Die Überfahrt (Mats Strandberg)

StrandbergM Die Ueberfahrt

FISCHER Tor Verlag, 1. Auflage, 2017
Taschenbuch, 505 Seiten,
14,99 Euro [D]
ISBN-13: 978-3-59629-599-9
Übersetzt von Antje Rieck-Blankenburg

Genre: Horror/ Dark Fantasy


Klappentext

Die Passagiere an Bord der baltischen Ostseefähre Baltic Charisma wollen vor allem eines: sich amüsieren, und zwar um jeden Preis. Ob sie nach der Liebe ihres Lebens suchen oder vor den Dämonen des Alltags fliehen – die Nacht ist lang, und der Alkohol fließt reichlich. In dem ganzen Trubel bleiben die beiden dunklen Gestalten unbemerkt, die sich über das Autodeck an Bord schleichen: eine Mutter und ihr Kind. Mit ihnen betritt ein uraltes Grauen das Schiff, und es wird zur tödlichen Falle …


Der Autor

Mats Strandberg hat bereits drei Romane für Erwachsene geschrieben. Er arbeitet außerdem als Journalist und Kolumnist beim Aftonbladet, Schwedens größter Abendzeitung.


Rezension

Die Baltic Charisma ist nicht das modernste Fährschiff auf der Ostsee und hat sicherlich ihre Hochzeit hinter sich, dennoch fahren Tag für Tag um die 1000 Passagiere von Stockholm (Schweden) zur Südküste Finnlands und zurück.  Für die 23-stündige Fahrt bietet die Ostseefähre seinen Passagieren allerlei Annehmlichkeiten: Restaurants, eine Bar, Karaoke. Sogar ein Club und ein Wellness-Bereich sind an Bord. Jeden Tag finden sich die unterschiedlichsten Charaktere auf der Fähre ein: Partylöwen, Liebessuchende, Familien und zahlreiche Fernfahrer. Einer der beliebtesten Orte an Bord ist die Karaokebar, die mit einer lokalen Berühmtheit aufwartet: Dan Appelgren, ein alternder Sänger mit einem Hit vor 20 Jahren, führt durch die Show.  Auf ihn freuen sich auch Madde und Zandra, zwei Freundinnen, die sich mal wieder richtig amüsieren wollen. Ebenfalls mit an Bord sind Marianne – eine siebzigjährige Alleinstehende, die ihrem trüben Alltag entkommen möchte –, der zwölfjährige Albin mit seinen Adoptiveltern und der ehemalige Angestellte Calle, der seinem Freund an Bord einen Heiratsantrag machen möchte. Neben diesen zwei zahlenden Gästen schleichen sich noch zwei andere Passagiere an Bord, eine Mutter und ihr Kind – beide vermummt und von kränklicher Erscheinung. Sie tragen ein Geheimnis in sich, das nicht nur die Menschen an Bord ins Verderben stürzen könnte.

Für seinen aktuellen Roman sucht sich Strandberg eine wahrlich beängstigende Plattform: ein Kreuzfahrtschiff. Enge Gänge, inmitten der eisigen Nordsee bieten keine Möglichkeit zur Flucht. Das Schiff mit seinen zahlreihen Ablenkungen wird zur schwimmenden Falle für die Reisenden.

Aber war wäre eine Falle ohne diejenigen, die in sie hinein tappen? Hier bedient sich Strandberg eines bunten und erfrischenden Ensembles. Es gibt keinen strahlenden Helden. Nur unterschiedliche Menschen, die um ihr Überleben kämpfen und dabei Fehler machen, die sich nicht nur für andere fatal auswirken. Auch unterschiedliche Altersklassen sind vertreten. Trotz wechselnder Perspektive gelingt es Strandberg seine Figuren lebendig werden zu lassen, ihre Lebenswege und Schicksale dem Leser nahezubringen. Für jeden ist jemand dabei. Sei es die ältere Marianne, die es satt hat, allein in ihrer Wohnung zu sitzen und sich spontan für die Kreuzfahrt entscheidet und auch vor einem Flirt nicht zurückschreckt. Der Junge Albin, der unter einem psychisch kranken Vater leidet und das Chaos an Bord mit seiner Cousine bewältigen muss, da er sich vor seinem Vater verstecken möchte. Madde, gerade arbeitslos geworden, wollte sich eigentlich nur mit ihrer Freundin amüsieren, muss sich nun aber ihrer Haut erwehren.

Strandberg baut eine gelungene Geschichte des Grauens, um einen kränklichen Jungen und den Star der Karaokebar Dan Appelgren, der sich für die letzten zwanzig Jahre abseits des Ruhms rächen möchte. Zusammen fassen die beiden einen teuflischen Plan. Die Baltic Charisma ist nur der Anfang. Obwohl sich Strandberg eines alten Bösen bedient – dem Vampirismus – gibt er ihm ein erfrischendes Gewand. Anschaulich und mit allen Sinnen erlebt der Leser, wie sich die Krankheit ausbreitet. Zuerst nur schleichend, dann in Form einer gewaltigen Welle. Wie die Opfer auf dem Schiff wird der Leser durch die schmalen Gänge und engen Treppen gehetzt und erlebt das Grauen.

Mitunter führen die raschen Wechsel in der Erzählperspektive zu Verwirrungen, insbesondere, wenn man das Buch zwischendurch ein, zwei Tage zur Seite legt. Insbesondere die Nebenfiguren verwischen, weil Strandberg seine Handlungsstränge verknüpft, also seine Figuren nacheinander durch bestimmte Flure oder Situationen schickt. Dennoch begeistert der frische Ansatz und weckt Lust auf mehr.     


Fazit

Mats Strandberg nimmt seine Leser mit auf eine Schifffahrt des Grauens. In Die Überfahrt führt er eine Riege der unterschiedlichsten Menschen in eine Vampirapokalypse. Das mag abgedroschen klingen, entfaltet aber dank einer frischen, sinnesnahen Sprache, der ungewöhnlichen Szenerie und neuen Akzenten im Vampirismus selbst durchaus Spannung und Leselust. Nichts für empfindliche Gemüter und Leute, die in naher Zukunft eine Schifffahrt planen. Für alle anderen gilt: gute Fahrt!  


Pro/Contra

+ interessante Szenerie
+ abwechslungsreiche Charaktere
+ Spannung und Grusel
- mitunter Verwirrung durch rasche Szenenwechsel und viele Perspektiven

Bewertung:  sterne4.5

Charaktere: 4,5/5
Handlung: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4,5/5