Knaur HC (September 2018)
Klappbroschur
592 Seiten, 16,99€
ISBN: 978-3426654491
Genre: Fantasy
Klappentext
Sechs unberechenbare Außenseiter – ein unerreichtes Ziel: Rache!
Kaz Brekker und seinen Krähen ist ein derart spektakulärer Coup gelungen, dass sie selbst nicht auf ihr Überleben gewettet hätten. Statt der versprochenen fürstlichen Belohnung erwartet sie jedoch bitterer Verrat, als sie nach Ketterdam zurückkehren. Haarscharf kommen die Krähen mit dem Leben davon, Kaz' Geliebte Inej gerät in Gefangenschaft. Doch Kaz trägt seinen Spitznamen »Dirtyhands« nicht ohne Grund – von jetzt an ist ihm kein Deal zu schmutzig und kein Risiko zu groß, um Inej zu befreien und seinen betrügerischen Erzfeind Pekka Rollins zu vernichten.
Rezension
Nur eine Woche ist es her, seit Kaz Brekker und seine illustre Truppe von Kriminellen das Eistribunal überwunden haben und hintergangen wurden. Nicht nur wurden sie um die 30 Millionen Krugge gebracht, Van Eck hat auch noch Inej, das Phantom, gefangen genommen und hält sie irgendwo versteckt. Aber Brekkers Stolz ist verletzt und sein gewieftes Hirn brütet bereits an einem Racheplan, dessen Zahnräder sich bereits in Gang gesetzt haben. Doch bald stehen die Freunde nicht nur Van Eck gegenüber, sondern ganzen Städten ganzen Saaten und das Wasser steht ihnen bis zum Halse. Alle sind sie auf der Suche nach Kuwei Yul-Bo, der einzige Mensch der weiß, wie man Jurda Parem herstellt, die Droge, die aus den Kräften der Grisha gottgleiche Mächte macht. Wird die Droge besitzt, könnte über die ganze Welt herrschen.
„Das Lied der Krähen“ ist ein Hingucker, „Das Gold der Krähen“ sieht sogar noch besser aus. Die finstere Aufmachung vom Vorgänger wird ersetzt durch ein strahlendes Gelb-Orange. Wieder also eine wundervolle Optik. Und erneut kann der Inhalt mit der Verpackung mithalten. Band 2 setzt nur wenige Tage nach den Ereignissen des ersten Bandes ein und setzt diesen auch als gelesen voraus. Es wäre zwar möglich dem Inhalt zu folgen, da er eigenständig funktioniert, aber wer die Personen wirklich sind, was sie erlebt haben und was sie nun ausmacht, kann man sich nur schwer zusammenreimen. Leigh Bardugo verschwendet kaum Zeit darauf, in dem Roman einen Schlenker zurückzumachen. Damit ähnelt die Aufteilung eher der von „Der Herr der Ringe“ als „Harry Potter“.
Fast Food Fantasy die Zweite
Im Prinzip ließe sich die Rezension zu „ Das Lied der Krähen“ mit Copy-Paste hier einfügen und lediglich der Titel ändern, und es würde beinahe perfekt passen. Dieselbe Erfolgsformel einer Blockbusterproduktion, dieselbe Fähigkeit den Leser bei der Stange zu halten. Die Umsetzung sympathischer Charaktere mit kleinen und großen Macken. Ein gutes Verhältnis zwischen Action, Humor und Tragik
Dafür auch derselbe Nachteil: jedes Element kann man einem der aktuelleren, populären Filme zuordnen. Die „X-Men“ Filme, „Ocean‘s Eleven“, „Suicide Squad“ und „Mission Impossible“ auch dieses Mal merkt man sehr stark die Präsenz der Kinohits. Die Gewichtung hat sich aber verschoben. „Das Gold der Krähen“ geht einen weniger opulenten Weg. Keine große Reise zu einem Art Alcatraz, aus dem ein Ausbruch (vermeintlich) unmöglich ist. Dieses Mal gleichen die Szenen teils einem Kammerspiel. Kleine Räume und enge Gassen, in denen man sich versteckt, und das Schleichen durch Schatten dominieren, ebenso wie das Ränkeschmieden im Hintergrund. Der Coup ist auch viel komplexer und undurchschaubarer, als beim letzten Mal. Die bemängelt Vorhersehbarkeit des Vorgängers ist hier bei weitem nicht so tragend. In Summe: mehr Ocean’s Eleven, weniger X-Men.
Zitat aus der Rezension zu Band 1: “Alle „guten“ Figuren bekommen genug Backstory, um nicht zu flach zu wirken. Sie bekommen eine nachvollziehbare, meist tragische Motivation für ihre Taten, damit man ein Verständnis für sie entwickelt, selbst wenn sie „Böses“ tun. Die „Bösen“ hingegen bekommen einen „menschlichen“ Faktor, um einen kleinen Raum für Verständnis für sie frei zu machen.“ Irgendwie ist das in Band 2 nicht der Fall. Bardugo setzt auf das bewährte und nutzt die Zeit, in denen die Figuren unterwegs sind und in sich gehen, um in die Vergangenheit der Charakter zu blicken. Die Charaktere, die einem in „Lied“ bereits nähergebracht wurden, rutschen ein wenig in den Hintergrund, und dafür nimmt sie sich mehr Zeit für die Nebenfiguren, auf denen der Fokus bisher weniger lag. Dabei entlockt sie den Figuren wie Wylan und Jesper aber leider keine besondere weitere Dimension. Sie werden mehr vertieft und ihr Handeln wird legitimiert, aber nicht noch interessanter wie z.B. Inej und Kaz. Auch Van Eck bleibt etwas farblos, da er eben doch „nur“ der Böse ist. Mit keiner Offenbarung über seine Vergangenheit, wird er menschlicher oder irgendwie nachvollziehbarer für den Leser. Er ist ein gerissener und ernst zunehmender Gegner, aber eine weitere Facette hätte nicht geschadet. Pekka Rollins hingegen ist ein sehr gut gezeichneter Antagonist.
Ein weiteres, wiederkehrendes Manko ist das Thema: Leser-Zielgruppe und das Alter der Protagonisten. Band 1 hatte das – wenn auch eher kleine – Problem, dass die Figuren sehr erwachsen handeln, der älteste Protagonist aber gerade einmal 18 Jahre alt ist. Man hatte stark das Gefühl, dass die Charaktere künstlich jünger gemacht wurden, um den Markt der Young-Adults auch wirklich zu erreichen. Band 2 bringt allerdings ein Element ins Spiel, das gerne in Sequals genutzt wird: Eltern. Diversen Kind-Eltern-Beziehungen wird einiges an Raum gewährt, was dazu führt, dass die Figuren tatsächlich viel jünger wirken, als zuvor. Zwar glaubt man nun das junge Alter, dafür sind manche erwachsenen Handlungen schwer zu glauben - besonders im Rückblick. Ältere Leser werden sich vermutlich im ersten Band eher wiederfinden, jüngere im zweiten.
Alles in allem ist „Das Gold der Krähen“ nicht ganz so gut, wie es der erste Band war. Teilweise etwas zu sehr undurchschaubar und inhaltlich – aber auch sprachlich – verstrickt, um eine mehr oder minder überraschende Wendung aufzubauen. Auch der Fokus auf Jesper und Wylan sind nicht so glorreich, da Kaz und Inej oder auch Nina viel interessantere Charaktere sind. Aber das sind lediglich Abzüge in der B-Note. Den Leser erwartet dennoch wieder allerfeinste Action-Fantasykost, die mit einer schönen Sprache und einer tollen Charakterzeichnung auftrumpft. Nur, dass sich dieses Mal mehr auf den Umsetzung des Plans und Hinterlist konzentriert wird als auf die große Action.
Fazit
Erneut liefert Leigh Bardugo einen mitreißenden Fantasyroman ab. Ketterdam ist die spannendste und lebendigste Stadt seit Scott Lynchs „Camorr“. Wer „Das Lied der Krähen“ mochte, wird auch an „Das Gold der Krähen“ große Freude haben.
Pro und Contra
+ Aufmachung des Buchs
+ Spannend und mitreißend
+ schöne, einfache Sprache
+ gute eingeflochtene Rückblenden für die Charakterzeichnung
- stellenweise etwas zäh
- es stehen die falschen Figuren im Fokus
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4,5/5
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