The Maples Stories (John Updike)

updike maples

Everyman’s Library, 2009
Gebunden, 256 Seiten
ISBN 978-1-84159-603-7

Genre: Belletristik

Rezension der vollständigen Originalfassung


Storys

Snowing in Greenwich Village, Wife-wooing, Giving Blood, Twin Beds in Rome, Marching Through Boston, The Taste of Metal, Your Lover Just Called, Waiting Up, Eros Rampant, Plumbing, The Red-Herring Theory, Sublimating, Nakedness, Separating, Gesturing, Divorcing: A Fragment, Here Come the Maples, Grandparenting


Rezension

John Updike hat von 1956 bis 1979 siebzehn Kurzgeschichten über das Ehepaar Richard und Joan Maples geschrieben, die in der Geschichtensammlung Too Far to Go. The Maples Stories vereint sind. Das Buch wurde 1979 im Zusammenhang einer TV-Verfilmung veröffentlicht, die deutsche Übersetzung folgte 1986 als Der weite Weg zu zweit. Szenen einer Liebe. Von den Geschichten sind ursprünglich neun in The New Yorker erschienen, drei in Harper’s Magazine, je eine in Weekend, The New York Times Sunday Magazine, The Atlantic Monthly und im Playboy. Sieben dieser Geschichten gab es zuvor nicht in Büchern, eine ist Fragment geblieben. Im Jahr 2009 erschien The Maples Stories, die Geschichtensammlung der Everyman‘ Library, in der erstmals als achtzehnte und letzte Geschichte Grandparenting von 1994 aufgenommen ist.

Die Storys sind in chronologischer Folge abgedruckt, so dass sie die Ehe von Joan und Richard Maple, die innere und äußere Entwicklung einer Paarbeziehung von ihren Anfangsmomenten bis hin zur schmerzhaft in die Länge gezogenen Scheidung und die Zeit danach abbilden. Oder Keimzeit, Blüte und Verfall einer Beziehung. Snowing in Greenwich Village, die Maples sind seit zwei Jahren verheiratet, bereitet die Bühne für das Geschehen, eine kleine Geschichte, in der die Nachbarin Rebecca Cune zu Besuch ist. Als Richard die erkältete Joan beobachtet, berührt ihn dies tief. Dann begleitet er Rebecca nach Hause. Ein leichter Flirt, der das Vergnügen über die Anspannung verschafft, bringt ihn dazu, in Gedanken schon mit dem Ehebruch zu spielen.

Wife-wooing präsentiert uns einen Blick in Richards Innenleben. Nach sieben Jahren findet er Joan noch immer begehrenswert, obwohl sie sich körperlich so verändert hat, dass er darüber im Kontext des Begehrens nachdenkt. Er kommt als Hamburger-Jäger in die „Höhle“ zurück und ist erregt, verhält sich aber passiv. Als sie ins Bett gehen, spürt er wieder das Begehren, aber sie liest in einem Buch über Richard Nixon. Richard Maple ist in dieser Story abstoßend wie in vielleicht keiner anderen, was damit zusammenhängen mag, dass seine Binnensicht nicht auf die Umwelt abgestimmt werden muss. Am Schluss von Wife-wooing lesen wir: „You serve me supper as a waitress – as less than a waitress, for I have known you.“ Richard verbindet aufschlussreich seine suburbane Existenz mit der prähistorischen Zeit. Seine Einsicht scheint zu sein, dass die Dinge heute nicht viel anders sind als früher. Auch zeigt die Story, wie ein Blick auf die Vergangenheit den Blick auf die Gegenwart bestimmen kann.

In Giving Blood könnte ein Cousin Joans sterben, das Paar fährt zur Blutspende. Es kommt zum Streit, Richard tischt Aufgestautes auf. Der Text enthält einen zugleich kunstvollen und realistischen Dialog. In Twin Beds in Rome sind die Maples seit zehn Jahren verheiratet, die Handlung ist bestimmt durch Gefühlsverwirrungen, zeigt Sex als Substitut. Joan ist für Richard ein Mysterium, seine Frauenfeindlichkeit kommt einmal mehr durch. Der Versuch, eine Treppenstufe zu erreichen, steht für eine von vielen kleinen Szenen im Buch, die Handlung in Details zu kommentieren. Storys wie Your Lover Just Called und The Taste of Metal spielen in der Küstenregion Neuenglands, wo Richard arbeitet, während die gut ausgebildete und politisch aktive Joan sich zuhause um die Kinder kümmert.

Und so geht es in den Erzählungen weiter. Nach zwölf Jahren Ehe und vier Kindern ist Joan in der Bürgerrechtsbewegung aktiv und viel unterwegs (Marching Through Boston). In Plumbing geht es um gelebte Zeit und Erinnerungen. In The Red Herring Theory gibt es einen perfiden und komplexen Plot, in dem eine Person das Denken der anderen auf einen möglichen Kandidaten für eine Affäre lenkt, um die tatsächliche Affäre zu verdecken. In einer Steigerung lässt sich gegebenenfalls auch eine Affäre mit der Ablenkung beginnen. Der Grund, eine Party zu besuchen, liegt darin, dieses Spiel der Täuschung zu praktizieren oder andere Gäste dabei zu beobachten. Das Spiel ist vorbei, wenn ein Ehepartner herausfindet, mit wem der andere eine Affäre hat. Man vergisst leicht, dass es sich bei dem Spiel selbst um ein Gedankenspiel im Gespräch des Ehepaares handelt.

Sublimating thematisiert den Verlust sexueller Aktivitäten nach achtzehn Ehejahren, Nakedness Formen von Nacktheit im kulturellen Kontext, Separating die Trennung, die Frage nach dem Warum und wie man es den Kindern sagen soll. Im Fragment Divorcing sind die Maples seit eineinhalb Jahren getrennt, Depressionen und Suizidgedanken bestimmen den Text. In Here Come the Maples, der vorletzten Erzählung, nimmt Richard eine Bestandsaufnahme seiner Zeit mit Joan vor, wobei seine Gedanken in die Physik eintauchen. Seine mikro- und makrokosmische Perspektive führt letztendlich auf eine Abstraktion von der konkreten Beziehung und ist natürlich gar nicht hilfreich. Sie ändert weder etwas am Geschehenen noch am Ausgang der Beziehung.

Die Ehegeschichten sind klassischer Updike. Die Kinder selbst spielen in den Erzählungen kaum eine Rolle. Alles weitere, Nachbarschaftspartys, Treffen, Affären, bildet den Hintergrund für die Ehe und ihre Entwicklung. Zugleich bieten die Geschichten einen Einblick in das Leben in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Die abgebildete Beziehungsdynamik ist zeitlos. Der Sexismus seiner Zeit ist ebenfalls Element der Geschichten, ein Sexismus, der nicht deckungsgleich ist mit dem der Gegenwart. Andere Dinge sind heute mehr Gegenstand alltäglicher Sexismen als vor Jahrzehnten, werden nur anders eingekleidet. Dazu gehören Updikes Beschreibungen der alternden Frauenhände. Und als Richard am Ende, in Gesturing, als Single in einem Appartement wohnt, stellt er fest, wie unangenehm es ist, selbst das Essen zuzubereiten und die Wäsche zu waschen. Zwar hat Richard Affären, aber als Joan ihm in Eros Rampant eine gesteht, beschimpft er sie als Hure – ein gutes Beispiel für die Zeitlosigkeit bestimmter Argumente.

Grandparents, die nicht in dem ersten Erzählungsband über die Maples, also auch nicht in dessen deutscher Fassung, enthalten ist, spielt, wie der Titel andeutet, in einer Zeit, in der die Maples Großeltern sind. Sie fahren ins Krankenhaus, um den Enkel zu sehen. Joan kommt mit ihrem neuen Partner Andy, Richard alleine. Diese Story ist angereichert mit Bildern der Kälte und der Einsicht: „Nobody belongs to us, except in memory“.


Fazit

John Updike präsentiert mit dem Ehepaar Richard und Joan Maple zwei Menschen im Lauf eines überwiegend gemeinsamen Lebens, die auf unverbesserliche Weise sie selbst sind, trotz der spürbaren gesellschaftlichen Veränderungen über die Jahrzehnte, trotz der langjährigen Nähe. Der Band zeigt in der inhaltlichen und formalen Gestaltung seiner Storys, bis hinein in subtile kleine Szenen und Motive, die erzählerische Brillianz Updikes.


Pro und Kontra

+ achtzehn Storys zeigen meisterhaft die Höhen und Tiefen einer Ehe
+ reizvoller Blick in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts

Wertung:sterne5

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5


Rezension zu Ehepaare