Space Opera (Catherynne M. Valente)

Fischer Tor (Mai 2019)
Originaltitel: Space Opera
Übersetzerin: Kirsten Borchardt
Klappenbroschur
347 Seiten, 14,99 EUR
ISBN: 978-3-596-70444-6

Genre: Science-Fiction, Humor


Klappentext

Vor knapp hundert Jahren hat sich die Galaxis entzweit – ein Krieg löschte beinahe sämtliches Leben aus. In der Folge erfand man eine gemeinschaftsbildende Tradition. Etwas Schönes und Unterhaltsames, um den Frieden, die Liebe und das Leben zu feiern. Und so wurde der metagalaktische Grand Prix geboren, in dem alle empfindungsfähigen Zivilisationen friedlich gegeneinander antreten. Seitdem muss jede neue Spezies, die Mitglied der kosmischen Gemeinschaft werden will, an der Show teilnehmen. Das Ganze ist ein Riesenspaß, das Problem ist nur: Auf dem letzten Platz wartet die völlige Vernichtung – und die Aliens haben ganz eigene Vorstellungen davon, wer für die Erde antreten soll …


Rezension

Dass „Decibel Jones and the Absolute Zeros” mit ihren Songs Hallen füllen und in großen Zeitungen besprochen werden, gehört der Vergangenheit an, und es ist unwahrscheinlich, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird – Decibel „Dess“ Jones zehrt vom Rest seines schnell verblassenden Ruhms, Oort St. Ultraviolet lebt das Leben eines durchschnittlichen englischen Familienvaters, das er sich immer gewünscht hat, und das dritte Bandmitglied, Mira Wonderful Star, ist tot. Doch Dess‘ und Oorts Leben nimmt, wie das der gesamten Erdbevölkerung, eine unerwartete Wende, als ein schillerndes, blaues Vogelwesen in ihrem – und jedem anderen – Wohnzimmer auftaucht, um ihnen zu erklären, dass die Menschheit das Interesse der galaktischen Gemeinschaft geweckt hat, die nach einem langen Krieg sehr misstrauisch gegenüber neuen, potenziell gefährlichen Spezies geworden ist. Ob sie die Menschheit in ihren Reihen willkommen heißen oder sie auslöschen wird, hängt davon ab, wie diese beim megagalaktischen Grand Prix abschneidet. Und von den menschlichen Musikern, die die Aliens als Vertreter ausgesucht haben, sind nur noch zwei am Leben: Dess und Oort.

Auf einem organischen, von Zeitreiseparadoxen betriebenen Raumschiff und ohne jede Idee für ein Lied, das mit den spektakulären Auftritten der verschiedensten Aliens mithalten kann, reisen sie zum Planeten Litosk und stellen fest, dass sie sich nicht nur um ihren Song und dessen Inszenierung Sorgen machen müssen, sondern auch um die Versuche der anderen Musiker*innen, vorzeitig die Konkurrenz auszuschalten. Catherynne M. Valente hatte beim Weltenbau für ihren abgedrehten Science-Fiction-Roman sichtlich Spaß. Sie beschreibt eine Zivilisation intelligenter, gasgefüllter Blasen, die alle Ursula heißen, bärenartige Wesen, die alternative Zeitlinien sehen können, schwarmintelligente Viren, die ihre Opfer in zombiehafte Marionetten verwandeln und exzellenten Kaffee kochen, elegante Aliens, die Bescheidenheit zu einer Kunstform entwickelt haben, und viele andere Wesen. Logik weicht hier schüchtern davor zurück, was TV-Tropes als „Rule of Funny“ und „Rule of Cool“ bezeichnet. Die ganze Grundidee des Buches ist herrlich überdreht und alles ist so schillernd und übertrieben wie nur möglich. Die allwissende Erzählinstanz breitet genüsslich all die schrägen Fakten und Ironien der Geschichte aus, die das Universum zu bieten hat. An einer Stelle ist das sehr kurz davor, anstrengend zu werden, aber genau dann wird ein Handlungselement eingeführt, das die Aufmerksamkeit wieder zu den Figuren zurückholt und den Plot vorantreibt.

Der Humor des Buches ist bereits im Weltentwurf und Plot verankert, aber durchdringt auch die originellen Beschreibungen und die absurden Situationen, in die die Figuren stolpern und die mit den Erwartungen der Leser*innen spielen. Immer wieder sind kleine Überraschungen eingestreut. Allerdings besteht bei einem Buch wie Space Opera die Gefahr, dass es zu einer Aneinanderreihung von Witzen ohne echten emotionalen Kern wird, und die Vernichtung der Menschheit ist wiederum zu groß und abstrakt, um sich wie eine echte Bedrohung anzufühlen. Glücklicherweise gelingt es der Autorin jedoch, dies zu vermeiden, indem ihre Helden, so überzeichnet sie auch sind, dabei nicht eindimensional werden und mit ihren Zweifeln und Fehlern und Schuldgefühlen Anteilnahme wecken. Die Lücke, die Mira hinterlassen hat, ist deutlich spürbar. Unübersehbare, gegenwartsbezogene Gesellschaftskritik und Überlegungen zur Rolle von Kunst werden von der gekonnt plaudernden Erzählstimme elegant in die Beschreibung von Welt und Geschehen eingeflochten.


Fazit

„Space Opera“ ist ein intelligenter, verspielter Science-Fiction-Roman, der ständig zum Schmunzeln, manchmal zum Lachen, aber überraschenderweise auch zum Mitfühlen und Nachdenken anregt.


Pro und Contra

+ originelle Grundidee
+ konsistenter, witziger Erzählstil
+ unzählige wunderbar übertriebene, fantasievolle Details im Weltenbau
+ Szenen mit echter emotionaler Wucht
+ Hauptfiguren, die Mitgefühl wecken
+ Diversity (Hauptfiguren gehören ethnischen Minderheiten an, Darstellung verschiedener sexueller Orientierungen und Beziehungskonstellationen)
+ Gesellschaftskritik

- gelegentlich schwelgt die Erzählinstanz zu sehr in Beschreibungen der Welt

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 3/5

Tags: Space Opera, SF-Autorinnen, Aliens