Aquarica Bd.1 – Roodhaven (Benoit Sokal, Francois Schuiten)

Verlag: Splitter-Verlag; (April 2019)
Gebundene  Ausgabe: 72 Seiten; 18 €
ISBN-13: 978-3962192891

Genre: Drama/ Abenteuer/ Mystery


Klappentext

Meine Enkeltochter, hier bei uns haben wir wie in einem Paradies auf Erden gelebt. Im Wandel der Zeiten und über die Generationen hinweg haben wir in vielerlei Hinsicht die Güte und Unschuld einer ursprünglichen Welt wiederentdeckt...Wie deine Brüder und Schwestern bist du ohne Zwänge aufgewachsen. Anstatt lesen und schreiben zu lernen, habt ihr euch Wissen über das Wasser und den Wind angeeignet... Eure Schulbänke waren die Wogen und die Gischt... Du weißt also nichts von der übrigen Welt.


Rezension

Das kleine Städtchen Roodhaven an der Ostküste der USA im Jahr 1930 ist ein Ort, der seine beste Zeit längst hinter sich hat. Vor zwanzig Jahren ist der Walfänger der Stadt untergegangen und damit die Lebensgrundlage der Seemänner. Seitdem sieht es düster aus und die alten Seebären ergehen sich in Erinnerungen und Gedanken an Rache, an dem Wal, der die Golden Licorn versenkt hat.
Dann geschieht eines Tages etwas unglaubliches. Ein Meereswesen, welches wie ein gigantischer Krebs aussieht, aber auch Holz und Metallteile in seinem Körper vereint, taucht am Strand auf. Als die Seebären entdecken, dass auch Teile der Golden Licorn in dem Körper zu sehen sind, sind sie nur schwer zu bändigen. Ein Meeresbiologe wird gerufen und der macht eine erstaunliche Entdeckung. Mit dem Krebs ist ein Mädchen gereist, welches seine Hilfe benötigt. Denn der Ort, von dem sie kommt, ist in Gefahr. Das große Problem ist, dass die Seebären nun endlich die Gelegenheit sehen, sich an dem Riesenwal zu rächen und das Mädchen, Aquarica, ist der Schlüssel dazu.

Für Aquarica haben sich zwei Schwergewichte des frankobelgischen Comics zusammengetan. Francois Schuiten, der vor allem wegen der Reihe Die geheimnisvollen Städte bekannt ist, die mit surrealen Elementen angereichert ist und Benoit Sokal, dessen melancholischer Inspektor Canardo, bereits seit vierzig Jahren ermittelt. Zudem hat er den wundervollen Kraa geschaffen und war federführend bei Computerspielen wie Syberia. Auf den ersten Blick sind die beiden Autoren von Aquarica relativ gegensätzlich, da z.B. bei Canardo antropomorphe Tiere handeln, statt Menschen.
Jedoch erweist sich ihre Zusammenarbeit als ein Glücksfall. Benoit Sokal hat mit Kraa bewiesen, dass er sehr realistisch zeichnen kann, was Aquarica erfordert, und sein Canardo zeigt, dass er ohne Probleme eine düster-melancholische Atmosphäre schaffen kann. Und genau diese ist bei Aquarica von Nöten. Roodhaven wird davon bestimmt, was die Lebensumstände mit einem Menschen machen. Die alten Seebären, die anscheinend alles verloren haben, sind raubeinig, launisch und wettergegerbt. Sie hängen ihren Träumen nach und ihrer Vergangenheit. Schuiten und Sokal zeichnen die Charaktere sehr genau und nachvollziehbar. Sie sind nicht nur einfach Mittel zum Zweck, um eine Geschichte zu erzählen, sie sind zum Teil die Geschichte. Aquarica erzählt von ihnen, von ihrer Umgebung und ihrem Leben. Und ebenso tut es das bei Aquarica, die ebenso von ihrer Umwelt geprägt wurde und entsprechend handeln muss. Sie ist nicht besser oder schlechter als die Seemänner, sie ist anders und das zeigen Sokal und Schuiten. John Greyford, der Meeresbiologe ist der Mittler zwischen den Welten. Er sitzt zwischen den Stühlen und kann nicht wirklich sagen, was richtig und was falsch ist. Ebenso wenig kann dies der Leser. Sicher handeln die Seebären letztlich falsch, so weit es abzusehen ist, aber Aquarica und ihre Familie ist eben auch nicht frei von Schuld. Aquarica ist vielschichtiger als es auf den ersten Blick scheint und enthält viele Verweise auf seine Vorbilder über Moby Dick bis Jules Verne. Francois Schuiten und Benoit Sokal neben das Beste ihres jeweiligen Werkes und vereinen es in diesem melancholischen Comic, dessen zweiter Teil hoffentlich das Niveau halten kann.

Aquarica enthält auf seine Art einen Abgesang auf die Seefahrerromantik und dies spiegelt sich in Benoit Sokals Zeichnungen. Er zeichnet realistisch und gleichzeitig etwas entfremdet, so dass der Comic für den Leser wie eine Legende der See vorkommen muss. Alles ist dunkel gehalten, regnerisch und das Meer kalt und unruhig. So wirkt Aquarica wie ein letzter Blick auf eine untergehende Welt.


Fazit

Francois Schuiten und Benoit Sokal tun sich zusammen und haben mit Aquarica einen vielschichtigen, melancholischen Comic geschaffen, der viel mehr beinhaltet, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Aquarica ist einer der Comics, der dieses Jahr auf jeden Fall gelesen werden sollte.


Pro & Contra

+ Sokal und Schuiten arbeiten zusammen
+ herrliche Zeichnungen von Benoit Sokal
+ vielschichtige Charaktere

Bewertung:

Charaktere: 5/5
Handlung: 4,5/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Benoit Sokal:

Rezension zu Kraa Bd.1