Am Abgrund der Unendlichkeit (Bernd Perplies)

Bastei Lübbe (Oktober 2019)
Taschenbuch, 365 Seiten, 10,00 EUR
ISBN: 978-3-404-20875-3

Genre: Space Opera


Klappentext

Jenseits des galaktischen Domenaions existiert nichts als die Leere, ein Abgrund zwischen den Sternen, den die Völker des Weltenbunds seit jeher fürchten – zu recht, wie sich zeigt, als der Kontakt zu mehreren Randkolonien abbricht und ganze Sternsysteme von unheimlicher Schwärze verschlungen werden.

Der Rat der Domänen entsendet sein bestes Schiff, die Lichtbringer, unter dem Kommando von Paladin-Admiral Anterion „Eisenhand“ Corn, um sich dem Schrecken zu stellen. Doch noch ein weiteres Raumschiff befindet sich an vorderster Front: ein kleiner, heruntergekommener Raumretter unter der Führung von Bendis Kahain. Die beiden Kapitäne kennen sich von früher – und können sich nicht ausstehen. In wessen Händen wird das Schicksal der Galaxis ruhen?


Rezension

Im galaktischen Domenaion leben verschiedenste Spezies friedlich zusammen. Die meisten von ihnen fürchten die unheimliche Leere jenseits ihrer Galaxie. Mancher glaubt sogar, dass in der endlosen Finsternis ein dunkler Schrecken lauert. Doch damit, dass tatsächlich jemand aus der Leere kommt und das Domenaion angreift, hat kaum jemand ernsthaft gerechnet. Als der Kontakt zu immer mehr Welten des Sternenreichs abbricht, ahnt der Orden der Luminatoren, dass die Zeit für seinen großen Kampf gekommen ist. Schließlich wurde der Orden einst gegründet, um das Domenaion gegen die Finsternis zu verteidigen. Doch nicht einmal das beste Schiff der Luminatoren kann dem Feind aus der Leere etwas entgegensetzen, denn dieser ist im Stande Gasriesen und sogar ganze Sonnen zu vernichten …

Während der Rat der Dämonen noch versucht, die Bedrohung zu vertuschen, stecken Bendis Kahain und seine Crew mitten in einer Rettungsaktion. Ein Schiff wurde von Raumpiraten überfallen und erst scheint es keine Überlebenden zu geben. Doch dann treffen sie auf einen Nark und sogar auf einen der legendären Orkanoiden. Beide Spezies gehören nicht dem Domenaion an, doch ihr Wissen könnte helfen, die Bedrohung aus der Leere abzuwenden. Unfreiwillig werden die Raumretter in den Kampf um das Schicksal des Domenaions verwickelt und auch wenn es ihnen zunächst unmöglich erscheint, mit der kleinen Besatzung der Leitstern ganze Welten vor der Vernichtung zu bewahren, so stellen sie sich ihrer Aufgabe: Leben retten.

Ganz so heldenhaft verhalten sich die Raumretter allerdings nicht immer. Bendis Kahain befehligt eine bunt zusammengewürfelte Crew, in der jeder sein Päckchen zu tragen hat. Mancher verschafft sich durch die Plünderung havarierter Schiffe sogar ein Nebeneinkommen. Doch Kahain schaut weg, schließlich ist der Job als Raumretter verdammt hart und schlecht bezahlt. Einst gehörte der Captain der Leitstern zu den Luminatoren, doch sein Idealismus wurde bitter enttäuscht. Entsprechend ist Kahain pragmatisch und bricht auch mal die Regeln, wenn er dadurch anderen helfen kann. Trotz aller Widrigkeiten hat er sich eine gesunde Portion Moral und Anstand bewahrt, was ihn zum Sympathieträger des Romans macht. 

Neben Kahain ist Ratsmitglied Chi Margolis der spannendste Charakter. Chi gehört den Floryll an, einer zweigeschlechtlichen Pflanzenspezies. Bernd Perplies verwendet daher für Chi nicht-binäre Pronomen, die eine Mischung aus männlichen und weiblichen Pronomen sind (man wundert sich ein wenig, warum die Maschinenspezies eN’iX nicht ebenso nicht-binär ist, sondern als männlich und weiblich erscheint). Chi wirkt zunächst etwas blass, doch nach und nach kristallisiert sich heraus, dass dier Floryll ganz eigene Pläne verfolgt, was Spannung in den oberflächlich sehr einvernehmlich wirkenden Ratsalltag bringt. Paladin-Admiral Corn hingegen, der im Klappentext als Kahains Gegenspieler inszeniert wird, ist gar nicht so präsent, zeigt jedoch auf seinen wenigen Seiten eindrucksvoll, was für ein umsympathischer, kaltherziger Militär er ist.

„Am Abgrund der Unendlichkeit“ wartet mit einer Vielzahl von Nebencharakteren auf, denen ein Autor auf nur 365 Seiten gar nicht gerecht werden kann. Trotzdem ist es Bernd Perplies gelungen, den meisten eine eigene Geschichte mitzugeben und sie in wenigen Sätzen zu charakterisieren. Auch fällt positiv auf, dass sein Cast sehr divers ist (zum Beispiel ist Kahain dunkelhäutig, es gibt viele interessante Frauen und das Stottern eines Crewmitglieds wird niemals kommentiert oder als Makel dargestellt, es erscheint einem schlicht normal). Ähnlich wie in „Star Trek“ arbeiten verschiedene Spezies und verschiedene Geschlechter zusammen, wobei das Domenaion nur auf den ersten Blick tolerant erscheint. In Nebensätzen blitzt heraus, dass es hier und da doch Vorurteile gibt und dass die Orkanoiden gute Gründe dafür haben, nicht zu diesem galaktischen Bund gehören zu wollen. Hier bedürfte es weiterer Romane, um auf die Konflikte innerhalb des Domenaions einzugehen und bisher unterrepräsentierten Spezies mehr Raum zu geben.

Der Einstieg in „Am Abgrund der Unendlichkeit“ gestaltet sich ein wenig holprig. Der Leser wird mit sehr vielen ihm bisher unbekannten Spezies und Sternsystemen konfrontiert und kann sich die ganzen Namen kaum merken. Auch erscheint die Handlung zunächst zu linear und man vermisst die Originalität. Doch dieser Eindruck wandelt sich spätestens ab der Halbzeit. Die Handlung nimmt spürbar an Fahrt auf und auch wenn manches vorherzusehen ist, wartet der Autor mit einigen Überraschungen auf, die die Handlung in ein neues Licht rücken. Kurz vor Schluss muss man noch ein echtes Ärgernis verkraften, das man so nicht erwartet hat und das einem bewusst macht, wie sehr man mit den Charakteren mitgefiebert hat – insofern trotzdem ein gelungenes Ende, das nachdenklich stimmt und auf weitere Geschichten aus dem Domenaion hoffen lässt.


Fazit

Man braucht ein paar Seiten, um sich im galaktischen Domenaion zurechtzufinden, doch wer dranbleibt, bekommt ein paar gelungene Überraschungen und viele spannende Charaktere unterschiedlichster Spezies geboten, die „Am Abgrund der Unendlichkeit“ zu einer bunten, dramatischen Space Opera machen.


Pro und Contra

+ vielseitige Space Opera mit unerwartetem Tiefgang
+ die zweigeschlechtliche Pflanzenspezies Floryll
+ Kahains pragmatische, aufrichtige Art
+ viele Nebencharaktere haben eine eigene Geschichte
+ Überraschungen in der zweiten Hälfte
+ Potential für weitere Romane

o 365 Seiten sind zu wenig

- zu Beginn viel zu viele neue Namen und Begriffe
- wirkt anfangs zu linear und vorhersehbar

Wertung: sterne4

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


Interview mit Bernd Perplies (2019, zu "Am Abgrund der Unendlichkeit")

Interview mit Bernd Perplies (2014, zu "Imperium der Drachen")

Zum Interview im PHANTAST #6 "Apokalypsen" (ab Seite 63)

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Tags: Space Opera, Bernd Perplies, deutschsprachige SF, Aliens