Caroline Ronnefeldt (12.08.2018)

Interview mit Caroline Ronnefeldt

caroline ronnefeldt 2018Literatopia: Hallo, Caroline! Kürzlich ist Ihr Jugendroman „Quendel“ bei Überreuter erschienen. Was erwartet die Leser?

Caroline Ronnefeldt: Ich hoffe, eine spannende Geschichte in glaubwürdig dichter und stimmungsvoller Atmosphäre. Wohl auch so einige richtig gruselige Szenen, wie mir diejenigen versichert haben, die „Quendel“ bereits gelesen haben. Allerdings muss ich hier gleich einem Missverständnis vorbauen: „Quendel“ ist keinesfalls illustriert - nur das Cover stammt von mir, sowie die Karte des Hügellandes – und ich selbst würde mein Buch auch nicht als Jugendroman bezeichnen. Es handelt sich um einen klassischen Fantasyroman und ich habe ursprünglich nicht unbedingt an ein jugendliches Lesepublikum gedacht, freue mich aber natürlich über Leser aller Altergruppen, die mit den Quendeln etwas anzufangen wissen.

Literatopia: Was für ein Volk sind die Quendel? Woher stammen sie?

Caroline Ronnefeldt: Ganz vorsichtig würde ich die Quendel als eine Art „deutsche Hobbits“ bezeichnen, aber nur in dem Sinne, dass ich – als sehr begeisterter Leser des „Herrn der Ringe“ – irgendwann fand, dass man wie Tolkien in der angelsächsischen und nordischen Mythologie, auch in unseren Sagen und Märchen unendlich viel Motive und Inspirationen finden kann. Letztlich ist ja alles miteinander verwandt und daher auch im weitesten Sinne Hobbits und Quendel, jedenfalls in ihrer Lebensart mit viel Sinn für ihre Traditionen, Gemütlichkeit, gutes Essen und das Landleben.

Quendel sind zäh und manchmal auch verwegen, wenn es darauf ankommt. Ihre Heimat ist das Hügelland mit seinen idyllischen Dörfern, aber eben auch dem unheimlichen Wald Finster. Und wenn man ganz korrekt ist, sollte man erwähnen, dass die allerersten Quendel der Sagensammlung der Brüder Grimm entsprungen sind (nicht den Märchen).

quendel ronnefeldtLiteratopia: Wie kam Bullrich Schattenbart dazu, das Hügelland zu kartographieren? Und ist er ein mutiger Mann, da er sich selbst in die finstersten Winkel des Hügellandes wagt? Oder ist er schlicht so besessen von seiner Arbeit?

Caroline Ronnefeldt: Bullrichs Faible für Landkarten entspricht seiner forschenden Natur, angeborenen Neugier und dem Sinn für Zusammenhänge, auch hinsichtlich der Vergangenheit des Hügellandes. Außerdem ist er gern allein in der Natur unterwegs und danach abends zuhause und gemütlich unter der Lampe mit der Ausarbeitung seiner Karten befasst. Ganz sicher ist er im positiven Sinne so „besessen“, dass er sich einfach in den Finster wagen musste, um sich nicht mit leeren Flecken auf seinen Karten abzufinden. Eben ganz der akribische Eigenbrötler mit liebevoller Hingabe für sein Metier, dabei durchaus mutig, beharrlich, zielstrebig.

Literatopia: Warum haben gibt es in „Quendel“ keine weiteren Illustrationen von Ihnen?

Caroline Ronnefeldt: Obwohl ich auch Illustratorin bin, bin ich bisher noch nie auf die Idee gekommen, dieses Buch zu illustrieren: das male ich mir in der Komplexität seiner detailreichen Welt lieber mit Worten aus. Wobei es mich sehr gefreut hat, dass ich das Cover und die Landkarte illustrieren konnte, ganz entsprechend meiner Vorstellung.

Literatopia: „Quendel“ hat bereits diverse positive Rezensionen erhalten – lesen Sie diese? Und wie gehen Sie mit negativer Kritik um?

Caroline Ronnefeldt: Da „Quendel“, nach Bilder- und Gartenbüchern, mein erster Roman ist, war es für mich eine neue Erfahrung, Rezensionen zu meiner Geschichte zu lesen, mit der ich mich seit Jahren beschäftige und die ich zunächst ja nur zum privaten Vergnügen und quasi im stillen Kämmerlein geschrieben hatte. Ich habe mich natürlich sehr darüber gefreut, wie wohlwollend das Buch besprochen wurde; vor allem, weil ich daran sehen konnte, dass viele Leser sich wirklich begeistert auf die Quendel und ihre Welt eingelassen haben. Das ist ja keinesfalls selbstverständlich, zumal die Lektüre bestimmt auch eine gewisse Herausforderung bedeutet, wie ich an manchen Kritiken unschwer erkennen konnte.

Negative Beurteilungen habe ich auch gelesen und durchaus ernst genommen, solange es sich um eine echte Auseinandersetzung mit meinem Text handelte. Da musste ich allerdings erstmal unterscheiden lernen, dass es mitunter auch Aburteilungen gibt, die man sich in ihrem bewusst abwertenden Ton als Debütant nicht zu Herzen nehmen sollte: da war ein wenig dickes Fell vonnöten. Dass man nicht jedem gefallen kann, ist ja eh klar und kann auch nicht das Ziel sein, wenn man etwas schreibt.

familie eilig zieht umLiteratopia: Bei „Quendel“ wurde besonders häufig Ihre Sprache gelobt. Wie würden Sie selbst Ihren Schreibstil beschreiben?

Caroline Ronnefeldt: Blumig, detailreich, mitunter verschachtelt und verschlungen und dadurch ein wenig altmodisch?! Ich habe an meinen Schreibstil jedenfalls einen so hohen Anspruch, wie Bullrich Schattenbart an seine Landkarten ;-))). Ein guter Sprachstil und insbesondere literarische Sprache haben mich immer fasziniert und sorgen dafür, mich in ein Buch hineinzuziehen (oder eben nicht). Der Ton, der bereits in den ersten Sätzen eines Romans angeschlagen wird, macht ja die Musik, die einen zusammen mit der Handlung an die Geschichte bindet, oder im Idealfall fesselt. Das kann stilistisch ganz unterschiedlich daherkommen, nur stimmig und konsequent sollte es sein. Ich weiß anhand der Kritiken zu meinen Quendeln, dass manche Leser meine Sprache zu umständlich finden, oder nicht die Geduld haben, sich auf einen solchen Ton einzulassen. Kann ich wirklich nachvollziehen. Ich versuche so zu schreiben, wie es meinen persönlichen Vorlieben entspricht und schleife mitunter sehr lange an jedem einzelnen Satz.

Literatopia: Mit „Villa Eichblatt“ sind bereits Kinderbücher von Ihnen erschienen. Warum spielen darin ausgerechnet Eichhörnchen die Hauptrollen? Und worauf muss man bei der Gestaltung von Kinderbüchern besonders achten?

Caroline Ronnefeldt: Von Verlagsseite durfte ich mir netterweise eine Tierart aussuchen, die nicht so häufig vorkommen sollte wie Bären und Hasen (O-Ton Lektorat). Die flinken und so niedlichen Eichhörnchen beobachte ich sehr gerne auf dem Lande in unserem Garten und habe dann noch die befreundeten Biber mit hinzugenommen, die auch nicht ständig Helden von Kinderbüchern sind. Auch bei der Gestaltung folge ich ganz konsequent meinen eigenen Neigungen und male eigentlich ein bisschen wie ich schreibe (und umgekehrt): detailverliebt, naturverbunden, mit altmodischer Gemütlichkeit der Interieurs und eigentlich der ganzen Atmosphäre. In dieser Hinsicht ist die Eichhörnchenfamilie Eilig sicherlich auch den Quendeln wesensverwandt. Zum Glück mögen viele Kinder und auch Erwachsene diese verspielten, wimmeligen Bilder, auf denen es viel zu entdecken gibt.

Literatopia: Die Hitzewelle dieses Jahr schlägt fast jedem aufs Gemüt und Sie sitzen bereits an Illustrationen für Weihnachten. Wie bringt man sich im Hochsommer dafür in Stimmung?

Caroline Ronnefeldt: Da dieser in vieler Hinsicht ja wunderschöne Sommer nun schon seit Mai andauert und insbesondere für Hamburg und den Norden mehr als untypisch ist, kann ich kein wirkliches Rezept empfehlen. Diesmal war es schon extrem und die adventlichen Motive verlangen einem so Einiges ab. Aber auch von gruseligen Herbststimmungen und düsteren Wintertagen zu schreiben, wirkt bei über 30°C im Schatten mitunter ein wenig künstlich und ich muss immer wieder prüfen, ob ich mich da stimmig und glaubwürdig ausdrücke. Zum Glück war ich immer ein guter Nachtarbeiter, aber selbst die nächtlichen Temperaturen sind ja derzeit alles andere als erfrischend. Bleibt also nur: durchhalten und einfach weitermachen bis es wieder kühler und dadurch leichter wird.

Literatopia: Was war bei Ihnen zuerst da: Die Liebe zum Wort oder zum Bild? Und wann war klar, dass Sie beides in Ihrer Arbeit verbinden wollen?

Caroline Ronnefeldt: Das habe ich schon als Kind nie trennen können und immer gleichzeitig viel gelesen und gemalt. Ich habe auch eine Zeit lang Kunstgeschichte und Illustration parallel studiert, weil ich mich nicht eindeutig zwischen Wort und Bild entscheiden konnte und in dieser Kombination eine stimmige Verbindung sah. Da es alles andere als einfach ist, einen eigenen Text bei einem Verlag unterzubringen, habe ich zunächst Texte anderer Autoren illustriert, was mir stets viel Freude gemacht hat.

Jetzt sogar eigene Bücher mit den eigenen Illustrationen bebildern zu können, ist natürlich ein besonderes Vergnügen und ein großes Glück, dass man so rundum in seine eigenen Welten eintauchen kann und dann auch wirklich alles aus einem Guss ist. Wobei einen Roman zu schreiben, wirklich etwas vollkommen anderes ist, als eine kurze Bilderbuchgeschichte, wie die um meine Eichhörnchenfamilie Eilig.

Literatopia: Wie ist es Ihnen gelungen, Ihre Leidenschaft fürs Illustrieren und Schreiben zum Beruf zu machen?

gartenglueck und sommerzauberCaroline Ronnefeldt: Ehrlich gesagt, habe ich nie ernsthaft über etwas anderes nachgedacht und insofern meine Begabungen und Vorlieben zum Beruf gemacht. Nach diesem ersten Schritt ins Ungewisse bin ich über alle Jahre, Höhen und Tiefen hartnäckig und mit aller Leidenschaft dabei geblieben. Ich glaube, man muss sich einer Sache wirklich verschreiben (eine schöne Formulierung für einen Autor ;-))), um auch in solchen Zeiten mit Hingabe dabei zu bleiben, in denen es nicht so glatt läuft und sich einem Schwierigkeiten in den Weg stellen. Was in künstlerischen Berufen ja leider nicht selten ist.

Letztlich ist es die große Freude, die mir Schreiben und Zeichnen und vor allem Bücher, auch als leidenschaftlicher Leser und bibliophiler Mensch, immer bereitet haben, die mich immer weitermachen lässt. Und mir sind zum Glück bisher nie die Ideen ausgegangen. Es ist schon eine besondere Gunst des Schicksals, seit Kindertagen quasi niemals mit dem Spielen und Geschichten erfinden aufhören zu müssen, um es mal so zu formulieren.

Literatopia: Was lesen sie persönlich gerne? Und haben Sie vielleicht ein Lieblingsbuch oder einen Lieblingsautor?

Caroline Ronnefeldt: Ich lese eigentlich so ziemlich alles, habe also kein bestimmtes Genre, das ich bevorzuge. Es kommt immer darauf an, ob mich ein Thema, eine Geschichte, die Art und Weise, wie es erzählt wird, interessiert und fasziniert. Eines meiner wichtigsten, wenn nicht DAS Lieblingsbuch ist aber ganz bestimmt Tolkiens „Der Herr der Ringe“. Eine echte Offenbarung und der verzaubernde Eintritt in eine zutiefst beeindruckende Welt. Mit vierzehn las ich es zum ersten Mal und diese Faszination hat mich nie verlassen.

Dann noch „Moby Dick“ von Herman Melville, „Jane Eyre“ von Charlotte Bronte und gerade habe ich noch einmal „Der Stein von Duncton“ von William Horwood gelesen und mich gefragt, warum dieser klassische englische Fantasyroman nicht viel, viel berühmter ist. Absolut großartig und leider in Vergessenheit geraten. Und um ein deutschsprachiges (Jugend)Buch zu nennen: „Krabat“ von Otfried Preußler, das ich immer wieder lese, ohne das es jemals etwas von seiner düsteren Sogwirkung einbüßen würde.

Literatopia: Auf Ihrer Homepage kann man einige Ihrer Naturstudien bewundern. Welche Tiere und Pflanzen zeichnen Sie besonders gerne?

Caroline Ronnefeldt: Ich zeichne sehr gerne Vögel; es ist eine echte Herausforderung und meditative Freude, sich in die komplizierten Strukturen und den Glanz eines Federkleids zu vertiefen. Ähnlich ist es mit Schmetterlingen. Im lockeren Stil, eher mit der spitzen Feder, zeichne ich aber alle Tiere gern, Katzen, Hunde, Mäuse, Wölfe, Füchse und natürlich Eichhörnchen und Biber. Pflanzenportraits erscheinen mir oft komplizierter; Rankpflanzen wie Kapuzinerkresse und Wicken machen Spaß und gelingen fast immer – ich habe aber leider noch nie eine Rose so gut hinbekommen, wie ich mir das eigentlich vorgestellt habe, wenn ich mit dem Skizzieren begonnen hatte.

Literatopia: Können Sie uns schon etwas über zukünftige Projekte verraten?

Caroline Ronnefeldt: Aktuell schreibe ich an der Fortsetzung der „Quendel“ – das wahrlich offene Ende des ersten Buches kann man ja nicht so stehen lassen und Bullrich und seine Gefährten haben noch so einiges vor sich. Der zweite Band wird im Herbst 2019 herauskommen. Außerdem habe ich einen Sagenstoff in Arbeit, der mich zu einer längeren Geschichte inspiriert hat.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!

 

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Autorenfoto: Copyright by Caroline Ronnefeldt

Autorenhomepage: www.caroline-ronnefeldt.de


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.