Piper (April 2019)
Paperback, 720 Seiten, 16,00 EUR
ISBN: 978-3-492-70419-9
Genre: Science Fiction
Klappentext
Nach einer Alien-Invasion ist die Erde verseucht. Der letzte Rest der Menschheit lebt in einer ›Oase im Winter‹: in Jaskandris, einer von Künstlichen Intelligenzen gesteuerten Kuppelstadt in der Antarktis. Gamil ist Symbiont und einer der wenigen, der mit der Künstlichen Intelligenz über Interfaces kommunizieren kann. Als er neben den Signalen der Stadt noch etwas anderes aufschnappt und allem auf den Grund gehen will, befindet er sich plötzlich in Lebensgefahr …
Rezension
Die Kuppelstadt Jaskandris ist die Zuflucht der letzten Menschen. Mitten in der Antarktis haben sie ein kleines Paradies gefunden, beschützt und versorgt von Künstlichen Intelligenzen. Nach einer Invasion ist die Erde verwüstet und auch wenn die Invasoren inzwischen fort sind, ihre zurückgelassenen Satelliten verhindern, dass die Menschen Jaskandris verlassen. Die meisten wollen das allerdings auch gar nicht. Sie haben alles, was sie brauchen. Während im Eis unter der Stadt viele Menschen im Tiefschlaf in einer künstlichen Umgebung leben, teilen sich die Wachwelt normale Menschen und sogenannte Symbionten.
Gamil ist ein solcher Symbiont, ausgestattet mit einer Maschinerie, die ihn per Gedanken mit allen Maschinen und Netzwerken der Stadt verbindet. Er ist erst vor wenigen Jahren aus dem Tiefenschlaf erwacht und kämpft mit seinen besonders sensiblen, symbiontischen Sinnen. Durch diese schnappt er auch ein schwaches Signal auf, das ihn zu der legendären Archontin Nelmura führt. Gamil ist völlig überrumpelt, als er Nelmura aus ihrer Tiefenschlafkammer hilft. Noch ehe er begreift, dass eine Archontin erwacht ist, werden die beiden gejagt – von Nelmuras eigenen Leuten. Doch es kommt noch schlimmer, als sie Gamil offenbart, dass die Künstlichen Intelligenzen die Symbionten kontrollieren. Und dass sie nicht ihre Beschützer, sondern eher Gefängniswärter sind …
In “Die Stadt der Symbionten“ widmet sich James A. Sullivan erneut den Künstlichen Intelligenzen, doch anders als in den beiden Space Operas „Chrysaor“ und „Die Granden von Pandaros“ sind sie diesmal keine den Menschen wohlgesonnenen, gottgleichen Wesen, sondern Kontrollinstanzen im abgeschlossenen System einer Kuppelstadt. Dem Leser bleibt kaum Zeit, Jaskandris und Gamil richtig kennenzulernen, das schlittert der Symbiont bereits in den Beginn einer blutigen Revolution. Die Erkenntnis, dass die KIs Symbionten kontrollieren können, schafft plötzlich viele potentielle Feinde und so sind Gamil und Nelmura stetig auf der Flucht, was in einer hochtechnisierten, gut überwachten Stadt wie Jaskandris ziemlich knifflig ist. Die beiden erhalten unter anderem Hilfe von Nelmuras Schülerin Yaldira, welche verhaftet und verbannt wird – und dadurch etwas entdeckt, das die KIs zu Fall bringen kann.
Neben Gamil, Nelmura und Yaldira gibt es eine Vielzahl weiterer Charaktere, aus deren Sicht erzählt wird. James A. Sullivan wechselt häufig die Perspektive, sodass man die Revolution gegen die Künstlichen Intelligenzen aus verschiedensten Blickwinkeln erlebt, teilweise auch auf der Seite der Antagonisten. Zwar werden viele Symbionten von den KIs kontrolliert und zu Gräueltaten getrieben, doch so mancher folgt den KIs auch aus purem Machtstreben. Zudem haben viele „normale“ Menschen Angst, dass die Herrschaft der KIs durch eine Herrschaft der Symbionten abgelöst wird und stellen sich gegen eine Revolution. Dadurch wird der Roman vielschichtig und realistisch, da Nelmuras Enthüllungen über die Kontrolle der KIs nicht automatisch zur Revolution und dem Sieg der Protagonisten führt. Verschiedene Interessen, Ängste und Hoffnungen arbeiten hier gegeneinander und machen „Die Stadt der Symbionten“ zu einem ziemlich komplexen Roman.
Die Charaktere sind dabei sehr vielfältig und bunt: In Jaskandris scheinen alle Ethnien vertreten, ebenso scheinen Frauen und Männer gleichberechtigt. Die Invasion hat die verbliebenen Menschen zu einer großen Gruppe zusammengeschweißt, trotzdem existiert eine Vielzahl verschiedener Meinungen. Unter dieser Diversität leiden allerdings die einzelnen Charaktere. Die meisten scheinen lediglich Funktionen innerhalb der Geschichte zu erfüllen. Es geschieht so viel, dass wenig Zeit für Persönliches bleibt. Da die Handlung temporeich beginnt, lernt man die Charaktere beinahe ausschließlich in Extremsituationen kennen, was eine gewisse Distanz schafft. Während „Die Granden von Pandaros“ überwiegend von seinen facettenreichen Protagonisten getragen wurde, lebt „Die Stadt der Symbionten“ mehr von der Idee der Symbionten und der Kuppelstadt Jaskandris. Man könnte sagen, der wahre Protagonist ist die Stadt beziehungsweise ihre Gesellschaft.
Bereits nach wenigen Kapiteln zweifelt der Leser an der Geschichte über die Invasion. Viele Fragen kommen auf: Wer hat die KIs geschaffen? Wie lief die Invasion vor mehreren Jahrhunderten ab? Gab es überhaupt eine Invasion oder ist sie eine Lüge der KIs? Alles, was die Charaktere über ihre Stadt wissen, wird in Zweifel gezogen, woraus der Roman lange Spannung zieht. Allerdings lässt sich der Autor etwas zu viel Zeit mit den Antworten auf diese Fragen. Manche bleiben gar unbeantwortet, auch wenn die letzten Kapitel einige überraschende Antworten bieten. Mit über siebenhundert Seiten ist „Die Stadt der Symbionten“ ein umfangreiches Werk, das viel Zeit in die Darstellung der zukünftigen Gesellschaft und ihrer vielfältigen Beziehungen und Interessen investiert. Durch die Masse an Details bleibt ein Gefühl der Distanz zum Geschehen, gleichzeitig vermisst an vielen Stellen weitere Erklärungen. Bei der Komplexität wäre eine Dilogie vielleicht die bessere Form gewesen.
Fazit
”Die Stadt der Symbionten“ ist eine hochtechnisierte Oase im ewigen Eis, die von einer Revolution erschüttert wird. Die Künstlichen Intelligenzen, die die Systeme der Stadt kontrollieren und die Menschen umsorgen, entpuppen sich als gefährlich. Alles wird in Zweifel gezogen und während die Protagonisten verzweifelt um die Wahrheit kämpfen, arbeiten in der Bevölkerung verschiedenste Interessen gegeneinander. James A. Sullivan hat einen recht komplexen SF-Roman verfasst, dessen Ideen ungemein faszinieren, der jedoch durch die Vielfalt und Vielzahl der handelnden Figuren bis zum Ende zu distanziert erscheint.
Pro und Contra
+ Jaskandris als Kuppelstadt in der Eiswüste
+ vielfältige Charaktere mit sehr unterschiedlichen Interessen
+ actionreicher Start, der viele Fragen aufwirft
+ viele Perspektivenwechsel erzeugen Spannung
+ komplex und vielschichtig
+ spielt gekonnt mit den Erwartungen des Lesers
+ geniales Cover
o ganz anderer Erzählstil als in den beiden Space Operas „Chrysaor“ und „Die Granden von Pandaros“
- zu viele handlungsrelevante Charaktere für einen Einzelroman
- man muss zu lange auf wichtige Antworten warten
- teilweise zu viele Details, dafür an anderen Stellen zu wenige / keine Erklärungen
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5
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