Verlag: Splitter-Verlag; (April 2019)
Gebundene Ausgabe: 200 Seiten; 36 €
ISBN-13: 978-3962191900
Genre: Historik
Klappentext
Von 1885 bis 1908 existierte in Zentralafrika der Kongo-Freistaat als persönlicher Besitz des Alleinherrschers König Leopold II. von Belgien. Nachdem er das Land unter dem Deckmantel der Humanität und der wissenschaftlichen Forschung hatte erkunden lassen, lenkte Leopold um auf einen politischen Kurs der aggressiven Ausbeutung. Mehrere Millionen Afrikaner starben durch diese sogenannten „Kongogräuel“.
Rezension
Der Kongo um die Jahrhundertwende. König Leopold II. von Belgien besitzt die spätere belgische Kolonie. Sie zählt zu seinem Vermögen und das Geld sprudelt förmlich. Das liegt vor allem daran, dass der König im Kongo einen Kapitalismus fördert, der auf nichts und niemanden Rücksicht nimmt. Die Einwohner Kongos werden gnadenlos ausgebeutet, wer nicht gehorcht, oder sich verweigert, wird bestraft. So sterben zahllose Menschen und werden verstümmelt, vergewaltigt und verschleppt. Unvorstellbare Gräuel finden statt, ganze Dörfer verschwinden von der Landkarte. Allerdings regt sich Widerstand. Mit den Mitteln der Presse und der Politik versuchen mehrere Männer, die Situation zu ändern. Jedoch ist Leopold II. ein geschickter Taktiker und weiß genau, wie er seine Kritiker zum Verstummen bringen kann und wen er wie manipulieren muss, um vor der Weltöffentlichkeit sogar als Wohltäter zu gelten, der sich klar gegen die Sklaverei wendet. In dieser Zeit reist Paul Delisle in den Kongo, um seinen Vater zu suchen und er findet dort eine Familie und eine neue Heimat und wird Zeuge dessen, was im Kongo passiert.
Dass Belgien eine Kolonie besessen hat, erscheint erstmal etwas befremdlich, da Belgien selbst, vergleichsweise jung und vor allem klein ist und im Machtgefüge Europas nicht so die ganz große Rolle gespielt hat. Tatsächlich ist der Kongo auch zunächst keine staatliche Kolonie gewesen, sondern eben Privatbesitz des Königs, der dort sehr viel Geld investierte und somit so viel Geld wie möglich herausholen wollte. Und genau dies führte zu den Kongogräueln, die Maryse & Jean-Francois Charles in Africa Dreams bechreiben. Dass diese Gräuel ein schwieriges Thema in Belgien waren, zeigt sich daran, dass selbst ein Herge sich in Tim im Kongo nicht wirklich mit dem Thema beschäftigte, sondern die belgische Herrschaft sehr unreflektiert darstellte und sogar vor Stereotypen in Bezug auf die Ureinwohner nicht zurückschreckte, wenngleich er sie in späteren Auflagen abschwächte. Der Kongo ist also ein schwieriges Thema. Maryse und Jean-Francois Charles arbeiten dieses Thema allerdings gewissenhaft auf. Sie nehmen Leopold als einen ihrer Hauptakteure für Africa Dreams und stellen seine Beweggründe aber auch seine Skrupellosigkeit dar, seine politischen Winkelzüge und gnadenlose Abrechnung mit seinen Gegnern. So ergibt sich ein ungeschöntes Bild des Kolonialismus unter Leopold II. Die Szenen in Leopolds Palast wären aber nicht ausreichend, weswegen ein Großteil des Comics im Kongo spielt und durch den Kontrast der Schönheit des Landes und der Grausamkeiten, die von den Weißen begangen werden, eine ungeheure Wucht entwickelt, die einen betroffen macht und zum Nachdenken anregt. Denn wer ehrlich ist, kann nicht von der Hand weisen, dass sich vielleicht die Zeiten geändert haben, aber der Kapitalismus in dieser extremen Form weiterhin besteht und deswegen vermutlich Menschen immer noch so behandelt werden. Die Charles zeichnen einen differenziertes Bild, erschaffen starke Charaktere und bleiben nicht auf einer abstrakten Ebene, sondern beziehen den Leser mit ein, indem sie ihn einen Teil des Erzählten durch die Augen eines Einwanderers erleben lassen. Africa Dreams wird so zu einem äußerst wichtigen Comic, den man gelesen haben sollte, um zumindest einen ersten Einblick in die Kolonialzeit zu bekommen.
Im Anhang kommt Colette Braeckman zu Wort, Mitarbeiterin einer Zeitung, und bei ihr zeigt sich bereits wie zwiespältig und teils augenverschließend auch heute noch der Umgang mit dem Kongo ist.
Frédéric Bihel hat seine wunderbaren Bilder direkt koloriert und erschafft einen ganz besonderen Comic, den man stundenlang betrachten kann. Er verstärkt die Wirkung des Erzählten dadurch, dass seine wunderschönen Bildern teilweise im starken Kontrast zum Inhalt stehen. Auf der einen Seite darf der Leser die Natur des Kongo bewundern, auf der nächsten zeigt er ungeschminkt die Grausamkeit, die dort herrschte. Der Leser wird emotional gefordert und genauso kann der Inhalt seine Wirkung entfalten. Frédéric Bihel ist der ideale Zeichner für diesen Comic, gerade die Kälte des Königs und seiner Berater und Geschäftspartner fängt er perfekt ein.
Als Bonusmaterial sind Skizzen und Anmerkungen zu Leopold und dem Kongo enthalten.
Fazit
Africa Dreams ist ein wunderschön anzusehender Comic, der etwas sehr wichtiges zu erzählen hat und durch den Kontrast zwischen Schönheit und Grausamkeiten und Kälte seine Wirkung erst richtig entfaltet. Wohin der Kapitalismus und die Gier führen können, wird hier deutlich vor Augen geführt.
Pro & Contra
+ sehr gute Zeichnungen, die die Sehnsucht wecken und das Grauen greifbar machen
+ wichtiges Thema
+ gut dargestellt
Bewertung:
Charaktere: 4,5/5
Handlung: 5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5