Edition Roter Drache (2017)
Softcover, 412 Seiten, 16,95 EUR
ISBN: 978-3-946425-36-6
Genre: Steamfantasy
Klappentext
Ein neues Zeitalter ist angebrochen – aber die dunkle Magie der Vergangenheit kehrt zurück!
Dampfkraft und die genialen Maschinen der zwergischen Erfinder haben die Welt unwiderruflich verändert. Magie gilt als Relikt einer Zeit, in der Zauberei und Religion Werkzeuge der Unterdrückung waren. Deshalb ist es dem jungen Uhrmacher Drúdir nahezu unmöglich, seine magische Begabung zu akzeptieren. Doch als sein bester Freund ermordet wird, kann er nicht tatenlos bleiben.
Die Suche nach der Wahrheit führt ihn in die unterirdische Seestadt Schwarzspiegel. Dort begegnet er unerwarteten Verbündeten und entdeckt, wie fragil der innere Frieden der neugegründeten Zwergenrepublik ist. Seine Ermittlungen bringen ihn auf die Spur einer Verschwörung, die die Freiheit aller bedroht. Drúdir muss in eine Welt der Geheimnisse, Intrigen und Gewalt eintauchen, um das Unheil abzuwenden …
Rezension
Das Zeitalter der Magie scheint vorrüber und die technisch versierten Zwerge erleben eine industrielle Revolution, die ihnen Wohlstand und Einheit beschert, aber auch Begehrlichkeiten und Argwohn bei Elfen und Menschen weckt. Nichts fürchten die Zwerge mehr, als dass die Magie zurückkehrt und ihren Fortschritt zunichtemacht. Entsprechend ist Drúdir als Nekromant ein Außenseiter, der seine magischen Fähigkeiten verbergen muss. Er kann die Erinnerungen kürzlich Verstorbener aus deren Seelenscherben lesen und hasst sein Talent, dessen Anwendung ihn zutiefst verstört. Doch als sein Lehrmeister Fragar getötet wird, begibt sich Drúdir auf die Suche nach dem Mörder. Dabei steht ihm Ermittlerin Findra zur Seite, die neugierig wird, als der Mord vertuscht werden soll. Auch Zeitungsschreiberin Svalris bemerkt, dass etwas in der zwergischen Union vorgeht und stellt Nachforschungen an, ebenso wie zwei Elfenspione, die einen Krieg abwenden wollen …
“Drúdir – Dampf und Magie“ spielt quasi in einer High-Fantasy-Welt mit Zwergen und Elfen, welche jedoch durch technologischen Fortschritt in eine Steampunk-Welt übergeht. Es gibt Dampfmaschinen und sogar Elektrizität. Die Stämme der Zwerge haben sich zu einer Art demokratischem Staat zusammengeschlossen, dessen Parteien mit einem wachsenden Nationalismus zu kämpfen haben. In diesen unruhigen Zeiten ist ein magisch begabter Zwerg wie Drúdir eine Bedrohung, noch dazu ist er ein Nekromant, was Abscheu und Angst hervorruft. Der mürrische Drúdir lebt daher zurückgezogen und meidet soziale Kontakte. Bei der Suche nach Fragars Mörder ist er jedoch auf Unterstützung angewiesen und nach anfänglicher Ablehnung empfindet er Respekt für die hartnäckige und kluge Findra. Leider rückt die Ermittlerin in der zweiten Romanhälfte zunehmend in den Hintergrund.
Svalris wird von ihrer Neugier getrieben. Die junge Frau gibt mit dem Nachtspiegel bereits ihre eigene Zeitung heraus und ist stets politischen und gesellschaftlichen Skandalen auf der Spur. Doch dieses Mal wagt sie sich zu weit vor und wird in Ereignisse verstrickt, die ihr Leben bedrohen. Sympathisch an Svalris ist, dass sie familiär eigentlich über gewissen Einfluss verfügt, jedoch stur ihren eigenen Weg geht. Die beiden Elfen, die in der zwergischen Union spionieren, sind so gar nicht wie die Lichtgestalten, die man kennt. Sie sind geschickte und brutale Kämpfer und vernichten skrupellos jeden, der das Reich ihrer Königin bedroht. Kyrai und Phandrael sind zwei düstere Charaktere, die eine zerrissen zwischen zwei mächtigen Familien und der andere mit einer morbiden Faszination für Zerstörung. Im Vergleich zu den Zwergen sind sie weniger authentisch, ähnlich wie die Automate, bei der man lange nicht weiß, ob Feind oder Freund. Dieses magisch-technische Wesen hätte man gerne näher kennenlernt und der angedeutete Konflikt mit ihrer eigenen Lebendigkeit hätte weiter ausgebaut werden können.
Für den Einstieg in die Welt von „Drúdir“ muss man ein wenig Geduld mitbringen, denn Swantje Niemann nimmt sich viel Zeit, um ihre Charaktere vorzustellen. Da es relativ viele handlungsrelevante Personen gibt, zieht sich diese Vorstellung über das erste Drittel des Romans hin. Dann nimmt die Geschichte spürbar an Fahrt auf und als die Charaktere nach und nach zu einer eigenwilligen Truppe zusammenfinden, überrascht die Autorin mit gelungenen Wendungen und es kommt ordentlich Spannung auf. Diese flaut in der zweiten Hälfte wieder etwas ab und das Finale stellt nicht den Höhepunkt dar, der es eigentlich sein sollte. Dafür wird umso deutlicher, dass „Dampf und Magie“ ein Auftaktband ist, der seine Handlung zwar abschließt, aber viele Fragen offen lässt.
Was „Drúdir“ vor allem auszeichnet, ist der faszinierende Weltentwurf mit einem demokratischen Zwergenreich, das ähnlich wie die Weimarer Republik fragil und angreifbar ist (auch wenn es deutlich weniger Parteien gibt). Die Nationalisten träumen von Krieg und Eroberung, während die Liberalen einen ungehemmten Kapitalismus anstreben, Rückwärtsgewandte nach der Monarchie schreien und die GUU (Gerechte Umverteilung Unionweit, also quasi eine Art SPD) versucht, den Laden irgendwie zusammenzuhalten. Da steckt gewaltig viel Sprengstoff in dem jungen Zwergenstaat, wobei es in „Dampf und Magie“ bisher nur im Hinter- und Untergrund brodelt.
Wie der Titel verspricht, ist Drúdirs Welt tatsächlich von Dampf und Magie geprägt, auch wenn letztere unter den Zwergen verachtet wird. Doch nach wie vor gibt es sie, die magisch talentierten Zwerge, die im Geheimen ihre Kräfte erforschen. Hinzu kommen die Elfen, die weiterhin an der Magie festhalten. Leider erhält man in das Reich der Elfenkönigin bisher nur wenige Einblicke. Besonders atmosphärisch ist die Stadt Schwarzspiegel, in der ein großer Teil der Handlung spielt. Sie erinnert an ein zwergisches Venedig unter dem Berg, an einem unterirdischen See gelegen und durchzogen von Kanälen. Garniert mit dem Flair der Industrialisierung kann man sich an Schwarzspiegel kaum sattsehen. Schade, dass ein besonderes Fest in dieser faszinierenden Stadt in der Erzählung zu kurz kommt.
Fazit
”Drúdir – Dampf und Magie“ lebt vom Flair der Industriellen Revolution und der morbiden Magie, die die noch junge Demokratie der Zwergenunion gefährdet. Drúdir und seine Freunde kommen einer finsteren Verschwörung auf die Schliche und bieten ihren Feinden teils mit Geschick, Kampfkunst und Köpfchen, teils aber auch mit schierem Glück die Stirn.
Pro und Contra
+ Konzept eines demokratischen Zwergenstaats, ähnlich der Weimarer Republik
+ Flair der Industriellen Revolution
+ Steampunk und Fantasy verschmelzen zu einer faszinierenden Welt
+ Drúdir entwickelt sich spürbar weiter
+ Findra und Svalris sind eigenwillige, sympathische Charaktere
+ spannender Mittelteil mit Überraschungen
- Findra gerät zum Ende hin zu sehr in den Hintergrund
- die Automate hätte besser ausgearbeitet werden können
- Finale zu knapp und unglaubwürdig
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5
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