Interview mit Katharina V. Haderer
Literatopia: Hallo, Katharina! Kürzlich ist mit „Das Schwert der Totengöttin“ der Auftakt Deines „Black Alchemy“-Epos bei Droemer Knaur erschienen. Was erwartet die Leser?
Katharina V. Haderer: Eine schwarzmagische Geschichte im mittelalterlichen Setting, erzählt von zwei ungewöhnlichen Charakteren – einem etwas bornierten Gardisten und einer freiheitsliebenden Alchemistin. Und Untote! Jede Menge Untote, die durch die Vorlande kriechen.
Literatopia: Tote, die sich aus ihren Gräbern erheben und Lebende angreifen – das erinnert natürlich stark an Zombies. Trifft es das? Und wie passen die in eine Fantasywelt?
Katharina V. Haderer: Das passt ganz ausgezeichnet in eine Fantasywelt – in diesem Fall ist die Totengöttin Nif Schuld an den Unruhen in den Grabhügeln. Untote sind ja keine Erfindung der Neuzeit. Mancherorts war es üblich, den Toten die Sehnen durchzuschneiden, damit diese nicht aus den Gräbern zurückkehren konnten.
Diese Praktik wird später auch in meinem Buch angewandt. Geister und Wiederkehrer durchziehen die Mythologien der gesamten Welt, seitdem Geschichten erfunden und weitergegeben werden können.
Literatopia: Zu Beginn Deines Romans wird Protagonist Zejn in ein beschauliches Dorf versetzt, wo er sich deplatziert fühlt. Wo wäre er lieber? Und was ist er für ein Mensch? Was treibt ihn an?
Katharina V. Haderer: Zejn hat recht viel von seiner Menschlichkeit abgelegt, weswegen er sich selbst auch nie beim Vornamen nennt (eigentlich heißt er Erik). Das liegt zum einen daran, dass er der Garde absolut ergeben ist – trotz seines Disputs mit dem Militäroberhaupt aus der Hauptstadt. Andererseits hat er dort auch seine große Liebe verloren, weswegen ihm an persönlichen Gefühlen nichts gelegen ist. In der Moderne würden wir ihn zu Beginn wohl als funktionale Maschine beschreiben. Er geht den Geschehnissen auf den Grund, weil es seine Aufgabe bist. Nie würde er sich erträumen lassen, dass er dazu einen persönlichen Bezug bekommen würde. Aber alles ändert sich – vor allem in Büchern!
Literatopia: Mirage lebt in einer kleinen Kate voller Kräuter, Tiegel und Spinnweben. Sie flickt Wunden und stellt Medizin und Rauschmittel her – wie viel Magie ist da im Spiel? Und warum hält Zejn sie für eine Gesetzesbrecherin?
Katharina V. Haderer: Eigentlich sind es die Dorfbewohner, die Zejn auf die Spur ansetzen. Sie nennen Mirage Dorfheilerin oder Kräuterhexe. In meiner Welt ist Magie an unterschiedlichen Orten unterschiedlich stark reglementiert. Im Stadtstaat Tradea hat die Magierakademie zu Tradea das Sagen und bestimmt darüber, wer Zugang zu magischen Fähigkeiten hat. Wer sich dem verwehrt, wird als Hexe oder Hexer verschrien und landet rasch am Schafott.
Alchemie ist eine Mischkunst aus magischen und antimagischen Stoffen. Wer keine Lizenz besitzt, darf sie nicht ausüben. Der Akademie ist natürlich gelegen, diese Macht bei sich zu behalten. Denen gefällt es nicht, wenn sich Menschen wie Mirage ihren Regeln widersetzen. Und die Garde – also Zejn und seine Einheit – sind schließlich nur ausführende Organe dieser Ordnung.
Literatopia: Erzähl uns etwas über den Stadtstaat Tradea. Wie sieht es dort aus? Und inwiefern hat Dich Frankreich inspiriert?
Katharina V. Haderer: Verschiedene Orte haben mich inspiriert. Mir war klar, dass Tradea eine gewaltige, internationale Handelsstadt sein muss. Der venezianische Einfluss durch die Kanäle, die es durchziehen, ist unverkennbar. Auch Venedig war einst ein Handelszentrum, von dem aus die Schiffe durchs gesamte Mittelmeer gezogen sind. Am Französischen fasziniert mich vor allem der Sprachklang sowie der Klang der Namen. Ich wollte gern darstellen, dass es in Tradea eine Urbevölkerung gibt, jedoch durch den Handel eine starke – positive – Durchmischung mit den Heißen Ländern stattgefunden hat. Mir war es immer wichtig, Tradea und seine Partnerstadt in Gilebret, die Hafenstadt Phalanx, gleichberechtigt und im positiven Ausgleich darzustellen. Mirage hat ihre negative Vergangenheit, aber ihre Hautfarbe sollte nie ein Teil davon sein. Der Grund dafür ist Empowerment.
Literatopia: „Das Schwert der Totengöttin“ hat bereits viele sehr positive Rezensionen erhalten. Liest Du diese alle? Was hat den Lesern besonders gut an Deinem Roman gefallen?
Katharina V. Haderer: Ja, ich lese die Rezensionen, sowohl die guten als auch schlechten. Nicht immer ist das für mich gut, wenn ich böse Kritik erhalte, blockiert mich das auch gelegentlich. Ich habe daher auch schon eine Zeit lang keine gelesen. Wenn ich merke, dass eine Rezension besonders gehässig ist – was passiert -, nehme ich mir auch heraus, sie nicht weiter zu lesen. Sie hat ihren Bestand und ich finde es generell gut, dass Leute Feedback schreiben, aber für mein Schreiben hat es dann eher einen negativen Effekt als einen positiven.
Aus guter Kritik nehme ich gelegentlich auch etwas mit. So sagten viele Rezensionen, dass sie sich mehr Hintergrund über Mirage wünschen. Das habe ich mir für Band zwei zu Herzen genommen und eingebaut. Im Allgemeinen gefällt den Leuten die Vielschichtigkeit der Charaktere, dass sie nicht immer „gut“ im konventionellen Sinne handeln, sondern authentisch, die barocke Sprache und das düstere Setting.
Literatopia: Deinen Debütroman „Das Herz im Glas“ hast Du 2014 selbst veröffentlicht. Hattest Du es davor bei einem Verlag versucht? Welche Vorteile hatte das Selfpublishing für Dich?
Katharina V. Haderer: Nein, beim „Herz im Glas“ hatte ich davor keinen Verlag gesucht, was daran lag, dass ich davor bereits andere Manuskripte eingesendet hatte und kein positives bis gar kein Feedback erhalten hatte. Ich habe mir damals einfach keine Chancen mehr ausgemalt. Mein Vater hatte einen Artikel über Selfpublishing bei Amazon KDP gelesen, mir diesen ausgeschnitten und hingelegt. „Mach das!“, hat er gesagt. Also habe ich gemacht. Man hat natürlich sehr viele Freiheiten, was aber natürlich auch gleichzeitig viele Unsicherheitsstellen bedeutet. Da ist niemand, der dir sagt, dass das so passt. Wer es gescheit macht, muss auch finanzielle Ressourcen für Lektorat, Cover, Korrektorat etc. opfern, die im Normalfall der Verlag übernimmt. Das ist ein Risiko. Es kann sich lohnen – oder auch nicht. Generell sage ich niemals nie. Möglicherweise passen Projekte später zum Selfpublishing. Aber momentan bin ich mit der Zusammenarbeit mit Verlagen zufrieden.
Literatopia: Du warst die letzten Jahre ziemlich produktiv – arbeitest Du an mehreren Projekten parallel? Und machst Du Dir viele Notizen beim Schreiben oder hast Du alles im Kopf?
Katharina V. Haderer: Meist ja, allerdings unbeabsichtigt. Wenn ich bei einem Projekt über Wochen hinweg hänge, kann es schon passieren, dass ich einmal an etwas anderem arbeite. Schreibblockaden können etwas ganz Fieses sein. Und sich über Monate hinweg ziehen. Da kann es gut sein, sich mit etwas anderem zu beschäftigen. Momentan arbeite ich allerdings an der Herausforderung, zwei Reihen zu beenden. Die letzten Bände sind meiner Meinung nach die schwierigsten, da sie alle Handlungspunkte verknüpfen und den/die LeserIn zufrieden zurücklassen sollen. Notizen mache ich in meinem Notizbuch oder verwende das Notizboard meines Schreibprogramms. Das sieht ziemlich wild aus.
Literatopia: Ein oft gelesener Tipp für Autoren ist „Kill your darlings“ – wie oft hast Du schon Lieblingsszenen rausgeworfen? Und was hilft, wenn man mit seinem Text unzufrieden ist und nicht genau weiß, woran es liegt?
Katharina V. Haderer: Ich töte weniger meine Lieblinge, als dass ich nachprüfe, ob Szenen wirklich essenziell für den Text sind. Da kann es schon passieren, dass etwas Schönes oder Lustiges rausfällt. Das ist genau die Unzufriedenheit, die du oben ansprichst. Manchmal habe ich das Gefühl, es passt nicht richtig – beim Überarbeiten oder Weiterschreiben. Dann muss ich prüfen, ob die Basis passt. Sind Längen drinnen? Oder verhalten sich die Charaktere nicht ihrem Charakter konform? Dann gehört hier noch gearbeitet, gefeilt und notgedrungen rausgeworfen. Ich bin da sehr rauswerf-geil. Ich schneide viel.
Literatopia: Was macht für Dich einen richtig guten (Dark-)Fantasyroman aus? Hast Du vielleicht Beispiele, die besonders gelungen sind?
Katharina V. Haderer: Ich liebe die Geschichten von Anne Bishop, wie z.B. die „Schwarze Juwelen“-Reihe oder „Written in Blood“ (wobei letzteres mehr Urban Fantasy ist). Aus dem deutschsprachigen Bereich lese ich besonders gern Kai Meyer, der in vielen Fantasy-Sparten unterwegs ist und durch seinen Stil besticht. Ein selten gelesener und wie ich finde, sehr spannender Roman von ihm ist „Loreley“. Bekannter ist z.B. die Arkadien-Reihe. Als Diebesgilden-Roman kann ich „Among Thieves“ empfehlen, den habe ich allerdings nur auf Englisch gelesen. Als episches Werk „Das Flüstern des Windes“, mal sehen, wann wir Band 3 erwarten dürfen.
Literatopia: Eine Standardfrage, die die meisten Leser sehr interessiert: Wie bist Du zum Schreiben gekommen? Lag es Dir schon immer im Blut? Oder musste diese Leidenschaft erst entfacht werden?
Katharina V. Haderer: Ich habe immer schon Geschichten geliebt, das Vorlesen, Erzählen und das Schauen von Filmen war mir immer sehr wichtig. Einmal hatte ich einen Traum über einen kürzlich gesehenen Film (Pocahontas), der mir die Augen öffnete – ich kann ja nicht nur ansehen, nein, ich kann die Geschichten in meinem Kopf verändern! Das hat eigentlich den Grundstein gelegt. Bereits vor der Schulzeit habe ich mir daraufhin Geschichten erzählt, auf Musikkassetten aufgenommen und wieder angehört. Leider hat davon nichts überlebt.
Literatopia: Du zeichnest auch gerne – was zum Beispiel? Und zeichnest Du auch Figuren / Orte aus Deinen Romanen?
Katharina V. Haderer: Früher habe ich mehr gezeichnet – und auch besser, wie ich finde. Zeichnen und Schreiben sind beides sehr zeitintensive Hobbys. Irgendwann muss man sich dann entscheiden. Neben Uni und Arbeit geht es nicht, sich beidem zu widmen.
Für mich wurde es dann das Schreiben, was auch an meinem Germanistik-Studium gelegen hat. Ich habe mehrere Anläufe gemacht, auf eine Kunstschule zu gehen, aber es hat nie geklappt. Heute widme ich mich hauptsächlich der Portraitarbeit.
Literatopia: Für alle, die „Das Schwert der Totengöttin“ schon gelesen haben – kannst Du uns abschließend noch einen Ausblick auf den zweiten Band, „Der Garten der schwarzen Lilien“ geben?
Katharina V. Haderer: In Band zwei müssen Mirage und Zejn ihr detektivisches Geschick beweisen – und in die Diebesgilde der Stadt eindringen, um der Spur des Schwerts zu folgen. Ich bin drauf gekommen, dass in Band zwei weniger Zombies vorkommen, was schlicht daran liegt, dass der Dieb das Artefakt ganz gut unter Kontrolle hat. Langweilig wird es trotzdem nicht. Rauschmittelhöhlen, Bordelle, winterliches Baden in den städtischen Kanälen … ich darf versprechen, ich mute den Charakteren einiges zu.
Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!
Autorenfoto: Copyright by Katharina V. Haderer
Illustrationen von Zejn und Mirage: Copyright by Janna Sophia (Instagram: @jannaphia)
Autorenhomepage: www.katharinavhaderer.com
Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.