Sternenbrand I - Blind (Annette Juretzki)

Blind

Traumtänzer Verlag (Juli 2017)
Covergestaltung: Yvonne Less
Taschenbuch, 491 Seiten, 13,95 EUR

ISBN: 978-3-947031-06-1

Genre: Space Opera


Klappentext

Ist es ein Leben zwischen den Sternen wert, fast dafür zu sterben?

Söldner landen auf Xenens rückständigem Planeten und so charmant ihr Anführer Jonas Brand auch sein mag, so kompromisslos ist er bei seinen Zielen. Als eine friedliche Verhandlung scheitert, findet sich Xenen schwerverletzt auf ihrem Raumschiff wieder – was ihm ziemlich schnell besser gefällt, als gut für ihn ist. Seine Neugierde treibt ihn in immer größere Gefahren, vor denen ihn auch der Außerirdische Zeyn nicht schützen kann. Selbst als ein Attentäter nach seinem Leben trachtet, wählt Xenen Freiheit über Sicherheit. Aber warum wünscht ein völlig Fremder seinen Tod?

Und welches Geheimnis umgibt seinen Heimatplaneten? Manche Antworten wiegen Jahrhunderte schwer …


Rezension

Als Waise wächst Xenen in einem Kloster auf, in Obhut eines sogenannten Avatars, einem Vertreter der Götter. Sein Weltbild wird jedoch schwer erschüttert, als eines Tages fremde Menschen mit einem Raumschiff landen. Begleitet von bedrohlichen Außerirdischen. Sie suchen nach etwas und gehen dabei nicht zimperlich vor. Xenens Begabung, schnell Sprachen zu lernen, ermöglicht eine Kommunikation mit den Fremden, wobei Anführer Jonas Xenens Interesse weckt. Dieses nutzt Jonas auch gleich schamlos aus, um an Informationen über die Götter zu gelangen, die er als bösartige Aliens (Phantome) entlarvt, die die ganze Galaxie ins Chaos gestürzt haben. Als es zu einem tragischen Unfall kommt, findet sich Xenen an Bord der Keora wieder. Obwohl Jonas ihn benutzt hat, fühlt er sich weiterhin zu ihm hingezogen – und er will auf diesem wundersamen Raumschiff bleiben, um andere Planeten und Sterne zu entdecken …

“Blind“ ist der Auftakt der queeren Space Opera „Sternenbrand“ und spielt, abgesehen von den Szenen auf Xenens Heimatplaneten und einem kurzen Ausflug, ausschließlich auf der Keora, wo Menschen und viele andere Spezies in stetem Streit zusammenleben. Seit die Phantome das einstige Sternenreich angegriffen und fast ausgelöscht haben, ist die Allianz zwischen den verbliebenen Planeten brüchig. Insbesondere die Menschen hegen Vorurteile gegenüber den „Aliens“ und andersherum sieht es kaum besser aus. Dieser Konflikt zeigt sich auf persönlicher Ebene zwischen Jonas, dem Kapitän der Keora, und dem Ghitaner Zeyn, der als Yrd Ktador eigentlich Jonas zur Seite stehen sollte. Doch die beiden liegen im Dauerclinch miteinander. Dass beide an dem naiven und fröhlichen Xenen interessiert sind, macht die Situation noch komplizierter und explosiver.

Ein wenig erinnert „Sternenbrand“ an „The Orville“, wo der Fokus ebenfalls auf den vielfältigen Beziehungen zwischen den Besatzungsmitgliedern liegt. Dabei dienen die SF-Elemente hier nur als Rahmen für eine Soap Opera, in der Xenen zum Spielball zweier Männer wird und meist aus Enttäuschung Trost beim jeweils anderen sucht. Eigentlich ist Xenen ein sehr sympathischer, liebenswerter junger Mann, der abseits der Allianz auf einem bisher unentdeckten Planeten aufgewachsen ist. Er betrachtet die Galaxie und ihre vielen Spezies mit kindlichen Augen und behält trotz aller Gefahren und sogar Mordanschläge seine Begeisterung für alles Neue. Leider handelt er bei Jonas und Zeyn meist impulsiv und stolpert aus Enttäuschung und Verletztheit von einem zum anderen.

Jonas als Ktador der Keora hat einen schweren Stand, da die meisten Mitglieder seiner Mannschaft Söldner sind und auf der Mission für ihren Geschmack zu wenig Blut fließt. Da es keine Piraten oder gar Phantome zu bekämpfen gibt, gehen sie sich gegenseitig an die Kehle. Vorurteile führen zu handfesten Auseinandersetzungen und nicht nur einmal landet jemand in einer Zelle. Jonas macht als Anführer keine besonders gute Figur, da er mit Zeyn permanent streitet und mit den aus seiner Sicht Außerirdischen auf seinem Schiff nicht gut umgehen kann. Er nimmt zu wenig Rücksicht auf die Unterschiede zwischen den Spezies und obwohl er versucht, alle gleich zu behandeln, scheitert er an seinen eigenen Vorurteilen. Dass er Xenen benutzt, bringt ihm zudem Minuspunkte beim Leser ein.

Der Ghitaner Zeyn ist der interessanteste Charakter des Romans, der als „Alien“ viele Besonderheiten mitbringt. Optisch erscheint er Xenen mit seinem Exoskelett aus Knochenplatten und –wirbeln zuerst als ein Monstrum, doch Zeyn erweist sich schnell als empathisch und offen, sodass sich die beiden Männer schnell anfreunden. Allerdings hat Zeyn als Ghitaner seine Emotionen schwer unter Kontrolle und neigt zu spontanen Ausrastern, zudem irritiert er Xenen mit seiner Direktheit, auch in sexueller Hinsicht. Für die „Aliens“ an Bord ist Zeyn die Bezugsperson und auch wenn er oftmals überreagiert, so ist man als Leser doch verwundert, dass der Streit mit Jonas kein Ende findet. Es ist klar, dass die beiden zusammen viel mehr bewegen könnten, doch sie ergehen sich lieber in ihrem Kleinkrieg, statt zusammenzuarbeiten. Im zweiten Band „Blau“ ändert sich das hoffentlich, denn nach knapp fünfhundert Seiten ist man als Leser der Streiterei überdrüssig. Gerne hätte man auch mehr über die anderen Alienspezies und ihre positiven Beziehungen zu Menschen (die es wohl durchaus gibt) erfahren.

Die permanenten Konflikte zwischen den Besatzungsmitgliedern lassen den durchaus spannenden SF-Hintergrund verschwimmen. Zwischenzeitlich gerät fast in Vergessenheit, dass die Keora eigentlich etwas über die Phantome herausfinden soll. Es wird nämlich befürchtet, dass die Angreifer zurückkehren und noch größeren Schaden anrichten. Jonas und seine Crew ahnen dabei nicht, dass sie einem schrecklichen Geheimnis auf der Spur sind, das den Frieden ernsthaft gefährden könnte. Erst zum Ende hin erfährt man mehr über den damaligen Krieg und diese Informationen haben das Potential, einen neuen, noch größeren Krieg heraufzubeschwören. Und was tut die Crew der Keora? Ja, sie streitet weiter und hat nun noch mehr Gründe, einander zu hassen.


Fazit

In ”Blind“ fliegen die Fetzen. Der Roman lebt von den zahlreichen Konflikten zwischen den Besatzungsmitgliedern und dem Wetteifern um Xenen, der mit seiner naiven Begeisterung die Sympathie der Leser gewinnt. Der permanente Streit nimmt jedoch so viel Raum ein, dass die interessanten Alienspezies und die Geheimnisse um den verheerenden Krieg gegen die Phantome zu stark in den Hintergrund geraten.


Pro und Contra

+ Xenen und seine positive, liebenswert naive Art
+ Zeyns emotionaler Kern unter dem verknöcherten Exoskelett
+ interessantes Setting nach einem galaktischen Krieg
+ Alienspezies mit kulturellen Eigenheiten
+ eignet sich gut für Leser, die nur ein bisschen SF als Hintergrund möchten

o mehr Soap Opera als Space Opera
o sehr dialoglastig

- zu viel Streit und unnötige Eskalation
- die Menschen wirken größtenteils ignorant und rassistisch
- Jonas macht als Anführer eine schlechte Figur

Wertung: sterne3.5

Handlung: 3/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3/5


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Tags: Space Opera, Annette Juretzki, SF-Autorinnen, queere Figuren, deutschsprachige SF, Aliens