Vicious – Das Böse in uns (V.E. Schwab)

FISCHER Tor (Dezember 2019)
Originaltitel: Vicious
Übersetzerin: Petra Huber, Sandra Riffel
Klappenbroschur
398 Seiten, 16,99 EUR
ISBN: 978-3-596-70503-0

Genre: Superheld*innen


Klappentext

Victor Vale und Eli Ever wollen sterben. Allerdings nicht, um tot zu bleiben, sondern um mit außergewöhnlichen Kräften wieder aufzuerstehen. Als junge, brillante Medizinstudenten wissen sie genau, was sie tun. Beide kommen verwandelt wieder ins Leben zurück. Eli entwickelt eine erstaunliche Regenerationskraft und wird praktisch unsterblich, Victor kann anderen Schmerz zufügen oder nehmen.

Was sie nicht unter Kontrolle haben, ist die Tragödie, die durch ihr Experiment ausgelöst wird. Denn Superkräfte allein machen keine Helden …


Rezension

„Vicious“ beginnt mit zwei Studenten, Victor und Eli – beide charismatisch, gutaussehend und ihren Kommiliton*innen weit voraus, beide mit einer dunklen Seite. Bei dem stillen, einzelgängerischen Victor blitzt sie in seinem Ehrgeiz und Besitzdenken schon etwas früher durch, aber er ist gerade deshalb mit Eli befreundet, weil er hinter der Fassade des allseits beliebten, gut angepassten Studenten etwas faszinierend Gefährliches vermutet. Sie stacheln einander zu riskanten Experimenten an, um zu „Extraordinären“ zu werden, den Superheld*innen, über deren Existenz gemunkelt wird. Und es gelingt ihnen: Aus ihren jeweiligen Nahtoderfahrungen gehen sie mit besonderen Fähigkeiten hervor (Elis Wunden heilen von selbst und er hat nahezu aufgehört zu altern, Victor kann sein Schmerzempfinden und auch das anderer Leute kontrollieren), aber auch ihre Persönlichkeiten haben sich verändert. Jäh sind aus ihnen zwei sehr gefährliche Männer geworden, die sehr schnell alle Hemmungen verlieren, andere zu verletzen und/oder töten – und, dank der Umstände von Victors Wiederauferstehung, unerbittliche Feinde.

Ihre Wege kreuzen sich zehn Jahre später erneut: Victor ist nach einer langen Haftstrafe aus dem Gefängnis geflohen, und nun mit dem Hacker Mitch unterwegs, einem bulligen, tätowierten Mann, der von den Vorurteilen anderer und vom Pech verfolgt ist. Später kommt (durch einen sehr unwahrscheinlichen Zufall) noch Sydney hinzu, ein Mädchen, das Tote erwecken kann und von einer geliebten Person verraten würde. Eli dagegen kann auf die Hilfe der mächtigen „Extraordinären“ Serena, die er halb liebt, halb hasst, zurückgreifen. Die Abschnitte aus der Sicht Victors und Elis nehmen den größten Raum ein, aber gelegentlich wird auch aus der Perspektive anderer Figuren erzählt, so dass am Ende jede wichtigere Figur einmal zu Wort gekommen ist. Identifikationspotential hat kaum eine der handelnden Personen, was aber auch keine Voraussetzung für ein gutes Buch ist. Jedoch sind einige Figuren meiner Meinung nach nicht vielschichtig und glaubwürdig motiviert genug. Auch handeln Victor und Eli teilweise sehr unklug, sodass ihre außergewöhnliche Intelligenz etwas ist, was die Lesenden der Erzählinstanz einfach glauben müssen.

Schwab erfindet das Superheldengenre nicht neu, versucht es gar nicht erst, aber lässt ihre Figuren mit einer ungewöhnlichen (und anscheinend durchaus genüsslichen) Kompromisslosigkeit mit Anlauf in Bösewicht-Territorium springen. Es bleibt unklar, wieviel von ihren zerstörerischen Handlungen bereits in ihren jeweiligen Persönlichkeiten angelegt war, und wieviel das Resultat ihrer Verwandlung ist – womöglich eher wenig, da andere „Extraordinäre“ recht normal wirken und die beiden bereits vor ihrer Wiederauferstehung einige beunruhigende Tendenzen hatten, die vielleicht mit dem selbstgerechten Fanatismus bzw. der beiläufigen Grausamkeit, die sie später zeigen, zusammenhängen. Auf jeden Fall ist es aber, vielleicht, gerade weil es sich um zwei gleichermaßen rücksichtslose und fragwürdig motivierte Gegenspieler handelt, unterhaltsam, ihnen zuzusehen. Über sie zu lesen ist auf sonderbare Weise entspannend, weil man nicht vor Sorge um sie an den Nägeln knabbert, sondern eher mental nach dem Popcorn greift – ob sie leben oder sterben ist nicht so wichtig, aber sie versprechen vorher spannende Unterhaltung.

„Vicious“ ist einer dieser Romane, die sich ein wenig anfühlten, als wollten sie eigentlich ein Film sein. Die Charakterentwicklung und die Entfaltung der Handlung vollziehen sich in großen, dramatischen Sprüngen und immer wieder entstehen eindrucksvolle, düstere Bilder. Dies ist nicht unbedingt ein Kritikpunkt, auch, weil Schwab an vielen Stellen die Möglichkeiten des Mediums Buch durchaus ausschöpft, um die Motivationen und Vorgeschichten einzelner Charaktere zu beleuchten. Gelegentlich wirken Handlung und Figuren jedoch so skizzenhaft, wie sie einprägsam sind, und hetzt die Geschichte von Plotpunkt zu Plotpunkt. Die Sprache des Romans liest sich leicht und unauffällig und lässt markante Bilder des Geschehens entstehen, ohne dafür auf ausschweifende Beschreibungen zurückzugreifen.


Fazit

„Vicious“ schildert die Vorgeschichte und dramatische erneute Konfrontation zweier charismatischer Superschurken – und liefert mit seinen dramatischen Bildern, seinen markanten, von jeweils einer starken Motivation getriebenen Figuren und der Reduktion der Geschichte auf Momente höchsten Dramas ein angenehm filmhaftes Leseerlebnis, dem es jedoch hier und da ein wenig an Tiefe und Glaubwürdigkeit fehlt.


Pro und Contra

+ dramatische Bilder
+ charismatische Protagonisten
+ spannende, brutale Action
+ einprägsame Nebenfiguren
+ moralisch graue bis komplett böse Charaktere

o Handlung hetzt sehr voran
o Figuren eher interessant als sympatisch

- Figuren zu sehr auf je ein Ziel konzentriert
- sprunghafte, teilweise nicht nachvollziehbare Charakterentwicklung

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3/5


Rezension zu „Die vier Farben der Magie“

Tags: Superhelden, V. E. Schwab