Die 13 Gezeichneten - Die Verkehrte Stadt (Judith und Christian Vogt)

Bastei Lübbe (März 2019)
Taschenbuch, 607 Seiten, 14,00 EUR
ISBN: 978-3-404-20934-7

Genre: Fantasy


Klappentext

Der Kampf um Sygna hat gerade erst begonnen!

Die Rebellion war erfolgreich. Die Bürger von Sygna, Stadt der magischen Zeichen, haben die Besatzer aus Aquintien fortgejagt. Doch nun befindet sich der kleine Stadtstaat in einem offenen Krieg gegen das aquinzische Kaiserreich.

Die Schmiedin Elisabeda Eisenhammer, Rebellin erster Stunde, schart die Kampfwilligen um sich und zieht mit einem winzigen Kontingent gegen die Große Armee des Kaisers. Verzweifelt sucht sie nach Verbündeten, denn sie weiß: Alleine wird Sygna untergehen

In Sygna selbst stemmen sich die alten Zünfte gegen jede Erneuerung. Kilianna Erdhand, Tochter des Großgildenmeisters, ist nicht bereit, dies hinzunehmen. Sie träumt von der Gleichberechtigung aller. Dabei droht ausgerechnet ihr Vater, ihr in den Rücken zu fallen. In seiner Verblendung geht er einen gefährlichen Pakt mit einem mythischen Wesen ein …


Rezension

Die magischen Handwerkszeichen des kleinen Stadtstaats Sygna wecken Begehrlichkeiten, so auch die des Kaisers von Aquintien. Einmal ist es ihm bereits gelungen, Sygna zu besetzen, doch sein Gefolge war zu gierig und der Widerstand der Sygnaer nicht mehr zu kontrollieren. Die Stadt wurde in einer blutigen Rebellion zurückerobert und nun befindet sich Sygna im Krieg mit Aquintien, während innerhalb der Stadtmauern sowohl um den Erhalt alter Machtstrukturen als auch um Gleichheit und Freiheit gekämpft wird. Auch um den Einsatz der magischen Urzeichen wird heftig gestritten und unglücklicherweise haben fünf der 13 Urzeichen sich Träger auf der gegnerischen Seite gewählt. Doch es kommt noch schlimmer: Während Aquintien nach seinem eigenen Unglück gräbt, geht ein ehemaliger Großgildenmeister einen Pakt mit jener dunklen Kreatur ein, die die Zeichenmagie nach Sygna gebracht hat …

Die Rebellen der ersten Stunde kämpfen in „Die Verkehrte Stadt“ an verschiedenen Fronten. Schmiedin Elisabeda und Blutzeichenträger Dawyd stellen sich an der Kriegsfront der aquinzischen Armee und können kleine Erfolge erringen. Doch der Krieg bedeutet auch Verlust und Schmerz. Notgedrungen verbünden sie sich mit dem Feind ihres Feindes, zudem glänzt so mancher Urzeichenträger mit überraschenden Erfindungen. Doch der Preis dafür ist hoch. Währenddessen tritt in Sygna Kilianna für die Gleichheit aller ein und sucht nach den bisher unentdeckten Urzeichenträgern, deren Fähigkeiten für ihre Sache nützlich sein könnten. Gleichzeitig entdeckt Straßenmädchen Jendra, dass das Verborgene Urzeichen sich eine intrigante Mörderin als Trägerin gesucht hat und wird mit unheilvollen Veränderungen in der Schattenwelt Sygnas konfrontiert.

Dichter Ismayl betätigt sich als Spion in der aquinzischen Stadt Naronne, um mehr über die Geschichte Sygnas und die Urzeichen herauszufinden. Da Sygna seine eigene Geschichte aktiv begraben hat, hofft er darauf, in der Bibliothek der Universität Hinweise zu finden. Dabei trifft er unverhofft auf Neigel, der seine Freiheit zurückerlangt und in Naronne Teil einer Studentenrevolte wird. Verluste an der Front zwingen Aquintien dazu, neue Soldaten anzuwerben und alle jungen Leute werden zwangsweise zu Militärdienst oder Arbeit in Manufakturen verpflichtet. Dieser Zwang untergräbt den Freiheitsgedanken der Aquintier und das Großreich Kaiser Yulians beginnt von innen zu bröckeln. Gleichzeitig führen unheilvolle Forschungsarbeiten zu einer Katastrophe, die zusätzliche Wut in der Bevölkerung schürt.

“Die Verkehrte Stadt“ spinnt viele Handlungsfäden gleichzeitig, wobei das eine oder andere offene Ende aus dem kunstvollen Geflecht herausragt. Die Rebellion war erst der Anfang eines langwierigen Krieges und Sygna hat sowohl mit Feinden von außen als auch von innen zu kämpfen. Während an der Front gekämpft und gestorben wird, bangen die alten Handwerksmeister um ihre Macht. Es wird intrigiert, erpresst und gemordet. Die Protagonisten können sich nie sicher sein, ob sie dem Feind in die Hände fallen oder den falschen Leuten vertrauen. Der rote Faden ist zwischen all den Handlungssträngen manchmal schwer erkennbar und so verläuft die Spannung wellenförmig mit einigen nervenaufreibenden Spitzen. Dazwischen zieht es sich immer ein wenig, bis das nächste Drama seinen Lauf nimmt. Manchmal vergeht auch etwas zu viel Zeit, bis man seinen Lieblingsprotagonisten wiedersieht.

Die Geschichte entwickelt sich aus den Entscheidungen der Charaktere, die manchmal geniale Ideen haben, aber auch oftmals schreckliche Fehler begehen. Die Protagonisten erscheinen allesamt zutiefst menschlich, sie haben alle ihre Stärken und Schwächen, wobei die wahre Stärke der Rebellen in ihrer Freundschaft zueinander liegt. Wenn einer am Boden liegt, hilft ihm der andere wieder hoch und manchmal helfen auch nur schieres Glück und Zufälle, was die Handlung umso glaubwürdiger macht. Inzwischen kennt man auch die 13 Gezeichneten aus dem Titel, wobei die Urzeichen für alle eine Bürde darstellen. Lysandre Rufin, der aquinzische Geheimdienstler (der noch genauso hassenswert wie im ersten Band ist), beherrscht sein Wortzeichen bereits erschreckend gut, wobei auch ihm Grenzen gesetzt sind. Dawyd hingegen spürt zunehmend, wie das Blutzeichen von ihm zehrt. So mancher zerbricht gar an seinem Zeichen, während andere sich dem Krieg verweigern und ihren eigenen Träumen folgen.

“Die Verkehrte Stadt“ ist leider nicht als Klappenbroschur erschienen, sondern nur als großformatiges Taschenbuch. Auf dem schicken Cover sieht man übrigens die Stadt Naronne, in der man Aquintien von einer ganz anderen Seite kennenlernt. Das Großreich erinnert stark an das Frankreich das 18. Und 19. Jahrhunderts, inklusive Revolution und nachfolgendem Kaisertum. Die freiheitsliebenden Aquintier haben eigentlich ähnliche Ideale wie die Gleichwerker in Sygna und der dort entflammende Widerstand verspricht viel Spannung für den dritten Band.


Fazit

”Die Verkehrte Stadt“ lebt wie der Vorgängerband von seinen facettenreichen Charakteren, die an verschiedenen Fronten für ein freies, besseres Sygna kämpfen. Dabei müssen sie herbe Rückschläge verkraften, wobei der Feind sich allmählich selbst sein Grab zu schaufeln scheint. Gleichzeitig bröckelt Sygna von innen und die vielen Handlungsfäden verflechten sich zu einer neuen Bedrohung – ehe der Roman abermals mit einem gemeinen Cliffhanger endet.


Pro und Contra

+ facettenreiche Protagonisten mit Stärken und Schwächen
+ auch die Antagonisten und Nebencharaktere überzeugen
+ Sygna wird von außen und innen bedroht
+ zwischendurch nervenaufreibend spannend
+ der erwachende Widerstand in Aquintien
+ sehr gute Umsetzung der Zeichenmagie
+ überraschendes Finale mit gemeinem Cliffhanger
+ atmosphärisch geschrieben und mit viel Liebe zum Detail

- manchmal unübersichtlich, insbesondere an der Kriegsfront

Wertung: sterne4.5

Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5


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Tags: Judith C. Vogt, Christian Vogt, Die 13 Gezeichneten, queere Figuren, historische Fantasy, nicht-binäre Autor*innen, Magie