Flavia de Luce - Der Tod sitzt mit im Boot (Alan Bradley)

flavia9 2

Penhaligon (Juni 2018)
Hardcover
352 Seiten, 18,00€
ISBN: 978-3764531140

Genre: Krimi


Klappentext

Ein Mord macht noch keinen Sommer …

Es ist ein heißer Sommer in England, und um die leeren Tage zu füllen, organisiert der treue Diener Dogger einen Bootsausflug für Flavia und ihre Schwestern. Träge liegt Flavia an Bord und lässt ihre Hand ins kühle Wasser baumeln, da hat sie plötzlich eine Leiche am Haken beziehungsweise am Finger. Der tote Mann ist in blaue Seide gehüllt und trägt einen einzelnen roten Ballettschuh. Doch dies ist nicht der einzige mysteriöse Todesfall. Unweit vom Fundort der Leiche mussten vor einiger Zeit drei Klatschtanten in der ortsansässigen Kirche ebenfalls dran glauben. Flavias Spürnase läuft zur Hochform auf, denn die kleine Hobbydetektivin muss nicht nur eine Vielzahl verwirrender Hinweise entschlüsseln, sondern auch ihre Schwestern vor einer großen Gefahr beschützen.


Rezension

Flavias Vater war erkrankt und starb an Weihnachten. Ihr Haus und Heim, Buckshaw, gehört nun ihr, was aber nicht bedeutet, dass ihr niemand reinredet. Immerhin ist sie erst zwölf und muss sich vor den Argusaugen ihrer Tanta Felicity in Deckung nehmen. Immerhin ignorieren sie ihre Schwestern. Daphne versinkt in ihren Büchern und Ophelia schmollt, denn wegen der vorgegebene Trauerzeit musste sie ihre Hochzeit mit Dieter verschieben. Zum Glück gibt es den guten Dogger, der eine kleine Auszeit vorschlägt. Eine Ruderbootstour auf der Themse soll sie alle auf andere Gedanken bringen. Als Flavia meint, mit bloßen Händen einen Fisch gefangen zu haben, zieht sie eine Leiche aus dem Wasser.

Man muss schon positiv hervorheben, dass jeder Flavia-Teil immer genau die Probleme zu beheben versucht, die der Vorgängerband mit sich brachte. Als Flavias Ausflug nach Kanada in Band 7 für Enttäuschung sorgte, wurde er mehr oder minder in Band 8 unter den Teppich gekehrt. Dafür fühlte sich der achte Fall zu konstruiert und zufallsgelenkt an. Der neuste Band „Der Tod sitzt mit im Boot“ nimmt sich das zu Herzen und präsentiert einen schwer zu knackenden aber dennoch unverworrenen Fall.
Er beginnt wie so ziemlich jeder zuvor sehr unwahrscheinlich. Man könnte es schon als Running-Gag bezeichnen, denn es hätte andere Möglichkeiten gegeben Flavia mit der Leiche in Kontakt zu bringen. Alan Bradley aber lässt Flavia mit ihrer Hand eine Leiche am Oberkiefer mitten aus dem Fluss fischen. Diese Zufälle gleichen inzwischen eher einem Muster, als der Unfähigkeit diese Zufälle zu vermeiden. Geschenkt.
Für den weiteren Verlauf verzichtet Bradley aber weitgehend auf Zufälle – besonders im Vergleich mit dem Vorgänger. Stattdessen entfaltet er die Hintergründe des Toten auf sehr spannende und schwer zu durchschauende Weise. Es fehlen auch der obligatorische Hauptverdächtige, der den Leser in die falsche Richtung lenkt bis zur überraschenden Auflösung. Vielmehr könnte jeder der Täter sein, aber womöglich ist auch niemand der Täter? Damit es dem Leser nicht zu einfach gemacht wird, spielt auch eine längst vergangener Mord des Dorfes eine Rolle, der vermeintlich mit der Leiche in Verbindung steht: Der „Giftpfaffe“ hatte einst „Die Grazien“ mit dem Messwein vergiftet.

Was wäre Flavia ohne seine Heldin Flavia? Und auch im neunten Fall fährt sie zu Hochtouren auf und erinnert daran, warum man ihr nun seit acht Jahren über die Schulter schaut. Noch erfreulicher ist, das der stille Leserliebling, Dogger, von seiner einstigen Nebenrolle, zu einer Art Sidekick aufgestiegen ist. Der Kriegsveteran, dessen Vergangenheit immer wieder emotional an die Oberfläche aufsteigt, ist ein treuer Freund und Beschützer, der jungen Ermittlerin. Viel mehr noch trägt er sehr viel zur Auflösung des Falls bei. Der Fokus bleibt auf Flavia, aber Bradley vergisst nie, dass ihre zwölf Lebensjahre und ihr beeindruckendes Wissen über Chemie, sie nicht zu einer allwissenden Ermittlerin machen dürfen, wenn sie realistisch rüberkommen soll. Mit Dogger an ihrer Seite muten sie zusammen wie Sherlock Holmes und Dr. Watson an.
Die Undurchschaubarkeit des Falls ist auch den wieder einmal sehr gut gelungenen Nebenfiguren geschuldet. Die Vielfallt der Charaktere, die Flavia unter die Lupe nehmen muss, ist groß und wundervoll diverse und exzentrisch, was an alte Schwarz-Weiß Filme nach Agatha Christie erinnert. Keine ist eindimensional und nur Mittel zum Zweck, sondern alle haben eine Vergangenheit, die ihnen ein potentielles und nachvollziehbares Motiv gibt. Gleichzeitig sind sie liebenswürdig menschlich, was es wiederum schwer macht, ihnen einen Mord zuzutrauen. Der Tote selbst ist, wie eigentlich immer in der Flavia-Büchern, eine tragische weil menschliche Figur, weshalb das bruchstückhafte Zusammensetzen des vergangenen Lebens einem nahe geht.


Fazit

„Der Tod sitzt mit im Boot“ reiht sich nach einer kleinen Erholungsphase wieder ganz oben zu den besten Teilen ein. Ein durchdachter und sehr menschlicher Fall, eine wundervoll aufgelegte Flavia und ebenso gut herausgearbeitete Nebenfiguren, machen den neunten Band zu einem großen Vergnügen.


Pro und Contra

+ Flavia de Luce
+ liebgewordenen Nebencharaktere bekommen die verdiente Aufmerksamkeit
+ tolle Sprache
+ sanfter, britischer Humor
- einige kleine Zufälle

Wertung:sterne4.5

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5


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