereits eine ältere Frau. Nach der Schlacht um Bulikov, die sie einen Arm gekostet hat, hat sie sich auf einer tropischen Insel niedergelassen, um den Rest ihres Lebens zu genießen. Aber da ruft die Premierministerin Saypurs sie aus ihrem selbstgewählten Exil zurück. Sie hat einen Auftrag für Mulaghesh: In Voortyashtan, der einstigen Heimat der Kriegsgöttin Voortya, ist ein Erz aufgetaucht, dessen Eigenschaften sich nicht mit den Gesetzen der Physik erklären lassen. Die erste Agentin, die nach Voortyashtan geschickt wurde, um das Metall auf mögliche Spuren göttlicher Macht zu untersuchen, ist spurlos verschwunden. Nun ist es an Mulaghesh, herauszufinden, was geschehen ist und was es mit dem Erz auf sich hat.

Voortyashtan liegt auf dem Kontinent, dessen Bewohner einst unter dem Schutz ihrer Götter die Bewohner Saypurs versklavt haben. Seit es den Saypuri gelang, mit einer revolutionären Erfindung, die Götter töten konnte, das Blatt zu wenden, sind gerade einmal 90 Jahre vergangen. Der Tod vieler Götter bedeutete, dass das von ihnen geschaffene milde Klima, ihre Städte, die allen Gesetzen der Physik widersprachen und ihr magischer Schutz vor Krankheiten jäh zerstört wurden. Tausende Bewohner des Kontinents „Festländer“ starben und die technisch hochentwickelten Saypuri wurden zur neuen Weltmacht. Sie fahren fort, mit Eisenbahnen, Kränen und Elektrizität die Welt zu verändern.

Obwohl das Verschwinden der Götter den Kontinent verwüstet und unzählige Leben gekostet hat, haben die Festländer sich nicht einfach ihren ehemaligen Sklaven ergeben. General Mulaghesch trägt schwer an den Erinnerungen an den „Gelben Marsch“ – ein Kapitel der Geschichte des Krieges zwischen Saypur und dem Kontinent, das die Saypuri am liebsten vergessen würden. In Voortyashtan, wo sie auch einen alten Bekannten aus dieser Zeit wiedertrifft, holt ihre Schuld sie mit neuer Intensität ein.

Zwischen Band eins und Band zwei ändert sich nicht nur der Schauplatz, sondern auch das große Thema des Buches. In die „Die Stadt der tausend Treppen“ standen das angespannte Verhältnis zwischen Saypuri und Festländern, Kolonialismus, die Last der Vergangenheit und das Ringen um Macht, Tradition und die historische Wahrheit im Zentrum. Dies sind Themen, die auch in „Die Stadt der toten Klingen“ gestreift werden, aber das Buch kreist vor allem um Krieg. Es geht um den schrecklichen Preis, den er den kriegführenden Parteien und Unbeteiligten gleichermaßen abverlangt, um die Unfähigkeit von Ex-Soldaten wie Mulaghesch oder Biswal, ihn hinter sich zu lassen, und Mulagheschs Bemühen, inmitten von Chaos und Gewalt an ihren Prinzipien festzuhalten und ihre Schuld abzugelten.

Die Stadt Voortyashtan, welche Mulaghesch auf der Suche nach der Wahrheit über das geheimnisvolle Erz und die verschwundene Agentin durchstreift, ist teils eine Ansammlung der Behausungen, die sich die Festländer gebaut haben, teils die riesige Baustelle der Dreylinge, die unter der Führung der brillanten Erfinderin Signe Harkvaldson den Hafen ausschichten, teils ein militärischer Posten der Saypuri. Aber es sind auch immer zwei andere Städte präsent: Unter den Wellen des Hafens ruht das alte Voortyashtan, das von der Göttin auf dem Meer vor dem Hafen errichtet wurde und nach ihrem Tod mit tausenden Bewohnern versank. Und dann ist da noch die „Stadt der Klingen“, das mythische Jenseits, das die Göttin Voortya unter großen Anstrengungen für ihre fanatischen Anhänger geschaffen hat. Wer im Dienst der Göttin Blut vergoss, hieß es, würde in die weiße Stadt übergehen, um schließlich von dort zurückzukehren, um das Diesseits mit einem alles vernichtenden Krieg zu überziehen. Natürlich sind alle Saypuri heilfroh, dass Voortya tot und diese Prophezeiung damit nichtig ist.

Doch sonderbare Ereignisse und das Auftauchen des Erzes lassen den schrecklichen Verdacht aufkeimen, dass doch etwas von der Macht der gnadenlosen Gottheit in der Welt der Menschen zurückgeblieben ist. Je mehr Mulaghesch über Voortyashtan, den Voortya-Kult und die Prophezeiungen lernt, desto mehr verstärkt sich ihr Verdacht, dass es ein großes Unheil abzuwenden gilt. Wenn göttliche Magie am Werk ist, aber auch wenn die Figuren Relikte aus der Vergangenheit Voortyashtans betrachten wird ein verbindendes Element der Bücher der Trilogie sichtbar: Die sehr besondere, bedrohlich-surreale Ästhetik, die Robert Jackson Bennett den „göttlichen Städten“ verliehen hat. Voortyashtan ist ins so gut wie jeder Hinsicht anders als Bulikov, aber auch hier wirkt die Magie der Götter, die die Realität nach Gutdünken verändern konnten, aber ihrerseits durch den Glauben ihrer Anhänger gebunden wurden.

Mulaghesch gibt sich und sieht sich selbst als jemanden, der gut Befehle brüllen, dienen und entschlossen simple Aufgaben erledigen kann, aber betrachtet sich selbst nicht gerade als ein Genie oder eine raffinierte Spionin. Tatsächlich scheint die laute, direkte Frau sich hier aber zu unterschätzen, da sie durchaus in der Lage ist, ihre Situation und ihre Mitmenschen gut zu durchschauen. Sie beweist immer wieder Mut, Opferbereitschaft und Prinzipientreue, ist zugleich aber eine durchaus zwiespältige Figur, wie die Einblicke in ihre Vergangenheit beweisen. Im Verlauf des Buches ist sie immer wieder mit Verlusten, schweren Entscheidungen und ihren schlimmsten Erinnerungen konfrontiert.

Signe, deren Weg sich immer wieder mit dem Mulagheschs kreuzt, lässt sich zunächst nicht in die Karten schauen. Erst später lernt man sie besser kennen und erhält einen Einblick in die verworrenen Gefühle, die sie Voortyashtan, aber auch ihrem Vater Sigrud entgegenbringt. Sigrud selbst erscheint in „Die Stadt der toten Klingen“ zuerst als ein verschwenderisch ausstaffierter, mit seiner Rolle un zufriedener Politiker und von den Vorwürfen seiner erwachsenen Tochter überforderter Vater. Das will erstmal nicht zu der Figur passen, die in „Die Stadt der tausend Treppen“ einige eindrucksvolle Auftritte hatte. Später erlebt man ihn wieder als den selbstmörderisch mutigen und schockierend brutalen Kämpfer, als der er in Band 1 auftauchte – und als einen Mann, der einen schweren Verlust verwinden muss. Auch die anderen Figuren sind gut gezeichnet, haben ihre eigenen Motive und Hintergrundgeschichten.

Über weite Strecken ist „Die Stadt der toten Klingen“ ein eher ruhiger Roman: Langsam und systematisch tastet Mulaghesch sich an die Lösung des Rätsels um die verschwundene Agentin und das seltsame Erz heran und findet nach und nach mehr über die Geheimnisse der Menschen um sie herum heraus. Gerade zum Ende hin jedoch kommt es immer wieder zu brutalen Konfrontationen, die viele Opfer fordern. Robert Jackson Bennett weiß sie auf eine Weise zu schildern, die einen beim Lesen wirklich mitnimmt. Wie schon bei „Die Stadt der tausend Treppen“ irritiert die Wahl der Zeitform ein wenig: Das Präsens will nicht so ganz zum reifen, reflektierten Ton des Buches passen. Jedoch ist es leicht, darüber hinwegzusehen, da „Die Stadt der toten Klingen“ in einem angenehm lesbaren Stil geschrieben ist und mit Winfried Czech einen guten Übersetzer gefunden hat.


Fazit

Mit „Die Stadt der toten Klingen“ erkundet Robert Jackson Bennett einen anderen Schauplatz in seiner teils von der fortschreitenden Moderne, teils von Überresten archaischer Götter-Magie geprägten Welt und schickt seiner Protagonistin nicht nur in eine Stadt voller Geheimnisse, sondern auch in eine Konfrontation mit ihrer eigenen Vergangenheit. Ein originelles, gelungenes und teilweise erschütterndes Buch.


Pro und Contra

+ außergewöhnliche, sehr modern wirkende Fantasywelt
+ neuer Schauplatz
+ überzeugende, oft ältere Protagonisten, die eine Menge Ballast aus der Vergangenheit mit sich herumschleppen
+ einprägsame Bilder (gerade die „Wächter“ mit ihren sonderbar lebendigen Rüstungen schreiben sich einem ins Gedächtnis)

o Handlung schreitet stellenweise eher gemächlich voran

- Sigrud erscheint über weite Strecken nicht so eindrucks- und geheimnisvoll wie in Teil 1

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5


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