Im Zeichen des Raben (Ed McDonald)

Blanvalet (Dezember 2018)
Originaltitel: Blackwing (Raven’s Mark, Book 1)
Übersetzer: Ruggero Leò
Klappenbroschur
480 Seiten, 16,00 EUR
ISBN: 978-3-7341-6146-9

Genre: Fantasy


Klappentext

Ryhalt Galharrow ist Hauptmann der Schwarzschwingen. Sie übernehmen im Kampf gegen dämonische Wesen die Drecksarbeit: Kopfgeldjagden, Morde, Einschüchterung, Folter. Ryhalt hat sich dieses Leben nicht ausgesucht, vielmehr trieb ihn sein Pech in diese erbärmlichen Lebensumstände. Und er ist gut in dem was er tut, auch wenn er manchmal seiner Ehre nachtrauert, die er dem Pragmatismus geopfert hat. Da trifft er seine Jugendliebe wieder und er weiß: Für sie will er ein besserer Mensch sein. Doch das Schicksal – und die Götter – haben andere Pläne …


Rezension

Ich-Erzähler Ryhalt Galharrow ist die Sorte Figur, die in vielen anderen Fantasy-Romanen irgendein namenloser Scherge des Hauptantagonisten wäre: Ein von einem harten Leben gezeichneter, abgestumpfter Krieger mit Alkoholproblem, der die Befehle des undurchschaubaren Zauberers Krähfuß ausführt, ohne sie je zu hinterfragen. Krähfuß ist einer der Namenlosen – ein Magier, der seine Menschlichkeit weitgehend hinter sich gelassen hat und Menschen im Kampf gegen die Könige der Tiefe wie Schachfiguren hin- und herschiebt. Doch so unsympathisch er und seine Methoden auch sein mögen, ist er doch zusammen mit einer anderen Namenlosen das Einzige, was zwischen der Dortmark und einer Invasion der Könige der Tiefe steht, unter deren Herrschaft die Menschen zu „Hörigen“ ohne eigenen Willen werden.

Ryhalts Job ist es, alle Agenten und Sympathisanten der Könige der Tiefe ausfindig und unschädlich zu machen, und er nimmt sich dieser Aufgabe mit scheinbar gleichgültiger Effektivität an. Doch eines Tages erhält er den Auftrag, die „Lichtspinnerin“ Ezabeth zu schützen – die Frau, die er in einer unschuldigeren Zeit seines Lebens geliebt hat, und die alte Gefühle in ihm weckt. Doch Ezabeth verbreitet gefährliche Ideen. Die Magierin glaubt, dass ein Großteil der aus Mondlicht gewonnenen Magie, die für die Verteidigung der Dortmark genutzt werden sollte, unterschlagen wird. Falls sie lügt, verbreitet sie demoralisierende Botschaften, für die Ryhalt siie eigentlich schnellstmöglich töten müsste. Falls sie Recht hat, gibt es unter den mächtigsten Menschen des Landes einen Verräter, und die Dortmark ist den Invasoren schutzlos ausgeliefert. In einer dunklen, dreckigen Fantasywelt, in der es von widerwärtigen Geschöpfen, destruktiver Magie und Verrat wimmelt und Menschen wenig mehr als Ameisen unter den Füßen der Namenlosen und ihrer Gegenspieler sind, versucht Ryhalt die Wahrheit herauszufinden. Ihn und die Leser*innen, die seine Geschichte verfolgen, erwarten dabei einige überraschende Plottwists.

Der bildgewaltige Weltentwurf von „Im Zeichen des Raben“ ist mit seinem individuellen Magiesystem, originellen magischen Geschöpfen und seiner düsteren Atmosphäre durchaus gelungen, aber gleichzeitig ist Ed McDonald auch mit dem klassischen Problem hässlicher Fantasywelten konfrontiert: Der Status Quo erscheint wenig erstrebenswert und das Leben der Hauptfigur ist so verkorkst, dass es einem nicht unbedingt darum leidtun würde. Es hilft nicht unbedingt, dass erst spät klar wird, was für eine Katastrophe Ryhalt abzuwenden versucht, obwohl dadurch sein Vorgehen etwas nachvollziehbarer wird. Bestimmte Aspekte der Welt werden erst am Ende wirklich erklärt. Eine Zeitlang sieht es so aus, als würde Krähfuß seine große Macht immer nur entsprechend der Erfordernisse des Plots einsetzen, aber glücklicherweise wird noch eine gute Erklärung für sein Verhalten geliefert. Es bleibt auch vage, was Ryhalts Funktion als Hauptmann der Schwarzschwingen wirklich bedeutet. Zwar kann er hochrangige Offiziere herumkommandieren, aber gleichzeitig erinnert seine Arbeit eher an die eines Kopfgeldjägers, der auf Auftragsbasis bezahlt wird und hier und da Helfer anheuert, die er verachtet. Dass er ständig in Geldnöten ist, macht ihn erpressbar.

Und auch wenn es definitiv möglich ist, faszinierende Antihelden zu schreiben, wirkt er zunächst einfach nur unsympathisch. Das ändert sich erst, wenn mehr von seiner Vergangenheit und seinen Motiven enthüllt wird und klar wird, womit er es eigentlich zu tun hat. Zum Ende hin durchläuft er eine große und sehr befriedigende Entwicklung und es entspinnt sich auch eine Liebesgeschichte mit dem einen oder anderen kitschigen Dialog, die allerdings gut vom Rest des Buchs ausbalanciert wird. Über viele Nebenfiguren, wie z.B. Tnota und Nenn, die den harten Kern von Ryhalts Truppe bilden, erhält man nur ein oder zwei Informationen (beispielsweise ist Tnota schwul und glaubt an eine Gottheit namens „großer Hund“, von der er aber auch mit einer Prise Ironie spricht, oder hat Nenn keine Nase mehr und hasst Adlige). Sie erwachen beide nicht so richtig zum Leben. Ezabeth dagegen gewinnt etwas mehr an Profil.

Die Sprache des Buches ist einfach, hier und da ein bisschen holprig und oft vulgär. Letzteres passt gut zum Erzähler, aber gelegentlich scheint er es etwas zu sehr darauf anzulegen, Leser*innen zu schockieren, als zu seiner „Mir ist alles egal“-Einstellung passen will.


Fazit

In „Im Zeichen des Raben“ schickt Ed McDonald einen Antihelden in den Kampf um das Schicksal einer düsteren, dreckigen Fantasywelt. Das Buch wartet mit unerwarteten Plottwists und originellen Weltenbau-Ideen auf, aber es dauert lange, bis deutlich wird, was eigentlich passiert, und warum es einen interessieren sollte. Das Ende des Buches weiß jedoch zu überzeugen.


Pro und Contra

+ originelle Details im Weltentwurf, bildgewaltige Schilderungen
+ überraschende Plottwists
+ viel Action

o düstere Welt, bewusst abstoßende Beschreibungen
o Hauptfigur gerade am Anfang kein Sympathieträger

- Handlung braucht lange, um Emotionen anzusprechen
- einige Informationen, die dabei geholfen hätten, werden zu lange zurückgehalten

Wertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3/5