Binti (Nnedi Okorafor)

Cross Cult (September 2018)
Originaltitel: Binti; Binti: Home; Binti: The Night Masquerade
Übersetzerin: Claudia Kern
Klappenbroschur
400 Seiten, 18,00 EUR
ISBN: 978-3-95981-653-3

Genre: Science-Fiction


Klappentext

Der Nebula-Award-Gewinner endlich in einem Band: Die Sammlung der drei Novellen BINTI: ALLEIN, BINTI: HEIMAT und BINTI: NACHTMASKERADE

Ihr Name ist Binti und sie ist die erste Himba, die jemals an der Oomza Universität, einer der beten Lehranstalten der Galaxis, angenommen wurde. Aber diese Möglichkeit wahrzunehmen bedeutet, dass sie ihren Platz innerhalb ihrer Familie aufgeben und mit Fremden zwischen den Sternen reisen muss, die weder ihre Denkweise teilen noch ihre Bräuche respektieren.

Die Welt, deren Teil sie werden möchte, hat einen langen Krieg gegen die Medusen hinter sich und Bintis Reise zwischen den Sternen lässt sie dieser Spezies näher kommen, als ihr lieb ist. Wenn Binti das Vermächtnis eines Krieges überleben will, mit dem sie nichts zu tun hatte, wird sie die Gaben ihres Volkes brauchen und die Weisheit, die sich in der Universität verbirgt – aber zuerst muss sie es bis dorthin schaffen, lebendig.


Rezension

„Binti“ ist eine Trilogie von drei Episoden aus dem Leben Bintis, einer ungewöhnlichen jungen Frau, die den Weltraum bereist und mit verschiedensten Kulturen in Kontakt kommt. Es war eine gute Entscheidung, die drei Binti-Novellen in einem Band herauszubringen, da sie teilweise sehr kurz sind (die erste umfasst weniger als hundert Seiten) und „Heimat“ und „Nachtmaskerade“ fließend ineinander übergehen. Binti ist eine außergewöhnliche Protagonistin, die sich einerseits zutiefst in der Kultur der Himba verwurzelt fühlt, aber auch nicht widerstehen kann, als sie die Zulassung für die Oomza-Universität bekommt. Sie riskiert es, zur Außenseiterin zu werden, die mit allen Traditionen ihres Volkes bricht, um auf einem lebendigen Raumschiff (Raumschiffe sind in der Science-Fiction-Welt, die Nnedi Okorafor für ihre Binti-Trilogie erschafft, genetisch manipulierte, intelligente Meerestiere, die reiselustig sind und in mit Pflanzen gefüllten Kammern in ihrem Inneren Menschen und andere von Planet zu Planet tragen) zu der Universität zu reisen.

Doch unterwegs wird ihr Raumschiff von quallenartigen Medusen attackiert. Binti wird zur Zeugin eines Massakers und erweist sich als die einzige Person, die Schlimmeres verhindern kann. In den nächsten Monaten wird sie zur Friedensstifterin, und die Eigenschaften und Ideen anderer Spezies und Kulturen werden wortwörtlich ein Teil von ihr. Doch sie wird auch immer wieder von den Erinnerungen an all die schrecklichen Dinge, die sie gesehen hat, heimgesucht. Auch weiß sie nicht, wie sie damit umgehen soll, dass ihr Tentakel aus dem Kopf wachsen, und wie sie den Fakt, dass ihre Identität als Himba ein Fundament ihrer Persönlichkeit ist, mit den neuen Aspekten ihrer Selbst und mit ihrer Frustration angesichts der altmodischen, isolationistischen Tendenzen ihres Volkes in Einklang bringen soll.

Bintis Leben ist ein Ich-packe-meinen-Koffer-Spiel der Fähigkeiten und Identitäten, und auch wenn jeder weitere Schritt auf ihrem Weg sie außergewöhnlicher und mächtiger macht, ist das doch sehr viel zu verarbeiten und droht, sie einsam zu machen. Dass Bintis neue Eigenschaften oft auch Schattenseiten haben und sie auch mal vollkommen scheitert, macht sie als Figur interessanter.

Nnedi Okorafors Geschichte hat einen sehr engen Fokus, aber berührt große Themen wie Verständigung zwischen Kulturen, die Suche nach der eigenen Identität, Freundschaft, Familie, etc. Es geht um die Geschichte der Ich-Erzählerin Binti, der jedoch mehr als einmal eine wichtige Rolle im uralten Konflikt zwischen Khoush und Medusen zufällt. Obwohl sehr wenig über die großen Strukturen des Universums erzählt wird, erahnt man auf der Grundlage der Details, die Binti beobachtet, eine schillernde, vielfältige Welt von gigantischen Ausmaßen. Es ist eine Welt voller Kontraste: Brutale Konflikte, in denen ganze Familien mal eben zu Kollateralschäden werden, existieren hier ebenso wie die Oomza-Universität, in welcher Geschöpfe verschiedenster Art friedlich zusammen lernen und forschen (auch die Universität ist in zweifelhafte Aktivitäten verstrickt, entwickelt Waffen und lagert entwendete heilige Gegenstände anderer Völker, aber die utopischen Aspekte sind zweifellos ebenfalls präsent).

Auch die Erde ist interessant geschildert. Während viele Science-Fiction-Romane eine Zukunft entwerfen, in der die Unterschiede zwischen Menschen mehr oder weniger an Bedeutung verloren haben, schildert Nnedi Okorafor Kulturen wie die der Himba, die technologische Neuerungen in ihr Leben integrieren, ohne ihre Traditionen aufzugeben. Immer wieder geht es um Vorurteile zwischen verschiedenen Kulturen. Während Binti Spott ausgesetzt ist, weil sie ihr Haar und Gesicht immer mit einer dicken Schicht rotem Lehm bedeckt, und andere erst davon überzeugen muss, dass sie keineswegs primitiv ist, muss auch sie selbst ihre eigenen Vorurteile revidieren.

Als „Harmonistin“ hat Binti Fähigkeiten, die vielleicht eine wissenschaftliche Grundlage haben, sich aber sehr wie Magie anfühlen. In ihrem Fall manifestieren sie sich darin, dass sie durch mathematische Meditation ungewöhnliche Dinge bewirken kann. Insgesamt werden Fans „harter“ Science-Fiction von dem Buch womöglich frustriert sein, da die Regeln der Welt und Technologien kaum erklärt werden und sogar etwas inkonsistent wirken, der Zugang, den man als Leser dazu hat, ist von einer Menge Staunen, aber wenig Verständnis geprägt. „Binti“ ist in einer schlichten, aber bildgewaltigen Sprache geschrieben, die Gefühle der Figuren erscheinen intensiv und nachvollziehbar.


Fazit

Nnedi Okorafors „Binti“ gibt Lesern die Chance, einen Roman zu lesen, der einer für europäische Leser ungewöhnlichen Science-Fiction-Tradition entstammt und ein schillerndes, oft beinahe magisches Universum der Zukunft erschafft, mit außergewöhnlichen Aliens, vielen Momenten, die zum Staunen einladen, und einer Heldin, die zwischen Welten, die nicht verschiedener sein könnten, auf der Suche nach sich selbst und ihrem Zuhause ist.


Pro und Contra

+ ungewöhnliche, farbenprächtig geschilderte Science-Fiction-Welt
+ Sense of Wonder
+ Auseinandersetzung mit Identität, Vorurteilen, Tradition vs. Moderne, Freundschaft, Familie, Verständigung zwischen Kulturen, etc.
+ sympathische Hauptfigur

- Aussetzung des Unglaubens erfordert manchmal sehr viel Anstrengung
- Binti erscheint manchmal zu stark, zu fähig

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3/5


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Tags: Nnedi Okorafor, Africanfuturism, Afrofuturismus, Schwarze Autor*innen, Aliens