Seidenkrieger – Die Götter von Dara (Ken Liu)

Droemer Knaur (Oktober 2018)
Originaltitel: The Wall of Storms
Übersetzerin: Katharina Naumann
Taschenbuch
480 Seiten, 10,99 EUR
ISBN: 978-3-426-51907-3

Genre: Fantasy


Klappentext

Rachsüchtige Feinde, hinterlistige Götter und ein übermächtiger Gegner.

Zehn Jahre nachdem Kuni zum Kaiser von Dara aufgestiegen ist, herrscht ein brüchiger Friede im Land. Kunis Feinde planen ihre Rache sorgfältig, die Götter sind dem Kaiser keine Stütze – und all seine Pläne geraten ins Wanken, als sich an den Grenzen des Reiches eine neue Bedrohung formiert …


Rezension

Spätestens ab der Hälfte von „Die Schwerter von Dara“ wurde deutlich, dass Ken Liu nicht in erster Linie daran gelegen ist, die Geschichte einer Rebellion zu erzählen, sondern dass sein Fokus vielmehr darauf liegt, was die „Guten“ tun, nachdem sie gewonnen haben. Zu Beginn von „Die Götter von Dara“ ist Kuni seit mehreren Jahren Kaiser und arbeitete daran, seine Vision von einem gerechteren Reich zu verwirklichen. Doch zu viele widerstreitende Interessen wollen berücksichtigt werden und unter der harmonischen Oberfläche des Hofes und an verschiedenen Orten auf den Inseln brodeln Konflikte.

Da sind unter anderem zwei gestürzte Kleinkönige, die sich an dem neuen Kaiser rächen wollen – allerdings sind sie keine fähigen, charismatischen Gegner und wirken ein wenig, als diene ihre Präsenz vor allem dazu, mehr Action ins Buch zu bringen. Doch während sie und ihre Anhänger nach den Waffen greifen, werden andere Kämpfe auf subtilere Weise aufgetragen. Bei einem von ihnen geht es um Kunis Nachfolge. Sein ältester Sohn Timu ist lerneifrig und prinzipienfest, aber ihm fehlen der Charme und die geistige Flexibilität seines Vaters. Sein jüngerer Bruder Phyro hat letztere Eigenschaften, aber nicht die Besonnenheit, die er als Herrscher brauchen würde. Théra, die Schwester der beiden, wäre die beste Kandidatin, doch auch wenn während des Krieges Frauen wie die Strategin Gin aufsteigen konnten und ihnen nun theoretisch Beamtenlaufbahnen offenstehen, ist nicht klar, ob der Adel der Inseln eine Kaiserin akzeptieren würde.

Hinter Timu steht dessen Mutter Jia, die ihren Sohn um jeden Preis auf dem Thron sehen will – geleitet von einer ganz eigenen Vision für die Zukunft des Reiches, für die sie ihre eigene moralische Integrität und das Leben vieler Menschen aufs Spiel setzt. Sie ist nur eine von vielen Figuren, deren Handlungen von dem Wunsch bestimmt werden, das Richtige zu tun. Auch Kuni hat das Wohl seines Volkes nie aus den Augen verloren und ehrgeizige Pläne für die Zukunft, und die hochbegabte Gelehrte Zomi, deren außergewöhnlicher Lebensweg sie von einer Fischerhütte in den Palast geführt hat, nimmt mit einer Menge wütendem Stolz den Kampf gegen die strukturellen Ungerechtigkeiten im Land auf.

In „Die Götter von Dara“ werden durch Figuren und Handlung Ideen wie kulturelle Vorurteile, die möglichen Vor- und Nachteile positiver Diskriminierung, verschiedene wissenschaftliche Paradigmen, festgefügte historische Narrative, Handlungsanreize mit unerwarteten Effekten und die Schaffung und Stabilisierung von Institutionen präsentiert und diskutiert. Teilweise treten die Charaktere beinahe dahinter zurück, denn auch wenn durchaus sympathische und spannende Figuren auftreten und sich entwickeln, scheint der Roman primär eine Reflektion über die Herausforderung gerechten Herrschens zu sein.

Die Sprache des Buches liest sich angenehm und viele Figuren sind überwiegend positiv gezeichnet (manchmal sogar ein wenig zu fähig und zu gut). Dennoch lassen sie sich teilweise manipulieren und Liu zeigt auch, wie sympathische Menschen mit guten Absichten jäh auf verschiedenen Seiten eines Konflikts landen können. Vereinzelt gibt es dramatische Schilderungen der tödlichen Konsequenzen, die die Arroganz der Mächtigen haben kann, und am Ende auch einen Kampf, aber es ist eindeutig ein Roman über unterschwellige Auseinandersetzungen und die Konkurrenz von Ideen.


Fazit

Mit „Die Götter von Dara“ verfolgt Ken Liu die Frage weiter, wie sich nach einer erfolgreichen Revolution ein gerechteres Land errichten lässt – und zeigt mit seinem ruhigen, nachdenklichen Roman, vor welche großen Herausforderungen das seine Figuren stellt. „Die Götter von Dara“ ist vielleicht nicht das richtige Buch für Fans actionreicher Fantasy und einige der Ideen, die diskutiert werden, dürften einigen Lesern recht vertraut erscheinen, aber ich habe die Frage, wie man gute, effektive Politik macht, in einem Fantasyroman selten so ausgiebig erkundet gesehen.


Pro und Contra

+ einige sehr einprägsame Charaktere
+ nette Worldbuilding-Details, asiatisches Flair
+ ausgiebige und differenzierte Auseinandersetzung mit Politik und Wissenschaft
+ flüssiger, angenehmer Schreibstil

o theoretische Diskussionen schieben sich manchmal sehr in den Vordergrund
o wenig Action und offener Konflikt

- Handlung wirkt manchmal eher ziellos

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


Rezension zu „Die Schwerter von Dara” (Bd.1)