Liebe LeserInnen,
eigentlich wollte ich auch noch ein paar Geschenktipps für Weihnachten beisteuern, aber die zwei Wochen vor dem Fest waren so voller Ablenkungen, dass ich einfach nicht dazu gekommen bin. Dafür widme ich nun meinen persönlichen Lesehighlights 2019, allesamt phantastisch :)
"Von Rache und Regen - Regentänzer" von Annette Juretzki
Als Annette Juretzki auf Twitter ihren neuen Roman ankündigte, dachte ich zuerst "Yeah, Eiszeit!" - bei genauerem Lesen stellte ich jedoch fest, dass es sich um EISENzeitliche Fantasy mit Untoten handelt. Da war ich zuerst etwas skeptisch, aber das regnerische Setting klang interessant und ihre Space Opera "Sternenbrand" hatte mir ganz gut gefallen. Allerdings hatte ich nicht erwartet, dass mich "Von Rache und Regen" so umhauen und in zwei Tagen verschlungen sein würde. "Regentänzer" ist ein wahnsinnig atmosphärischer Roman mit großartigem Worldbuildung und mannigfaltigem Regenwetter, der insbesondere von der Interaktion seiner starken Protagonisten lebt. Soldat Riagh flieht von der Front, um seine Ziehschwester vor dem Fluch zu retten, der sein Volk in menschenfressende, wandelnde Leichen verwandelt. Auf seinem Weg zurück in die verregnete Heimat sieht er, wie eine Gruppe Dorfbewohner einen Mann foltert und schreitet ein - auch wenn es sich bei Nuzar um einen Feuermagier und damit um seinen Feind handelt. Notgedrungen reisen die beiden zusammen und kämpfen gemeinsam gegen Verfluchte. Aus Feinden werden allmählich Freunde, die sich näherkommen, doch der Fluch droht sie auseinander zu reißen. "Regentänzer" handelt von Vorurteilen und deren Überwindung, von menschlichen Fehlern und Stärken und trotz aller Düsternis auch von Mut und Hoffnung.
"Wasteland" von Judith und Christian Vogt
Judith und Christian Vogt sind Autoren, bei denen man sich auf die Qualität ihrer Werke verlassen kann. Die beiden beweisen immer wieder eine unglaubliche Liebe zum Detail, die mich als Leser begeistert. So auch "Wasteland", das sich mit der Ich-Perspektive stilistisch von anderen Romanen der beiden abhebt und als "Mad-Max-Utopie" angepriesen wurde. Die Beschreibung trifft es tatsächlich sehr gut, denn auch wenn das Setting dystopisch ist, steckt doch jede Menge Hoffnung in "Wasteland" - und mit den irren Toxxer-Gangs, die auf aufgemotzten Motorrädern durch zukünftige Deutschland brettern, das Wi-Fi anbeten und auf einem gigantischen Schaufelradbagger leben, kommt ordentlich Mad-Max-Feeling auf. Europa liegt nach einem Krieg mit Biokampfstoffen in Trümmern, weite Teile des Kontinents sind sogenanntes Ödland - auch wenn dieses grün ist, ist der Aufenthalt für Menschen tödlich. Protagonistin Laylay ist die einzige, die sich frei im Ödland bewegen kann. Ohne sich mit der Wasteland-Krankheit zu infizieren wie der manisch-depressive Marktbewohner Zeeto. Beide sind ungewöhnliche, kantige Charaktere, die man schnell ins Herz schließt. Insbesondere Zeeto ist hervorragend getroffen und sein seelisches Auf und Ab nachvollziehbar und oftmals handlungsentscheidend. Hinzu kommt der enorme Unterhaltungswert durch verrückte Charaktere wie Wi-Fi-Schamane Root, der im Futur II spricht, oder auch die positive Ausstrahlung der Marktbewohner, deren Gemeinschaft von Individualität und gegenseitigem Respekt geprägt ist.
"Mars Override" von Richard Morgan
Die Serienadaption von "Altered Carbon" hat mich dieses Jahr schwer begeistert, denn so reinen, dreckigen, schillernden Cyberpunk bekommt man selten geboten. Passenderweise erschie mit "Mars Override" ein neuer Roman von Richard Morgan, der den Mars in einen neonleuchtenden Cyberpunk-Moloch verwandelt. Der gentechnisch modifizierte Supersoldat Hakan Veil ist auf dem Roten Planeten gestrandet und schlägt sich mit Gelegenheitsaufträgen durch. So geht er beispielsweise einen verhängnisvollen Deal mit den Triaden ein und landet im Knast. Dort kommt er nur raus, weil die Polizei ihn als Babysitter für eine Agentin von der Erde braucht. Veil ist zunächst wenig begeistert, doch der Fall eines verschwundenen Lotterie-Gewinners entwickelt sich zu einem spannenden Trip, der ihm einiges abverlangt. "Mars Override" bringt alles mit, was ein Cyberpunk-Roman braucht: ein hohes Erzähltempo, ein derber Protagonist, der sich einen letzten Funken Anstand bewahrt hat, dazu einen berauschenden Mix aus Gossenslang, Tech-Porn und poetischen Metaphern, die unter die Haut gehen.
Insgesamt war 2019 ein gutes Lesejahr mit vielen Büchern, die mich gut unterhalten haben, auch wenn die Phantastik auf den ersten Blick rar gesät erscheint. Es lohnt sich auch immer ein Blick auf die kleinen Verlage, die in punkto Optik und Lektorat mit den Großen mithalten können. Sehr gefallen hat mir unter anderem "Feuerschwingen" von Sabrina Železný, "Am Seelenbrunnen" von Christian Günther (der dritte "FAAR"-Band, wer es noch nicht kennt, sollte unbedingt man einen Blick auf "Die Aschestadt" werfen) und "Hexagon - Pakt der Sechs" von Henning Mützlitz.
Ich wünsche Euch allen schon mal einen guten Rutsch - kommt gut ins neue Jahr!
Eure
- Judith