Verlag: Splitter-Verlag; (Juni 2018)
Gebundene Ausgabe: 96 Seiten;
ISBN-13: 978-3962191306
Genre: Drama
Klappentext
„Ich habe beschlossen, am Ende der Welt zu leben. Bei klarem Wetter glaube ich, die vagen Umrisse der Pointe du Raz zu sehen, die auf mich zukommt wie eine ausgefahrene Kralle. Weiter westlich trotzt die Ile de Sein dem unaufhörlichen Ansturm eines Meeres, das nie zur Ruhe kommt. Das dürre Rückgrat eines angeblich versunkenen Landes. Und dann die „Chaussée“ - eine Kette von Felsen, die sich bis hin zu mir erstreckt.
An ihren mörderischen Klippen sind jahrhundertelang die Schiffe zerschellt.
Ein Friedhof. Das heilige Areal des Bag Noz, des Geisterschiffs der bretonischen Legenden. Das Ruder führt der Ankou, der Bote des Todes. Ganz am Ende der Untiefe namens Basse Froide ragt 29 Meter hoch eine Säule aus den Fluten: Ar-Men. Der bretonische Name des Felsens, auf dem er erbaut wurde. Dort, angelehnt an den Ozean, habe ich mich niedergelassen.
Fernab aller Konflikte, aller Verpflichtungen. Ich bin frei. Hier ist alles an seinem Platz. Und ich bin an meinem.“
Rezension
Ar-Men, die Hölle der Höllen, der entlegenste Leuchtturm der Bretagne. Hier verrichtet Germain seinen Dienst. Zwei Wochen ist er auf dem Felsen, dann hat er eine Woche Pause, bevor es zurückgeht. Der Kontakt zur Außenwelt ist nur durch ein Funkgerät gesichert und durch die Ankunft seiner Kollegen, die wöchentlich wechseln. Der Ar-Men fordert den Männern alles ab. Denn am Ende der Welt gibt es nichts anderes als die harte Arbeit. Germain ist hier, weil er sich vom Leben abgewandt hat. Seine Tochter starb bei einem Bootsunglück und hier versucht er zu vergessen. Nur ist das viel schwieriger als gedacht. Des Nachts kommt sie zu ihm und wirkt real. Ansonsten ist das Leben im Leuchtturm auch kein Zuckerschlecken. Die Lage weit draußen im Meer setzt Ar-Men den Naturgewalten in besonderer Weise aus, wodurch der Aufenthalt zu einem Kampf auf Leben und Tod werden kann. Germain und sein Kollege Louis erfahren äußerst dunkle Stunden.
Emmanuel Lepage ist mittlerweile für seine Reisecomics bekannt. In Ar-Men widmet er sich einem neuen Thema und besucht den vielleicht härtesten Arbeitsplatz, den ein Mensch haben kann bzw. konnte, da der Ar-Men mittlerweile vollständig automatisch betrieben wird. Lepage hätte seiner bewährten Arbeitsweise folgen und seine eigenen Erlebnisse zu Papier bringen können, bei Ar-Men geht er allerdings etwas anders vor. Statt in gewohnt dokumentarischer Art zu berichten, erzählt er die Geschichte des Turms und der Männer, die dort wohnten, indem er sich auf Germain und seine Beweggründe dort zu arbeiten konzentriert. Eine gute Wahl, die Emmanuel Lepage hier trifft, denn hierdurch erreicht er eine unheimliche Tiefe in seiner Erzählung. Der von Schuldgefühlen geplagte Germain ist jemand, in den sich der Leser gut hineinversetzen kann und auf diese Weise einen Einblick in die Gefühlswelt der Leuchtturmwärter bekommt. Es wird klar, dass für diese Arbeit nur besondere Menschen in Frage kommen. Menschen die eine innere Stärke besitzen und die Einsamkeit suchen, ansonsten wäre die Einsamkeit und der tägliche Kampf mit der Natur kaum auszuhalten. Zudem haben sie alle ihre ureigenen Gründe dort zu sein. Gründe, die sie nahbarer machen und klar zeigen, dass sie trotz aller innerer Stärke ihre eigenen Probleme mit zum Turm bringen, um dort einen Weg zu finden, mit ihnen zurecht zu kommen. Germain und Louis sind dafür sehr gute Beispiele.
Zudem nutzt Emmanuel Lepage die Schuldgefühle und Visionen von Germain dazu, die Geschichte des Turmes zu erzählen und es wird deutlich, welche Opfer gebracht werden mussten, um Ar-Men zu errichten und welch großer Wille dafür notwendig war. Neben dieser Darstellung erzählt er ebenso von den Mythen der Bretagne, in denen sich zugleich die Situation Germains widerspiegelt. Aus all den Puzzlesteinen setzt sich ein dichtes Drama zusammen, welches beeindruckend von den Männern erzählt, die an einem der unwirtlichsten Orte der Welt lebten und überlebten und sich dabei selbstfanden.
Wo Emmanuel Lepage draufsteht, ist auch Emmanuel Lepage drin und das bedeutet, dass Ar-Men nicht nur eine starke Geschichte zu bieten hat, sondern vor allem auch durch seine Zeichnungen besticht. Zeichnerisch gibt es hier nichts zu bemängeln. Lepage erschafft fantastische Gemälde, die die Rauheit der See einfangen und den Leser das Salz in der Luft schmecken lassen. Seine Bilder haben eine unglaubliche Ausdruckskraft, in der er die Wildheit des Meeres einfängt. Das anbrandene Meer schlägt über den Turm zusammen und als Betrachter kann man die Schläge gegen die Mauern förmlich spüren. Gegen diese gewaltigen Momente setzt Lepage Kontrapunkte der Ruhe, die nicht minder eindringlich sind. Ar-Men ist auf allen Ebenen ein perfektes Leseerlebnis.
Fazit
Bildgewaltig und eindringlich erzählt Emmanuel Lepage die Geschichte des Leuchtturmwärters Germain, der in der Hölle der Höllen seinen Dienst tut und gleichzeitig die Geschichte des Ar-Men und die Legenden der Region. Ein wahres Meisterwerk!
Pro & Contra
+ Geschichte
+ glaubhafte Charaktere
+ eindringliche Atmosphäre
+ fantastische Bilder
Bewertung:
Charaktere: 4,5/5
Handlung: 4,5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 5/5
Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Emmanuel Lepage:
Rezension zu Weiß wie der Mond
Rezension zu Die Fahrten des Odysseus