Sabrina Železný (24.04.2019)

Interview mit Sabrina Železný

Literatopia: Hallo, Sabrina! Kürzlich ist Deine Space Opera „Feuerschwingen“ bei ohneohren erschienen. Was erwartet die Leser in Deinem ersten Science-Fiction-Roman?

sabrina zeleznySabrina Železný: Eine intergalaktische Schatzsuche, ein goldenes Raumschiff, Wortgefechte und reichlich unfreundliche Lamas. Und ja, natürlich Inka im Weltraum …

Literatopia: Wie dürfen wir uns ein interstellares Inkareich vorstellen? Wie sehr ähneln Deine Inka den „echten“?

Sabrina Železný: Der große Reiz bei der Sache war für mich die Frage, ob und wie sich verschiedene Aspekte inkaischer Kultur, Geschichte und Gesellschaft in ein Science-Fiction-Setting übersetzen lassen, welche dieser Aspekte sich dort verändern und welche fortdauern würden.

So gibt es zum Beispiel nun zwar Raumschiffe und andere Technologien, an der Spitze des Inkastaats etwa steht aber weiterhin ein fast gottgleicher Herrscher, der Sapa Inka. Außerdem sprechen meine Inka Quechua, das im historischen Inkastaat als Lingua franca fungierte und noch heute eine der Amtssprachen in Peru, Bolivien und Ecuador ist. Ich muss aber auch dazu sagen, dass einige Dinge, die im Buch typisch inkaisch sind, in der Realität eher typisch für die Andenregion insgesamt sind. Das gilt vor allem für die kulinarischen Aspekte, wenn mit Cocablättern oder fermentiertem Mais hantiert wird.

Literatopia: Über welche Technologien verfügen die Inka – und Iberer? Und wie passen Lamas in ein Sternenreich?

Sabrina Železný: Inka wie Iberer haben die Raumfahrt gemeistert, wobei die Inka auf ihre kleinen, wendigen Sonnenflieger setzen, die Iberer eher auf große und wuchtige Schiffe, die nicht von ungefähr Sterngaleonen heißen. Außerdem verfügen beide Völker über die Möglichkeiten der Hologrammerstellung und -projektion. Es gibt auch noch einige andere Sachen, insgesamt ist „Feuerschwingen“ eher Soft Science Fiction, sodass der Fokus stärker auf kulturellen und sozialen Aspekten liegt als auf technologischen.

Lamas dürften die Inka damals von der Erde mitgenommen haben – zumindest sind diese Tiere ihnen noch sehr präsent und es gibt auch Lamadroids, die stark in Richtung künstlicher Intelligenz gehen. Die wichtigsten Lamas im Buch sind allerdings jene, denen wir auf der Erde begegnen …

Literatopia: Manco und Gonzalo suchen nach dem legendären Eldorado. Sind sie Konkurrenten? Was zeichnet die beiden so unterschiedlichen Männern aus?

Sabrina Železný: Konkurrenten trifft es sehr gut.

Manco ist ein Abenteurer und Draufgänger, der zugleich unerschütterlich an das Gute im Menschen glaubt. Inka dürfen nicht lügen, das Gesetz ist ihm heilig, aber er hat trotzdem recht kreative Wege gefunden, mit der Wahrheit umzugehen.

feuerschwingen coverGonzalo hingegen ist ein zynischer Stinkstiefel, der vor allem an sich selbst denkt, andere mit seiner ruppigen Art auf Abstand halten will und sich womöglich etwas zu oft in den Alkohol flüchtet. Wenn es drauf ankommt, hat er das Herz dennoch am rechten Fleck. Jedenfalls manchmal.

Literatopia: Du selbst bezeichnest „Feuerschwingen“ als Inkapunk – was bedeutet das?

Sabrina Železný: Das ist mein – mit einem Augenzwinkern zu sehender – Versuch, für das Buch ein passendes Genre zu finden. Und etwas griffiger als „Inka, aber im Weltall“. Ich denke auch ein bisschen an die Logik hinter Steampunk: Dort geht es um Zukunftsvisionen, wie man sie sich aus einer Vergangenheit heraus vorgestellt haben könnte. Inkapunk ist eine alternative Zeitlinie, wie sie vielleicht möglich wäre, wenn die Inka die Raumfahrt entwickelt hätten.

Literatopia: Bisher ist „Feuerschwingen“ nur als eBook erhältlich. Wird es eine Printausgabe geben?

Sabrina Železný: Ja, das sollte auch gar nicht mehr lange dauern – sie erscheint Ende April!

Literatopia: Du hast Kulturanthropologie studiert und Dich auf Lateinamerika spezialisiert. Was fasziniert Dich an der Geschichte des Kontinents und seinen Kulturen?

Sabrina Železný: Ich weiß immer nicht, ob ich das rein logisch erklären kann – ich bin schon vor dem Studium irgendwie an Lateinamerika hängengeblieben und es fühlte sich einfach richtig an. Lateinamerika ist so groß und vielfältig, es gibt da so wahnsinnig viel zu entdecken und zu lernen. Mich fasziniert der Blick auf andere Weltbilder, weil das hilft, die eigene Perspektive in Frage zu stellen – und gerade auch das eigene eurozentrische Denken.

Literatopia: Nach mehreren Reisen nach Lateinamerika schreibst Du auf Deiner Homepage, die Spuren des Kolonialismus seien immer noch zu sehen und dass Du Dir als weiße Europäerin mehr herausnehmen konntest als Einheimische. Was zum Beispiel?

Sabrina Železný: Einige Sachen sind mir da aus meinem Auslandssemester in Erinnerung geblieben, wo ich mich eigentlich gerade darum bemüht habe, nicht anders behandelt zu werden als meine peruanischen Kommiliton*innen.

Einmal fragte ich einen Dozenten, ob er mir ein bestimmtes Buch ausleihen könnte, das perfekt zum Thema meiner Bachelorarbeit passte, aber nicht in der Unibibliothek stand. An meiner deutschen Uni waren solche Anfragen völlig normal, und tatsächlich brachte mir auch der Dozent in Peru das Buch gleich am nächsten Tag ganz selbstverständlich mit.

Erst später erfuhr ich von einer Freundin, dass er normalerweise niemals Bücher an Studierende verlieh. Hätte ich das gewusst, hätte ich vermutlich gar nicht gefragt. Aber ich habe auf diese Weise immer wieder unbewusst von meinen Privilegien Gebrauch gemacht – gerade dann, wenn ich mir nicht darüber im Klaren war, dass sie in bestimmten Kontexten überhaupt bestanden.

mahagoni mittelLiteratopia: Was ist Dir bei der Darstellung südamerikanischer Kulturen in Deinen Romanen besonders wichtig?

Sabrina Železný: Ich versuche, die Vielfalt und die Widersprüchlichkeiten innerhalb kultureller Gruppen zu zeigen, Figuren nicht auf ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe zu reduzieren, sondern sie in erster Linie als Menschen mit zahlreichen Facetten zu schreiben. Kulturelle Eigenheiten sichtbar machen, aber nicht exotisieren. Und vor allem: Lateinamerikanische Figuren immer auch proaktiv und auf Augenhöhe handeln zu lassen, gerade wenn sie es mit weißen bzw. europäischen Figuren zu tun haben.

Literatopia: Deine Kurzgeschichten wurden bereits in mehreren Anthologien veröffentlicht. Was zeichnet eine gelungene Kurzgeschichte für Dich aus?

Sabrina Železný: Das ist eine gute Frage. Ich mag es, wenn Kurzgeschichten mit einem pfiffigen Twist aufwarten, ohne aber nur auf diese Pointe abzuzielen. Gleichzeitig machen Grundidee, Atmosphäre und sprachliche Umsetzung für mich persönlich sehr viel aus.

Literatopia: Hast Du ein Lieblingsbuch, das Du mehrmals gelesen hast, oder einen Lieblingsautor/eine Lieblingsautorin?

Sabrina Železný: Es gibt so einige Bücher, die ich mehrmals gelesen habe. Eines, das ich sehr liebe, ist „Wandelnde Worte“ von Eduardo Galeano, kein Roman, sondern eine Reihe von Erzählungen und Überlegungen, die zum Teil auch auf indigene Mythen zurückgehen. Ein anderes, das mich nachhaltig beeindruckt hat, ist „Ein Zug aus Eis und Feuer“ von Ramón Chao, ein besonderer Reisebericht über eine Gruppe von Künstlern, die sich mit dem titelgebenden Zug auf eine Reise durch Kolumbien machen – mitten durch Guerrillagebiet.

Literatopia: Kannst Du uns schon einen Ausblick auf Deine nächsten Projekte geben?

Sabrina Železný: Im nächsten Jahr werden meine „Kondorkinder“, mein Debüt von 2013, in einer überarbeiteten Fassung neu erscheinen. Damals sind sie in zwei Bänden herausgekommen, einer historische Fantasy in Peru, einer Contemporary Fantasy, aber eigentlich habe ich sie als ein Buch geschrieben, und so wird es sie ab kommendem Jahr auch zu lesen geben.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!

Sabrina Železný: Vielen Dank für die tollen Fragen, es hat viel Spaß gemacht!


Autorenfoto: Copyright by Sabrina Železný

Autorenhomepage: www.sabrina-zelezny.de

Rezension zu "Feuerschwingen"


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.