Der nasse Fisch (Arne Jysch, Volker Kutscher)

Verlag: Carlsen (Oktober 2018)
Gebundene Ausgabe: 224 Seiten; 20 €
ISBN-13: 978-3551785909

Genre: Krimi


Klappentext

Berlin 1929 – ein Tanz auf dem Vulkan! Ökonomie, Kultur, Politik – alles befindet sich in radikalem Wandel. Nicht nur die Kultur, sondern auch das organisierte Verbrechen blüht und die politischen Spannungen wachsen. Als der ehrgeizige junge Kommissar Gereon Rath auf eigene Faust ermittelt, gerät er in einen Sumpf aus Drogenhandel, Korruption und Politik.
Arne Jysch adaptiert den gleichnamigen Kriminalroman von Volker Kutscher und zeichnet dabei ein atmosphärisch dichtes Bild Berlins in den Zwanzigerjahren.


Rezension

Gereon Rath kommt 1929 von Köln nach Berlin, in eine Stadt, die voller Widersprüche ist und in der das Leben förmlich pulsiert. Rath tritt seine neue Stelle bei der Sitte an und bekommt Bruno Wolter, genannt der Onkel, als Partner zugewiesen ist. Der ist ein alter Kriegsveteran, der an die alten soldatischen Ideale fest glaubt und auch mal härter durchgreift und Grenzen überschreitet. Rath hingegen will unbedingt zur Mordkommission unter der Leitung des berühmten Ernst Gennat. Der Weg dorthin ist nicht leicht, denn dafür müsste er mehr zu bieten haben. Seine Gelegenheit kommt schnell.
An einem seiner ersten Abende wird bei seiner Vermieterin eingebrochen, Gereon Rath wird angegriffen und verletzt, kann aber den Einbrecher vertreiben und erfährt anschließend viel über seinen Vormieter, einen gewissen Kardakow, der kurz darauf mitsamt Auto aus dem Landwehrkanal gefischt wird. Rath behält die Identität des Toten vorerst für sich und ermittelt auf eigene Faust. Und das führt ihn zu Hinweisen auf einen Goldschatz aus Russland und Waffenschiebereien. Seine Ermittlungen führen ihn tief ins Berliner Nachtleben und dessen Unterwelt und bald scheint er sich in dem Sumpf zu verfangen.

Volker Kutschers Roman Der nasse Fisch war ein Riesenerfolg. Neben den Charakteren schaffte er es vor allem, die Atmosphäre des Berlin der Zwanzigerjahre einzufangen. Kein Wunder also, dass sein Roman nicht nur als Comic umgesetzt wurde, sondern ebenso als Fernsehserie. Unter dem Titel Babylon Berlin konnten die Zuschauer den Ermittlungen Gereon Raths auf dem Bildschirm folgen. Die Macher änderten dafür allerdings sehr viel im Vergleich zum Roman ab. Ob zum besseren oder schlechteren ist mit Sicherheit Geschmackssache, aber auch die filmische Umsetzung wusste mit ihren Kulissen und ihrer Atmosphäre zu beeindrucken.
Arne Jysch hält sich deutlicher genauer an die Romanvorlage als die Serienumsetzung. Charlotte Ritter ist z.B. keine Gelegenheitsprostituierte, sondern einfach Stenotypistin bei der Polizei und auch bei der Handlung selbst sind Unterschiede zu finden. Etwa, dass der illegale Waffenhandel keinen Putschversuch zum Ziel hat. Wer also erst nach der Serie zu Comic oder Roman greift, erlebt die Handlung um Gereon Rath und Bruno Wolter auf eine vollkommen neue Art und Weise. Arne Jysch hat natürlich auch Änderungen eingebracht, das Medium Comic erfordert nun mal eine etwas andere Herangehensweise als ein Roman, aber diese wurden von ihm mit Volker Kutscher besprochen. Außerdem legt jeder Autor einen anderen Schwerpunkt und sieht für sich die Notwendigkeit für bestimmte Szenen. Das tut dem Comic jedoch gut, denn so wird er mehr als nur zu einer Bebilderung einer bekannten Geschichte, sondern erlangt Eigenständigkeit. Die Geschichte von Der nasse Fisch ist dabei eine waschechte Krimihandlung, die der Zeit entsprechend in der sie spielt, etwas von den Groschenromanen hat, die damals beliebt waren. Zumindest wenn am Ende aufgedeckt wird, wo der Goldschatz der Sorokins versteckt ist. Dass er ein effektiver Erzähler ist, beweist Arne Jysch hier ein ums andere Mal, denn trotz Kürzungen in der Handlung, kann der Leser ihr leicht folgen und er hält die Spannung konstant hoch. Dies liegt auch daran, dass man mit Gereon Rath leidet und die wichtigen Figuren einen interessieren und eine gewisse Charaktertiefe besitzen.

Arne Jytsch erzählt hier sehr atmosphärisch und verlässt sich viel auf die Kraft seiner Bilder, die bei einer Graphic Novel sowieso das Kernstück bilden sollten. So verleiht er den Charakteren auch äußerlich ihre Eigenheiten und sie können jederzeit auseinandergehalten werden. Arne Jysch hat einen Stil gewählt, der klar ist und einen sofort in die Zeit Berlins vor hundert Jahren zurückversetzt. Er reduziert und vereinfacht und bringt dennoch das Wesentliche zur Geltung und genau auf den Punkt. Seine Vorbilder wie Hergé oder Frank Miller sind immer wieder zu erkennen, insbesondere dadurch, dass er sich entschieden hat, den Comic schwarz-weiß zu gestalten. Ein Umstand der unheimlich zur passenden Atmosphäre beiträgt, ebenso wie seine Darstellung Berlins und der Menschen, die einen hohen Rechercheaufwand bedeutet haben dürfte. Den Seitenaufbau passt er dynamisch dem Rhythmus der Geschichte an und geht recht frei mit ihm um, wodurch ein regelrechter Sog beim Lesen entsteht. Der nasse Fisch begeistert nicht durch atemberaubende Bilder sondern durch seine Einfachheit und Klarheit, die viel zum Gelingen und zum Lesevergnügen der Graphic Novel beitragen.

Die gebunden Ausgabe wurde im Vergleich zur Erstausgabe mit einem Interview mit Arne Jysch erweitert, das recht informativ ist und vor allem am Ende verrät, dass die Umsetzung des zweiten Romans über Gereon Rath bereits in Arbeit ist.
 


Fazit

Arne Jysch überträgt Volker Kutschers Roman ins Medium Comic bravourös. Er konzentriert sich auf das Wesentliche und seine Charaktere und erschafft einen spannenden Thriller im Berlin der Weimarer Republik. Seine Zeichnungen illustrieren das Berlin dieser Jahre auf eine eindrückliche Art und Weise.


Pro & Contra

+ starke Schwarz-weiß Zeichnungen
+ interessante Charaktere

Bewertung:

Charaktere: 4,5/5
Handlung: 4,5/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5