Rejoice, a Knife to the Heart (Steven Erikson)

 

Gollancz (Oktober 2018)
Hardcover)
400 Seiten, 14,64 EUR
ISBN: 978-1473223806

Genre: Science-Fiction


Klappentext

An alien AI has been sent to the solar system as representative of three advanced species. Its mission is to save the Earth's ecosystem - and the biggest threat to that is humanity. But we are also part of the system, so the AI must make a choice. Should it save mankind or wipe it out? Are we worth it?

The AI is all-powerful, and might as well be a god. So it sets up some conditions. Violence is now impossible. Large-scale destruction of natural resources is impossible. Food and water will be provided for those who really, truly need them. You can't even bully someone on the internet any more. The old way of doing things is gone. But a certain thin-skinned US president, among others, is still wedded to late-stage capitalism. Can we adapt? Can we prove ourselves worthy? And are we prepared to give up free will for a world without violence?

And above it all, on a hidden spaceship, one woman watches. A science fiction writer, she was abducted from the middle of the street in broad daylight. She is the only person the AI will talk to. And she must make a decision.

Das Buch ist als „Rejoice – Die letzte Entscheidung“ auch auf Deutsch erschienen.


Rezension

In seinem Science-Fiction Standalone „Rejoice, a knife to the heart” greift Steven Eriksons liebevoll uralte Tropes des Genres auf: Da sind Entführungen durch Aliens, Regierungen, die der Bevölkerung verschweigen, dass sie nicht allein im Universum sind, und Supercomputer. Aber „Rejoice“ ist kein Roman über Aliens, sondern ein Roman über Menschen.

Drei außerirdische Zivilisationen entscheiden, dass sie die Zerstörung der Biosphäre durch Menschen nicht länger hinnehmen können, und beauftragen die KI Adam, sich darum zu kümmern. Von einem Tag auf den anderen drängen Kraftfelder Menschen aus gefährdeten Gebieten, damit sich die Natur regenerieren kann, tauchen Essen und Brennstoff aus dem nichts auf und sind Menschen plötzlich von Feldern umgeben, die sie gegen körperliche Gewalt schützen. Formeln für saubere Energiequellen tauchen auf, andere Planeten werden bewohnbar gemacht und es gibt sogar ein gemeinsames Ziel, dass die zerstrittene Menschheit vereinen könnte.

Das kapitalistische Wirtschaftssystem und Macht, die nur durch Androhung von Gewalt bestehen kann, kollabieren. Diejenigen, die zuvor Reichtum und Einfluss hatten, wüten vergeblich gegen die neue Situation. Gläubige ringen damit, das Geschehen in ihr Weltbild zu integrieren, Politiker*innen versuche, eine Situation zu handhaben, in der die entscheidenden Ereignisse ihrer Kontrolle entzogen sind. Andere hingegen finden in dieser neuen Welt, die die Aliens geschaffen haben, neue Freiheit und Sicherheit.

Eine Menschenfrau erlebt all dies aus der Vogelperspektive: Science-Fiction-Autorin Samantha August verschwindet in einem Lichtstrahl, um sich kurz darauf in einem Raumschiff wiederzufinden. Hier erzählt ihr Adam von seinen Plänen für die Erde. Sein Ziel ist es, Samantha zur Sprecherin für die Außerirdischen zu machen. Die beiden führen lange Diskussionen über die menschliche Natur, die vielfältigen Arten, wie Umwelt und Menschen als Ressourcen behandelt und zerstört werden, und die Chance auf eine bessere Welt. Samantha August ist das, was inmitten der Vielzahl von Perspektiven und Figuren einer Hauptfigur um nächsten kommt: Die Autorin, Vloggerin und Aktivistin ist eine intelligente Frau, die sich von niemandem einschüchtern lässt, und ihren Mitmenschen ebenso wie Adam ihre Meinung sagt.

Unten auf der Erde herrscht Verwirrung. Einige Menschen, deren Leben bisher von Gewalt bestimmt wurde, suchen nach ihrem Platz in einer friedlichen Welt und finden eine Chance auf Heilung, während andere nicht mit den Veränderungen zurechtkommen. Philosoph*innen und Science-Fiction-Autor*innen werden die bevorzugten Ansprechpartner*innen. (Obwohl das Sinn ergibt, hat der große Respekt der Außerirdischen für Autor*innen und die Art, wie Samantha und später auch ein anderer Science-Fiction-Autor beschrieben werden, einen Beigeschmack von Wish-Fulfillment.)

Die Figuren, die wir kennenlernen, sind zutiefst verschieden. Die Regierungschef*innen Kanadas, Chinas, Russlands und der USA und ihr Berater*innenstab, der unsympathische Herrscher eines Medienimperiums und seine zerrüttete Familie, ein Opfer häuslicher Gewalt, ein Bio-Landwirt, ein ehemaliger Kindersoldat und ein Unternehmer … das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Menschen, die auf das Geschehen reagieren. Sie kommen aus den verschiedensten Schichten, Altersgruppen und Ländern. Durch Ausschnitte aus Zeitungen und Interviews lernen Leser*innen sogar noch mehr Figuren kennen. Erikson schildert diese Figuren mal mitfühlend, mal mit spürbarer Verachtung für die (Sorte) Menschen, die sie repräsentieren, aber immer plastisch und überzeugend (auch wenn ich bei den Mitarbeiterinnen der Politiker*innen gelegentlich durcheinandergekommen bin, tauchen doch sehr viele von ihnen auf).

„Rejoice …“ versucht keinen Augenblick lang, zu verstecken, dass es ein politisches Buch ist. Alle Probleme, die die Außerirdischen lösen, werden ausgiebig abgebildet, und es findet insbesondere eine ausgiebige Abrechnung mit den USA statt. Oft fühlt es sich so an, als würden Figuren direkt für den Autor sprechen oder Parodien dessen sein, was seiner Meinung nach in der Welt falsch läuft. Gleichzeitig transportiert „Rejoice …“ auch die vorsichtige Hoffnung, dass eine bessere Welt möglich ist. Das Buch ist auch eine Auseinandersetzung mit dem Konzept der Freiheit: Menschen verlieren die Freiheit, einander und die Umwelt zu verletzen, was in der Regel die Freiheit der Stärkeren ist. An ihre Stelle tritt die Freiheit von Existenzangst, von Sucht und Gewalt.

Die Handlung des Buches ist linear, aber zerfasert in unzählige Einzelgeschichten, die schließlich in Ungewissheit enden. Was bei einem anderen Buch unbefriedigend wäre, ist hier eigentlich alternativlos, da die zentrale Frage des Buches ist: Was machen wir jetzt? Was könnte die Menschheit sein, wenn sie sich von ihrem bisherigen Verhalten abwendete? Jede allzu klare, detaillierte Antwort darauf würde das Buch nur schwächen. Die eine oder andere Plotfrage hätte aber ruhig beantwortet werden können.

Obwohl sie sich das Buch mit vielen anderen Figuren teilen und daher jeweils nur wenig Screentime haben, treten die handelnden Personen mit ihren Persönlichkeiten, Geschichten und Konflikten klar hervor. Ein gutes Beispiel dafür ist das erste Kapitel, in welchem Samantha August und ihr Mann vorgestellt werden. Die Figuren führen prägnante, manchmal witzig-verspielte Dialoge, die vielleicht hier und da ein wenig zu geschliffen und ähnlich sind oder die Figuren wie Autor-Avatare klingen lassen, aber sich angenehm lesen. Die Gefühle, mit denen „Rejoice“ mich zurückgelassen hat, sind gemischt, vermittelt es doch den Eindruck, dass Verbesserungen nur durch quasi göttliche Intervention geschehen können.


Fazit

„Rejoice, a knife to the heart” ist ein gut geschriebener, kapitalismuskritischer First-Contact-Roman.


Pro und Contra

+ interessante Grundidee, Spiel mit Science-Fiction Tropes
+ schöner Stil
+ konfrontativ
+ emotional

o keine klassische Romanstruktur – viele Handlungsstränge ohne Auflösung am Ende
o situationsbedingt reagieren Figuren eher, als dass sie proaktiv den Plot vorantreiben

-Wish Fulfillment

Wertung:

Handlung: 4/5
Figuren: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis-Leistung: 3,5/5


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