Blutrecht (Sebastian de Castell)

Piper (Mai 2014)
Originaltitel: Traitor’s Blade
Übersetzer: Andreas Decker
Klappenbroschur
448 Seiten, 12,95 EUR
ISBN: 978-3-492-70321-5

Genre: Fantasy

Gelesen wurde das englischsprachige Original.


Klappentext

Falcio ist der Anführer der Greatcoats. In der Kunst des Kampfes ebenso geschult wie im Gesetz des Reiches Tristia, ziehen die Greatcoats als reisende Gesetzeshüter durchs Land, um Gerechtigkeit zu bringen und das Wort des Königs zu verbreiten. Sie sind Helden. Oder vielmehr waren sie es, bis sie tatenlos zusahen, wie die dunklen Herzöge von Tristia das Königreich übernahmen und den Kopf des Königs auf einen Pfahl spießten. Nun bewegt sich Tristia am Rande des Untergangs, und die Barbaren an den Grenzen warten nur darauf, ins Land einzufallen. Die Herzöge regieren mit Willkür und Chaos, und die Greatcoats sind weit verstreut, gebrandmarkt als Verräter, Diebe und Mörder. Ihren legendären Uniformen sind nur noch Fetzen, die an eine ruhmreiche Vergangenheit erinnern. Alles, was ihnen geblieben ist, ist ein letztes Versprechen, dass sie ihrem getöteten König gaben. Das Versprechen, eine letzte Mission zu erfüllen. Doch wenn sie damit Erfolg haben wollen, müssen sie sich wieder vereinen – oder miterleben, wie die Welt um sie herum in Feuer untergeht ...


Rezension

„Blutrecht“ ist der rasante Auftakt einer Tetralogie um „Greatcoat“ Falcio Val Mond: Nach der brutalen Ermordung seiner Frau hat er in König Paelis einen Freund gefunden, der mit seiner Hilfe Gerechtigkeit nach Tristia bringen wollte. Doch nun ist Paelis tot, hingerichtet, weil die Herzöge ihre Macht verteidigen wollten, und die Greatcoats werden allgemein verachtet. Obwohl er allen Einfluss verloren hat, klammert sich Falcio immer noch die Ideale, für die er und seine Kolleg*innen einst kämpften, und an die Hoffnung darauf, dass Paelis einen großen Plan hatte und er etwas von seinem Erbe bewahren kann.

Als er und seine beiden Freunde, der ernste Schwertkämpfer Kest und der prahlerische Bogenschütze Brasti, unschuldig für ein Verbrechen verantwortlich gemacht werden, müssen sie sich allerdings erst einmal auf etwas anderes konzentrieren: überleben. In der Eskorte einer geheimnisvollen Dame entkommen sie ihren Verfolgern, nur, um schließlich festzustellen, dass sie sich damit unwiderruflich in die Intrigen korrupter Adliger verstrickt ha. Als Falcio darauf besteht, ein Mädchen vor dessen Feinden zu schützen, bringt er mächtige Gegner gegen sich auf, deren Spiel er erst ganz am Ende durchschaut.

Die Handlung hetzt voran: Ein Kampf folgt dem anderen, immer wieder unterbrochen durch Rückblenden. Diese erklären, was es mit den Lösungen auf sich hat, die Falcio und seine Freunde immer wieder aus dem Ärmel schütteln, aber enthüllen auch nach und nach die tragische Vergangenheit, die Falcio geformt hat. Die drei Greatcoats sind auf ihren jeweiligen Spezialgebieten unübertroffen – Brasti gelingen eigentlich unmögliche Schüsse, Kest kann mehr oder weniger jeden mit dem Schwert besiegen und Falcio ist ein raffinierter Fechter und Stratege, der immer einen cleveren Spruch auf den Lippen hat. Die drei kämpfen sich unter freundschaftlichen Kabbeleien aus scheinbar aussichtlosen Situationen heraus und schaffen es gelegentlich auch, andere Menschen an deren Ideale zu erinnern. Allerdings gelingt es ihnen nicht immer, unbeschadet zu entkommen, und sie begehen auch konsequenzenreiche Fehler.

Ihre Triumphe, das Tempo der Handlung und der Humor in Erzählstimme und Dialogen sind ein notwendiges Gegengewicht dazu, dass es sich eigentlich um ein ziemlich dunkles Buch handelt: Nicht nur herrscht in Tristia mittlerweile das rücksichtslos ausgeübte Recht des Stärkeren, auch Ich-Erzähler Falcio verbirgt hinter seinem trockenen Humor eher schlecht, dass er eigentlich nicht besonders an der traurigen, schmerzhaften Angelegenheit hängt, die sein Leben ist. Daran ändert sich nicht viel – egal, was die AntagonistInnen ihm antun: er hat seinen psychischen Tiefpunkt längst erreicht. Aufwärts geht es aber auch, wenn überhaupt, nur zaghaft. Falcio bleibt ein eher statischer Charakter, der allerdings mit seinen Idealen und seiner Wut gut geeignet ist, die Handlung voranzutreiben, und dessen Humor und Distanz die Lektüre erst erträglich machen.

Die wichtigsten Antagonisten sind größtenteils einseitig böse, auch wenn sich einige Figuren überraschend als komplexer als zunächst erwartet offenbaren und sich zum Besseren wandeln. Der Schauplatz Tristia – ein feudalistisches Fantasy-Land, in welchem es seit kurzem Pistolen gibt – bleibt eine vergleichsweise blasse Kulisse für das Geschehen. Das Tempo, mit dem die Handlung voranschreitet, lässt wenig Raum für nicht unmittelbar plotrelevante Informationen, selbst Vorausdeutungen können nur sparsam eingesetzt werden. Dies ist wahrscheinlich mit dafür verantwortlich, ein romantischer Subplot sehr abrupt auftaucht und einer Figur plötzlich die Option gegeben wird, ein Happy End mit jemandem zu finden, den sie vor vielleicht einem Jahrzehnt kurz gesehen hat. Oft aus purer Boshaftigkeit ausgeübte Gewalt und Ungerechtigkeit werden drastisch geschildert, aber mit Momenten kontrastiert, in denen Figuren mutig und loyal handeln und hin und wieder tatsächlich einen Unterschied machen.


Fazit

In Sebastian de Castells „Blutrecht“ bilden unterhaltsam überzeichnete Kampfszenen, eine rasante, actionreiche Handlung und bissiger Humor ein Gegengewicht zu einer brutalen Welt und einem Protagonisten, hinter dessen unermüdlichen Kampf für seine Ideale sich Verzweiflung verbirgt.


Pro und Contra

+ Humor, Kabbeleien zwischen den Figuren
+ tolle, überzogene Kampfszenen
+ Tempo und Action
+ überraschende Wendungen
+ Idealismus

o sehr dunkle und brutale Welt

- eindimensionale Antagonisten
- Handlung wirkt gehetzt; sonderbarer, unvorbereiteter romantischer Mini-Subplot

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5


Rezension zu "Hochverrat" und "Sturmbogen" (Bd. 2 &3, entsprechen dem englischsprachigen Bd. 2)

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