Sand & Wind - Die Legende der Roten Wüste 1 (Elea Brandt)

sand und wind

ohne ohren (2018)
Taschenbuch, 450 Seiten, 13,99 EUR
ISBN: 978-3903006447

Genre: orientalische Fantasy


Klappentext

Tief in der Wüste regt sich uralte Magie. Mit dem roten Sand fegt sie durch die Gassen der Stadt Zarbahan und enthüllt ein lange gehütetes Geheimnis.

Während der vorlaute Gauner Quiro seinen Lebensunterhalt mit Taschenspielertricks verdient, versucht der junge Schah Elis, den brüchigen Frieden im Land zu bewahren. Eines Tages begegnen die beiden einander – und die Ereignisse überschlagen sich. Elis verschwindet unter mysteriösen Umständen und Quiro findet sich mitten in den Ränkespielen der Mächtigen wieder, wo ihn jeder Fehler den Kopf kosten kann. Denn dunkle Kräfte ruhen im Wüstensand – und nur Quiro kann sie aufhalten.


Rezension

In der Wüstenstadt Zarbahan hält sich Qurio mit Diebstählen über Wasser. Seine magische Begabung, das Formen von Sand, ist für ihn dabei äußerst hilfreich. Trotzdem reicht es meist nur für die Miete für die kleine Dachkammer, die er mit seiner zunehmend dementen Ziehmutter bewohnt. Der junge Schah Elis dagegen schwelgt im Reichtum, verzweifelt jedoch an der Aufgabe, den Frieden zwischen Zarbahan und seinem Nachbarn Ylas zu bewahren. Dazu soll er die ylasische Prinzessin Arazin heiraten, für die er nichts empfindet. Elis leidet noch unter dem tragischen Tod seiner Mutter und fühlt sich der Verantwortung als Schah nicht gewachsen. Entsprechend groß ist der Einfluss seines Onkels Izafar, der ihm als sein Wesir zu äußerster Härte rät, als angeblich ylasische Reiter zarbahanische Dörfer angreifen. Elis will jedoch zuerst Beweise sehen und zögert. Als er jedoch entführt wird, drängt sein Onkel auf Krieg. Ausgerechnet Dieb Quiro soll dies verhindern, denn er sieht dem Schah zum Verwechseln ähnlich …

“Sand & Wind“ ist der Auftakt der „Legende der roten Wüste“, die Elea Brandt mit vielen Details lebendig malt. Von orientalischer Mythologie inspiriert hat die Autorin ihre Wüstenstadt Zarbahan mit eigenen Traditionen und Mythen ausgestattet. Beispielsweise gibt es den Aberglauben, dass bei Zwillingsgeburten nur der Erstgeborene ein Mensch ist und der Zweite von einem Ifrit besessen, was zu Kindstötungen führt. Quiro verdankt sein Leben den seherischen Fähigkeiten seiner leiblichen Mutter, die den grausamen Aberglauben missachtet hat. Allerdings weiß er nicht, dass er einen Zwillingsbruder hat, entsprechend ist er geschockt, als er Elis zufällig begegnet und glaubt, in einen Spiegel zu blicken. So ist es auch möglich, dass Quiro Elis Platz einnimmt, doch er bewegt sich dabei auf sehr dünnem Eis. Denn Quiro weiß nichts von der höfischen Etikette, kennt sich im Palast nicht aus und ist charakterlich so ziemlich das Gegenteil des ruhigen, nachdenklichen Elis: vorlaut, lebensfroh und oftmals impulsiv.

Für die Leser ist früh klar, dass Quiro sich irgendwann selbst verrät, die Frage ist nur, wann und wie es passiert – und ob er die Situation dann noch retten kann. Während Elis mit seiner Verlobten Arazin so gar nichts anfangen konnte, ist Quiro sofort hin und weg von der wilden Kriegerprinzessin. Die dunkelhäutige Schönheit ist zunächst misstrauisch, begrüßt jedoch die wundersame Sinneswandlung des Schahs. Immerhin hat sie lange genug unter seiner Missachtung gelitten und sich nur zusammengerissen, um den von ihrem Vater ausgehandelten Frieden nicht zu gefährden. Arazin ist ein ungemein spannender Charakter, jedoch entsteht bald der Eindruck, dass sie in die Geschichte nur eingreift, wenn sie gerade gebraucht wird. Ähnlich verhält es sich bei Kämmerer Kareff, der für Elis mehr empfindet als innige Freundschaft und für dessen Rettung alles riskiert. Umso mehr wundert man sich, wenn er längere Zeit nicht auftaucht.

Ein wenig erinnert Zarbahan an Agrabah aus Disneys „Aladdin“ und Elis Onkel Izarfar stark an den bösen Wesir Jafar, was dazu beiträgt, dass man sich das Setting sehr gut vorstellen kann und Izafar früh misstraut. „Sand & Wind“ hat jedoch mehr Tiefgang und ist bunter und vielseitiger, weshalb man auch darüber hinwegsehen kann, dass sich vieles in der Geschichte etwas zu leicht fügt und die Protagonisten selbst Schwierigkeiten überwinden, denen sie eigentlich nicht gewachsen sind. Einzig Quiro macht auch gegenteilige Erfahrungen und muss eine sehr düstere, grausame Phase durchleben, die eine Zäsur in der Abenteuergeschichte darstellt. War der Ton vorher optimistisch und oftmals humorvoll, ist man als Leser sprachlos angesichts der Gewalt und Ungerechtigkeit, die Quiro erlebt.

Positiv fallen die Nebencharaktere mit ihrer Diversität auf: Hohe Ämter, auch im Militär, sind gleichwertig von Männern und Frauen besetzt und Homosexualität ist in Zarbahan ganz normal. Selbst sie ehemalige Herrscherin war mit einer Frau verheiratet, die ganz selbstverständlich deren Kind angenommen hat. Auch sind die Charaktere äußerlich sehr unterschiedlich, groß, klein, dick, dünn, hell- und dunkelhäutig, alles scheint vertreten. Ein wenig unangenehm fällt dabei auf, dass einer von Quiros Freunden wegen seiner fleckigen Haut gefoppt wird. Gerade unter Freunden würde man mehr Rücksicht erwarten.


Fazit

”Sand & Wind“ begeistert mit seiner vielseitigen Wüstenstadt Zarbahan und zwei jungen Männern, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Der impulsive Dieb Quiro bringt viel Aufregung und Humor in die Geschichte, doch auch der nachdenkliche Elis hat seinen Reiz, da er in seiner Herrscherrolle noch unsicher und damit authentisch ist. Andere Charaktere kommen jedoch zu kurz und so manches Problem wird zu leicht gelöst, dennoch möchte man gerne mehr von der Roten Wüste sehen.


Pro und Contra

+ stimmungsvolles Setting in der Wüstenstadt Zarbahan
+ eigene Mythen und Traditionen
+ liebenswerte, ganz unterschiedliche Protagonisten
+ Quiros Impulsivität ist sehr unterhaltsam
+ diverse Nebencharaktere
+ gutes Worldbuildung mit orientalischem Charme

- vieles fügt sich zu leicht, dadurch teils vorhersehbar
- sehr düstere, grausame Szenen, die nicht zum Ton der Geschichte passen

Wertung: sterne4

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5


Interview mit Elea Brandt in PHANTAST #22 "Wüsten"

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Tags: orientalische Fantasy, Elea Brandt, queere Figuren