Nukleosynthese 1: Wasserstoffbrennen (Hrsg. Jürgen Eglseer)

wasserstoffbrennen

Amrûn (Oktober 2018)
Taschenbuch, 128 Seiten, 6,90 EUR
ISBN: 978-3958690738

Genre: Science-Fiction-Anthologie


Klappentext

Wasserstoffbrennen ist die erste von sechs Sammlungen deutschsprachiger Science-Fiction Kurzgeschichten. Erstveröffentlichungen und überarbeitete Ausgaben stehen nebeneinander – in Anlehnung der großen SF-Anthologien der 80er Jahre.

Mit Erzählungen von Uwe Post / Oliver Koch / Matthias Falke / Stefanie Bender ¬/ Jacqueline Montemurri / Nadine Boos / Tobias Bachmann / Klaus N. Frick / Achim Mehnert.


Rezension

“Wasserstoffbrennen“ ist der Titel der ersten von sechs geplanten Anthologien mit deutschsprachigen SF-Kurzgeschichten. Es wird im Buch sogar kurz erklärt, was Wasserstoffbrennen eigentlich ist, doch der Titel spiegelt sich in keiner der Geschichten wieder. Abgesehen davon, dass es sich bei allen Beiträgen um Science Fiction handelt, gibt es kein übergeordnetes Thema, und so sind die Kurzgeschichten thematisch sehr unterschiedlich:

Tobias Bachmann eröffnet mit „Drei Tage Abschied“ und widmet sich der Zeit vor dem Aufbruch ins All, was für manchen den Verlust seiner großen Liebe bedeutet. Die Gene des Protagonisten sind nicht gut genug, um ihn die Reise mit einem Generationenschiff antreten zu lassen. Die seiner Liebsten dagegen schon. Die Geschichte widmet sich dem Abschiedsschmerz, kann emotional aber nicht mitreißen und bietet darüber hinaus zu wenig Hintergrundinformationen.

A Little Bot of Krieg” von Nadine Boos handelt von einem alten Mann, der glaubt, immer noch im Krieg zu sein – und von einem Pflege-Roboter, der die alten Menschen mit viel Geduld umsorgt. Eine perfekte Lösung, wären da nicht Fehler im System, Viren und ausbleibende Anweisungen/Antworten auf Anfragen. Auch diese Geschichte ist zu kurz geraten, liest sich aber unterhaltsam, widmet sich aktuellen Themen und stimmt als Social SF durchaus nachdenklich.

Wer einzuordnen ist “Der elfte Avatar“ von Matthias Falke. Ein bisschen Military SF, ein bisschen Cyberpunk. Eine Mission geht schief, der Protagonist wird des zehnfachen Mordes beschuldigt. Große, böse Konzerne gibt’s auch und das alles auf acht Seiten. Da der Protagonist nicht überzeugt, kommt die Story zu platt daher und die Überraschung am Ende überrascht kaum.

Rest in Bits“ von Uwe Post lebt von einem humorvollen Unterton und ist die Geschichte, die dem Leser am besten in Erinnerung bleibt. Protagonist Leon existiert nach seinem körperlichen Tod auf einem Jenseits-Server und will herausfinden, wie er zu Tode kam. Die Suche nach Antworten ist nicht unbedingt überraschend, aber ungemein unterhaltsam beschrieben. Und der Schreibstil von Uwe Post hat hohen Wiedererkennungwert.

In “Die Faszination der Einsamkeit“ von Jaqueline Montemurri brechen die Menschen nicht etwa zum Mars, sondern zum Jupitermond Ganymed auf. Auf der Reise gibt es Komplikationen, Grund ist oftmals das Zwischenmenschliche. Die Geschichte ist nicht schlecht, aber auch nicht besonders gut und ist nach dem Lesen schnell vergessen.

Achim Mehnert widmet sich in “Altenwelt“ ebenso wie Nadine Boos der Versorgung von alten Menschen. Allerdings werden diese hier einfach auf einen anderen Planeten abgeschoben, wo sie in immer gleichen Häuschen ihre letzten Tage verbringen. Drei Männer werden losgeschickt, um einen der Alten zurückzubringen, und erleben Merkwürdiges. Ein spannendes Szenrario, atmosphärisch geschrieben und nach „Rest in Bits“ der zweitbeste Beitrag dieser Anthologie.

Die Erben der steinernen Burg“ von Klaus N. Frick handelt von jungen Männern, die außerhalb der EU-Grenze verwildert und unter erbärmlichsten Umständen leben. Seelisch und moralisch sind sie völlig verroht. Einer von ihnen ist interessanterweise ein Flüchtling aus der EU. Eine wahrlich düstere Vision des zukünftigen Europas, mit interessanten Ansätzen. Allerdings ist die einzig weibliche Figur ein körperliches Wrack, das regelmäßig missbraucht wird. Dadurch wird die Geschichte  extrem abstoßend.

In “Calysta Lock 2302“ von Stefanie Bender gab es eine Invasion von Künstlichen Intelligenzen, sogenannten Anubis. Die Protagonistin ist eine der wenigen, die mittels übernatürlichen Fähigkeiten die KIs manipulieren kann. Auf einer Mission wird sie von den Anubis entdeckt und gejagt, doch sie erhält unerwartete Hilfe. Die Kombination von KIs und „Magie“ ist interessant und die Kurzgeschichte vermag zu überraschen, doch das Szenario wäre für eine Novelle oder gar einen Roman besser geeignet gewesen. So vermisst man auch hier einiges an Hintergrundinformationen.

Mit “Seine große Liebe“ von Oliver Koch schließt sich quasi der Kreis, denn wie die erste Geschichte handelt die letzte von einer tragischen Liebe. Der Protagonist und seine Frau haben ihre menschlichen Körper verloren, ihr Geist lebt in Maschinen weiter. Während er überlegt, wie er die Liebesbeziehung so fortführen kann, sieht sie keine Möglichkeit dazu. Die Idee ist spannend und die Sehnsucht des Protagonisten nach Zuneigung berührend geschildert.

Wie bei den meisten Anthologien überzeugt nicht jede Geschichte. Es gibt ein paar gute und unterhaltsame, der Rest ist meist zu knapp geraten. Ein paar belanglose sind leider auch dabei. Schön ist allerdings, dass auch drei Autorinnen vertreten sind und die Mischung ist insgesamt gelungen, auch wenn eine Story mit Bezug zum Titel „Wasserstoffbrennen“ toll gewesen wäre. So wirkt der Titel, insbesondere durch den Zusatz "Nukleosynthese" wie reine Effekthascherei.

Zu jeder Geschichte gibt es Autoreninformationen und 6,90 Euro für 9 Geschichten ist absolut okay. Neben Erstveröffentlichungen finden sich Geschichten aus Magazinen wie „C’t“, die vielen Lesern dennoch unbekannt sein dürften. Trotz gefälligem Cover hätte man etwas mehr in die Gestaltung investieren können, Verlage wie Art Skript Phantastik bieten einem deutlich mehr.


Fazit

”Wasserstoffbrennen“ sieht sich in der Tradition großer SF-Anthologien und vereint im ersten Band 9 höchst unterschiedliche Geschichten, deren Niveau stark schwankt. Einige geraten schnell in Vergessenheit, manche zeigen Potential, nutzen es aber nicht aus – immerhin drei sind sehr unterhaltsam und warten mit interessanten Ideen auf.


Pro und Contra

+ sehr unterschiedliche Themen
+ „Rest in Bits“, „Altenwelt“ und „A Little Bot of Krieg“
+ Autoreninformationen zu jeder Geschichte
+ stimmungsvolles Cover

- zu viele Geschichten fallen zu knapp aus und verschenken damit Potential
- teils belanglos und schnell vergessen

Wertung: sterne3

Texte: 3/5
Auswahl: 3,5/5
Gestaltung: 3/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3/5

Tags: deutschsprachige SF, Kurzgeschichten