Das Ritual des Wassers (Eva García Sáenz)

saenz ritual

Scherz, 2019
Originaltitel: Los ritos del agua (2017)
Übersetzung von Alice Jakubeit
Klappbroschur, 542 Seiten
€ 15,00 [D] | € 15,50 [A] | CHF 23,90
ISBN 978-3-651-02584-4

Genre: Kriminalroman


Rezension

Inspector Unai López de Ayala, genannt Kraken, Spezialist für Operative Fallanalyse, befindet sich nach seinem letzten Fall krankgeschrieben noch außer Dienst, mit einer Kugel im Kopf und vorübergehend sprechunfähig. Es vergehen Monate, bis er endlich seine Logopädin Beatriz Korres aufsucht. Wenn er etwas zu sagen hat, schreibt er es mit seinem Handy. Seine beste Freundin und Kollegin, die Viktimologin Inspectora Estíbaliz Ruiz de Gauna, genannt Esti, weiß mittlerweile, dass Unai und beider Vorgesetzte Subcomisaria ein Paar sind. Sehr zur Überraschung Unais haben sie sich in seiner Abwesenheit angefreundet. Von wem das Kind ist, das die Chefin erwartet, ist noch immer nicht geklärt. Vielleicht ist es von Unai.

Esti ruft Unai an, weil ein Mordopfer gefunden wurde, eine Schwangere, an den Füßen an einem Baum aufgehängt. Das Opfer ist die Comiczeichnerin Ana Belén Liaño, genannt Annabel Lee. Die Inszenierung der Toten erinnert Unai an den Sommer 1992 in Kantabrien. Er war dort in einem Ferienlager in Cabezón de la Sal, unter Leitung des heutigen Professors für Kulturanthropologie Saúl Tovar. Mit dabei waren auch dessen dreizehnjährige Tochter Rebeca und Unais Freunde aus der Clique, Asier, heute Apotheker, Lutxo, Journalist von Diario Alavés und José Javier Hueto, genannt Jota, sowie Annabel Lee. Die vier Freunde hatten in dem Ferienlager allesamt Sex mit Annabel. Rebeca Tovar war 1994 aus dem Wohnsitz der Familie verschwunden. Wenige Tage später erhielt eine Zeitung Fotos von ihr, auf denen zu sehen ist, wie sie an einem Baum kopfüber hängt, den Kopf im Fluss, an einer uralten Kultstätte für Wassergottheiten. Ihr Leichnam wurde nie gefunden.

In seinem zweiten von drei Fällen bekommt es der Ich-Erzähler Unai einmal mehr mit einer Mordserie zu tun, die einem Programm folgt, dessen Wurzeln über zwanzig Jahre zurückreichen. Werdende Mütter oder Väter werden getötet und öffentlich zur Schau gestellt. Die Autorin schreibt in ihrer Danksagung: „Dieser Roman handelt von der Vater- und der Mutterschaft“. Das Ritual des Wassers setzt konsequent Die Stille des Todes fort, überwiegend mit den gleichen Themen. Die Hauptfiguren sind nicht nur zielorientiert, sie legen diese Zielorientierung auch permanent offen (Ermittler) oder motivieren sie durch Hinweise (Täter). Motivierung und Zielausrichtung der Täterfigur geben sodann das Programm vor, welches wir uns während der Lektüre entlang der Ermittlungshypothesen erschließen können.

Über einfache dialogische Anker führt der Prolog mit seinem letzten Satz („Sie war schwanger.“) unmittelbar auf den Beginn von Kapitel 1, der einen Verweis auf ein Fruchtbarkeitsmotiv enthält („Heute war ich wieder am Wasserbecken, Vater.“). Eine namentlich nicht genannte Frau liest die Zeitungsschlagzeile „Rätsel der jungen Selbstmörderinnen“ und den Text über den Suizid von G.T., den sie mit ihrem Blaubart genannten Vater verknüpft. Am Ende sagt sie: „Ich bin wieder da, Vater“. Wer die ersten sechs Seiten des Romans aufmerksam liest, hat die wichtigsten Fallbausteine bereits erfasst.

Eva García Sáenz hat das formale Gerüst ihres ersten Romanes auch im zweiten verwendet, wenngleich verschiedentlich ein paar Änderungen vorgenommen wurden. Auch hier arbeitet sie mit Dopplungen, darunter bereits aus dem ersten Band bekannten: eineiige Zwillinge; ein Hacker-Doppel, bestehend aus einem jungen Mann, genannt MatuSalem, und einer 67-jährigen Frau, genannt Golden Girl; zwei Ermittler, die beste Freunde sind; ein Polizist und eine Polizistin, die beide Ungeborene verloren haben; zwei Serien von Todesfällen, Suizide in der einen, Morde in der anderen. Die Dopplungen sind allerdings weniger bedeutsam als die Zahl Drei.

Die Romanstruktur ist durch drei Erzählstränge bestimmt, ein paar Nebenhandlungen kommen hinzu. Die Gegenwartshandlung spielt in der Zeit vom 04.09.2016 bis zum 25.01.2017. Die beiden Rückblicke in die Vergangenheit betreffen Saúls Schwester Sarah Tovar am 25.05.1968 und am 15.05.1993 sowie, darin eingebettet, die Ereignisse des Sommers 1992 in Kantabrien (29.06.-24.07.1992). Das Keltische Opferritual beinhaltet das Aufhängen, Ertränken und Verbrennen. Gerichtet ist dieses Ritual auf den Matronenkult, der für drei Matronen genannte Göttinnen betrieben wird. Als Unai und Esti Professor Tovar aufsuchen, verabschiedet der sich gerade von seinen drei Studentinnen. Schließlich hat Annabel in einer Lotterie drei Millionen Euro gewonnen.

Wie im ersten Roman sind auf den Innenseiten zwei für die Lektüre hilfreiche Karten abgebildet. Die erste Karte zeigt die Innenstadt von Vitoria mit Hervorhebung der wichtigen Straßen und Gebäude, die zweite gibt einen Überblick über die Handlungsorte in der Region. Die Autorin hat wieder zwei Personenverzeichnisse angefertigt. Ein kurzes befindet sich am Anfang des Buchs, ein umfangreiches am Ende. Das umfangreiche Personenverzeichnis informiert auch über Zusammenhänge, deren Kenntnis Einsichten liefert, auf die man bis zum Abschluss des Falls verzichten sollte, auch wenn hier längst nicht so viel offengelegt wird wie im ersten Band.

Im Rückblick auf 1992 erfahren wir, wie Unai zu seinem Spitznamen Kraken gekommen ist und wie sein „erstes Mal“ ablief. Annabel Lee war Unais „erste Flamme“. Bis hin zu der Tatsache, dass der Täter eine persönliche Beziehung zu Unai hat, spielt sich in Das Ritual des Wassers alles in unglaublicher Nähe Unais ab, mehr noch als in Die Stille des Todes.


Fazit

Eva García Sáenz Kriminalroman Das Ritual des Wassers ist der zweite Band einer in Spanien bereits vollständig vorliegenden Trilogie mit Inspector Unai López de Ayala, genannt Kraken. Es geht um die Aufklärung einer Mordserie, um Elternschaft, sexuellen Missbrauch von Kindern, Inzest, den Elektrakomplex, Schwangerschaftsprobleme und die durch eine Figur offen gestellte Frage, wer es wert ist, überhaupt Eltern zu werden.


Pro und Kontra

+ Personenverzeichnisse und Glossar

- erhebliche Redundanz
- überkonstruiert

Wertung:sterne3

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3/5


Rezension zu "Die Stille des Todes"