Von Rache und Regen - Buch 1: Regentänzer (Annette Juretzki)

regentaenzer

Traumtänzer Verlag (2019)
Taschenbuch, 562 Seiten, 13,95 EUR
ISBN: 978-3-947031-26-9

Genre: eisenzeitliche Fantasy / Dark Fantasy / Horror


Klappentext

Die Götter meinten es nicht gut mit uns, denn es ist eine grausame Zeit, in die wir geboren wurden.

In einem alten Krieg kämpft das Imperium gegen die Ash’Bahar und einen Fluch, der die Toten wiederauferstehen lässt. In diesen Wirren desertiert der Soldat Riagh, um in seiner von Untoten überrannten Heimat nach Anryn zu suchen – der Frau, der er versprochen wurde. Als er unterwegs versehentlich Nuzar das Leben rettet, will Riagh sich eigentlich nicht lange mit ihm beschäftigen, denn Nuzar ist einer jener Feuermagier, die an den Untoten schuld sind. Nur ist Nuzar niemand, den man so leicht vergessen könnte, und er weiß, wie der Fluch zu bannen ist. Aber solche Macht hat stets ihren Preis – und es ist an Riagh, ihn zu zahlen.


Rezension

Soldat Riagh flieht von der Front, um in seiner Heimat nach Anryn, seiner Ziehschwester und Verlobten, zu suchen. Als Deserteur gebrandmarkt geht er gegen den Strom der Flüchtlinge, deren Leben sowohl von Untoten als auch von imperialen Soldaten bedroht ist. Denn wer vor dem Fluch, der die Toten erweckt, flüchtet, wird mit dem Tod bestraft. Riagh hat keine Zeit, sich um das Schicksal seiner Landsleute zu kümmern, seine Gedanken gelten einzig allein Anryn und der schwindenden Hoffnung, sie lebend zu finden. Auf seiner Reise durch das regendurchtränkte Carthal begegnet er einer Gruppe Fischer, die einen gefesselten Mann foltern. Es handelt sich um einen Ash’Bahar, einen Feind des Imperiums, der den Tod verdient hätte. Doch Riagh kann nicht zusehen, wie sich die Meute auf den Wehrlosen stürzt und rettet den Feuermagier, nicht ahnend, dass dieser weiß, wie der Fluch zu brechen ist …

“Eine Welt, die nur bestehen konnte, wenn man Kinder vorsorglich abschlachtete, damit sie sich nicht beim ersten Fieber in Bestien verwandelten, hatte es nicht verdient, dass man um sie kämpfte.“ (Seite 434)

“Regentänzer“, der Auftakt von „Von Rache und Regen“, ist der erste Fantasyroman von Annette Juretzki und beginnt so düster und blutig wie er endet. In einer vom Krieg zerrütteten, eisenzeitlichen Welt grassiert ein grausamer Fluch, der die Toten zu neuem, mörderischem Leben erweckt. Die Verfluchten stürzen sich die Lebenden und reißen sie mit sich in die Verdammnis. Angeblich haben die Ash’Bahar, ein Volk von Feuermagiern, den Fluch in die Welt gebracht – schließlich können sie mit ihrer Magie die Untoten kontrollieren. Entsprechend misstraut Riagh den Feuermagier Nuzar und will ihn sogar eigenhändig töten, bringt es jedoch nicht über sich. Eine gute Entscheidung, denn Nuzar entpuppt sich als wertvoller Verbündeter, der erkannt hat, dass der Fluch vor niemandem Halt macht und die ganze Welt bedroht. Der Krieg, den das Imperium gegen die Ash‘Bahar und viele andere Völker führt, erscheint dagegen stumpfsinnig, doch sowohl Imperiale als auch Ash’Bahar vernichten sich lieber gegenseitig, statt gemeinsam gegen den Fluch zu kämpfen.

Riagh ist zu Beginn des Romans ein gebrochener Mann, den einzig seine Mission, die Rettung Anryns, aufrecht hält. Auf der Flucht von der Front hat er seinen Ziehbruder und Geliebten Sivok verloren, noch ehe er begreifen konnte, welche Gefühle sie miteinander verbanden. Seine Heimat, das regennasse Carthal, zerfällt um ihn herum und die sinnlose Gewalt und Ungerechtigkeit des Krieges haben ihn verbittert. Entsprechend misstraut er seinem neuen Gefährten Nuzar, der sein Gegenteil zu sein scheint. Der Ash’Bahar drückt sich stets vornehm aus (und spricht im generischen Femininum!), scheint nichts wirklich ernst zu nehmen und wo in Riagh nur Regen ist, brennt in ihm ein Feuer, das die ganze Welt in Brand stecken kann. Riagh fühlt sich unweigerlich zu ihm hingezogen, leugnet seine Gefühle jedoch und hält Nuzar auf Abstand. Diesen umgeben so viele Geheimnisse, dass man Riaghs Misstrauen gut nachvollziehen kann. Sowohl Riagh als auch Nuzar sind starke Charaktere, deren Schicksale berühren und die durchweg authentisch bleiben.

“Wir haben stumm zugesehen, wie sie die unseren hängten, schuldig oder nicht. Jetzt sieh du nicht zu, wie sie uns hängen. Denn das ist es doch, woraus sie ihre Stärke speisen: nicht aus denen, die für sie handeln, sondern aus denen, die glauben, es gehe sie nichts an.“ (Seite 193)

Seit ihrer „Sternenbrand“-Dilogie hat sich Annette Juretzki enorm weiterentwickelt. “Regentänzer“ ist unheimlich atmosphärisch geschrieben und man spürt den ständigen Regen, der in Carthal viele verschiedene Namen hat, regelrecht auf der Haut. Der Regen bietet eine schaurige Kulisse für eine Welt, die von Untoten überrannt und im Krieg zerrieben wird. Das Imperium erinnert dabei an das Römische Reich, das den Barbaren die Zivilisation bringen will. Dabei sind die Carthaler keineswegs rückständig, sie haben sich schlicht perfekt ihrem verregneten Land angepasst und leben im Einklang mit dem Wetter, das ihre religiösen Vorstellungen beherrscht. Die Autorin überzeugt dabei mit detailreichem Worldbuilding, das zusammen mit Riaghs Perspektive dafür sorgt, dass man als Leser komplett in der Welt (und Riaghs Gedanken) versinkt. „Regentänzer“ ist ein Roman geworden, bei dem die Seiten nur so dahinfliegen und den man in einer Nacht verschlingt (wenn man morgens nicht früh aufstehen muss).

Trotz aller Düsternis, rollenden Köpfen und nicht enden wollenden Blutströmen ist „Regentänzer“ niemals gewaltverherrlichend. Die Brutalität ist Teil der vormittelalterlichen Welt und der Fluch der Untoten bringt in den Menschen das Schlechtesten zum Vorschein. Trotzdem gibt es immer wieder Lichtblicke, Menschen, die noch nicht jedwedes Mitgefühl vor lauter Angst vergessen haben und die nach dem handeln, was sie für richtig und gut halten. Die Spannung bleibt konstant hoch, sei es, weil Riagh und Nuzar in einen aussichtslosen Kampf verwickelt sind oder weil die beiden für winzige Momente die Distanz zwischen ihnen überwinden. Einzig negativ fällt auf, dass die beiden im Verlauf der Handlung zu oft an der Schwelle des Todes stehen, sodass die Dramatik irgendwann abnimmt, weil sie Aussichtslosigkeit nicht mehr zu übertrumpfen ist (und am Ende finden sie doch einen oftmals überraschenden Weg).

Ein großes Lob geht zudem an das großartige Cover von Yvonne Less, das den Inhalt des Romans perfekt spiegelt. Überhaupt ist die Gestaltung des Taschenbuchs sehr gelungen: Hinten findet sich ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen, Orten und Göttern und vor jedem Kapitel sind Sprichworte, religiöse Zitate und historische Berichte eingefügt, die die Welt noch lebendiger machen. Vorne finden sich zudem Inhaltswarnungen.


Fazit

”Von Rache und Regen – Regentänzer“ ist ein wahnsinnig atmosphärischer, mitreißender und sehr düsterer Fantasyroman mit starken Protagonisten, die sich aneinander reiben und dabei ihre edelsten und dunkelsten Seiten zeigen. Die regendurchtränkte, eisenzeitliche Welt begeistert von der ersten bis zur letzten Seite mit ihrer schaurigen Schönheit und Komplexität und überrascht zwischen all dem Leid und der Grausamkeit des Krieges mit vielen kleinen Lichtblicken.


Pro und Contra

+ unglaubliche starke, glaubwürdige Protagonisten
+ hochatmosphärische, eisenzeitliche Fantasywelt
+ Fantasy mit Schwertern und Zombies funktioniert wunderbar
+ düster und grausam ohne Gewaltverherrlichung
+ spannend und mitreißend geschrieben
+ viele berührende Momente zwischen den Zeilen
+ großartiges Cover

- die Dramatik nutzt sich in der zweiten Hälfte ab

Wertung: sterne4.5

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5


Interview mit Annette Juretzki (2018)

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Tags: Dark Fantasy, Annette Juretzki, Eisenzeit, queere Figuren, Nekromantie, progressive Phantastik, Enemies to Lovers