Verlag: Splitter-Verlag; (Juli 2019)
Gebundene Ausgabe: 120 Seiten; 22 €
ISBN-13: 978-3962193003
Genre: Drama/ Historik/ Krimi
Klappentext
September 1853.
Victor Hugo lebt im Exil auf der Kanalinsel Jersey.
Verfolgt von nächtlichen Erscheinungen, die ihn dazu treiben, Licht in den Tod seiner Tochter Leopoldine zu bringen, stürzt sich der Dichter in Nachforschungen, die ihn bis in das geheime Herz von Paris führen. Unter Lebensgefahr entdeckt er dort die Welt der armen Seelen, die ihn zu seinem Meisterwerk „Les Misérables“ inspirieren werden.
Die, die wir beweinen, sind nicht abwesend, es sind die Unsichtbaren.
Victor Hugo
Rezension
Im Jahr 1853 lebt Victor als Kritiker der Monarchie im Exil auf der Insel Jersey. 10 Jahre zuvor ist seine Tochter bei einem tragischen Unglück ums Leben gekommen. Ihr Boot, in dem unter anderem sie und ihr Verlobten saßen, kenterte und sie kam nicht mehr an die Oberfläche. Ihr Verlobter versuchte sie zu retten und ertrank dabei selbst. Nun erscheint Hugo bei einer Seance der Geist Leopoldines und fordert ihn auf, herauszufinden, warum vier Unschuldige bei diesem Bootsunglück sterben mussten. So begibt sich Victor Hugo wieder nach Frankreich, obwohl ihm dort eine hohe Strafe erwartet - im schlimmsten Fall sogar der Tod. So führt ihn sein Weg wieder nach Frankreich und Paris und er begegnet dort einer für ihn neuen Welt. Die der Ärmsten der Armen, wo ein Menschenleben nichts gilt und zugleich wertvoll ist. Er besucht seine Geliebten, die ihn unterstützen, bis er sich endlich bis zur Lösung des Rätsels vorgearbeitet hat.
Auf der Insel Guerney hingegen wird ein Mann names John Tapner des Mordes angeklagt und zum Tode verurteilt, obwohl er die Tat nicht begangen hat und sich nur um seine Familie sorgt. Victor Hugo setzt sich für ihn ein.
Victor Hugo gilt als einer der bedeutendsten und größten Dramatiker Frankreichs. Er schrieb Les Misérables und Der Glöckner von Notre-Dame und war auch politisch aktiv und wandelte sich vom Royalisten zu einem Republikaner, was ihm das Exil einbrachte, welchem sich Esther Gil in diesem Comic widmet. Allerdings tut sie das nicht streng nach den geschichtlichen Fakten. Sie nimmt den Tod von Victor Hugos Tochter als Aufhänger, um eine vermeintlich klassische Detektivgeschichte zu erzählen, die dann aber doch viel mehr ist. Sie schickt Hugo auf eine Reise durch seine Vergangenheit und durch das Frankreich seiner Zeit, das für die obere Bevölkerungsschicht ein angenehmes Leben bereithielt, sofern man nicht die Regierung kritisierte, aber für die Ärmsten der Armen nur wenig. Victor Hugo sammelt bei Esther Gil auf seinem Weg viele Erfahrungen, die ihn zu seinen Werken inspirieren werden und auf diese Weise wird Victor Hugo als Person greifbarer. Esther Gil geht es nicht darum, die Realität abzubilden, dies kann sie deswegen schon nicht, weil die Handlung fiktiv ist, aber durch dieses melancholisch gehaltene Handlungsgrundgerüst, gelingt es ihr, das Wesen eines Künstlers und eines politisch sehr engagierten Mannes einzufangen, der sich aktiv gegen die Todesstrafe eingesetzt hat. Zudem ist Victor Hugo – Im Exil gleichzeitig ein Sittengemälde seiner Zeit, denn Gil spricht hier nicht nur den Kampf gegen die Todesstrafe an, sondern auch das Leben der Ärmsten der Armen wird gezeigt. Der Fall von John Tapner erscheint dabei zunächst als ein Fremdkörper, mit zunehmender Lesedauer begreift der Leser aber, wie wichtig dieser Mann für Victor Hugo war und wie sehr er dabei hilft, seine Person darzustellen. Denn es geht hier im Comic nicht nur um Schuld, sondern auch um Gerechtigkeit und insbesondere Vergebung. All das verknüpft Esther Gil mit Victor Hugos Biographie sehr kunstfertig miteinander.
Ein erster Blick auf das Cover macht sofort deutlich, woher Laurent Paturaud sein Inspiration für die Zeichnungen bezogen hat. Das Cover lehnt sich nämlich ganz klar, an eines der berühmtesten Gemälde des deutschen Malers Caspar David Friedrich an. Und in einem ganz ähnlichen Stil, der stark an die Romantik angelehnt ist, gestaltet Paturaud Schlüsselszenen des Comics und gibt ihm so eine ganz eigene Atmosphäre und versetzt den Leser in genau die richtige Stimmung, um diese Geschichte vollends genießen zu können. Paturaud zeichnet sehr realistisch und naturalistisch, verleiht seinen Bildern aber zugleich etwas romantisches und zeigt damit noch einmal sein Vorbild Caspar David Friedrich.
Das Bonusmaterial ist sehr umfangreich und hochinteressant. Gil erklärt, woher sie ihre Inspiration für dieses Werk hat und legt verschiedene Hintergründe dar, die zeigen welch komplexe Persönlichkeit Victor Hugo war. Diese Fakten werden aber nicht einfach lieblos präsentiert, sondern sind mit Zeichnungen von Laurent Paturaud versehen, so dass der Leser nicht aus der Stimmung gerissen wird, die durch den Comic erzeugt wurde. Zusätzlich befinden sich noch mehrere Seiten mit Zeichnungen von Paturaud im Anhang, sowohl Skizzen als auch fertige Bilder, die erneut zeigen, wie gut er ist. Sowohl im Zeichnen von Personen als auch im Erzeugen von Stimmungen.
Fazit
Mit Victor Hugo – Im Exil fangen Esther Gil und Laurent Paturaud die Persönlichkeit eines Künstlers und die Probleme seiner Zeit ein. In ihrem melancholischen Werk, das stellenweise mit einer Bildgewalt inspiriert von Caspar David Friedrich daherkommt, entführen sie den Leser in eine Geschichte, die so vielleicht dem großen Schriftsteller selbst gefallen hätte, auch wenn sie ein paar wenige übernatürliche Elemente enthält.
Pro & Contra
+ viele Personen aus Victor Hugos Leben spielen eine wichtige Rolle
+ seine Affären werden erwähnt und gezeigt
+ melancholisch und spannend
+ ruhig erzählte Geschichte
+ Hugos Kampf gegen die Todesstrafe wird thematisiert
Bewertung:
Charaktere: 4,5/5
Handlung: 4,5/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4,5/5
Literatopia-Links zu weiteren Titeln mit Bezug zu Victor Hugo:
Rezension zu Der Glöckner von Notre-Dame (Robin Recht, Jean Bastide) Bd.1
Rezension zu Der Glöckner von Notre-Dame (Robin Recht, Jean Bastide) Bd.2
Rezension zu Der Glöckner von Notre-Dame (Georges Bess)