Madeleine Puljic (08.02.2020)

Interview mit Madeleine Puljic

madeleinepuljic20Literatopia: Hallo, Madeleine! Im März erscheint bei Droemer Knaur Dein neuer SF-Roman „Zweite Heimat – Die Reise der Celeste“ – was erwartet die Pioniere auf dem Mars?

Madeleine Puljic: In meinem Roman gab es bereits bemannte Forschungsflüge der NASA zum Mars. Die Zustände auf der Erde (wirtschaftlich, ökologisch, politisch) sind nicht die Besten, also soll eine Kolonie auf dem Mars errichtet werden – ein gemeinsames Ziel, um den Menschen wieder Hoffnung zu geben, und eben eine zweite Heimat. Das Team der Celeste besteht aus Wissenschaftlern der unterschiedlichsten Fachgebiete, die ausgehend von den alten Bodenstationen auf dem Mars diese Kolonie aufbauen sollen. Noch während ihrer Reise stellen sie allerdings fest, dass die Celeste nicht das einzige Raumschiff ist, das den Mars ansteuert.

Literatopia: Würdest Du uns die wichtigsten Charaktere kurz vorstellen? Und schreibst Du nur aus der Sicht der menschlichen Siedler oder auch aus Sicht der außerirdischen E’Kturi?

Madeleine Puljic: Ich habe drei Perspektivfiguren, und alle drei sind menschlich. Zum einen, weil es immer schwierig ist, die Andersartigkeit einer Spezies glaubhaft darzustellen, die den Menschen fremd ist und auch so wirken soll. Zum anderen, weil das Buch nicht von der Geschichte der Außerirdischen handelt – sie erzählt davon, wie Menschen mit einer für sie sehr belastenden Situation umgehen.

Alvar Lajunen, der Kommandant der Celeste, bemüht sich, den Frieden zu wahren, ganz gleich, was es ihn selbst kostet. Michael Harris, sein Stellvertreter, ist dagegen überzeugt, dass die Menschheit die Beurteilung der E‘Kturi auf keinen Fall bestehen kann und dass sie vorsorgen müssen. Jeder der beiden sieht seinen Weg als richtig an, und sie haben damit gleichermaßen recht oder unrecht. Das war beim Schreiben eine Herausforderung, den so gesehen habe ich keinen typischen Antagonisten, sondern zwei Helden mit konträren Entwicklungen.

Literatopia: Erzähl uns mehr über das außerirdische Volk der E’Kturi. Inwiefern unterscheiden sie sich von uns Menschen? Und was zeichnet ihre Kultur aus?

Madeleine Puljic: Die E’Kturi sind ein technisch hoch entwickeltes Volk, das vor zigtausend Jahren einen etwas anderen Evolutionsweg eingeschlagen hat als die Menschen. Sie sind reptilienartig und eingeschlechtlich (auch wenn sie sich allesamt als weiblich definieren). Ihre Hierarchie ist streng nach Intellekt gegliedert. Wissen ist für sie das höchste Gut, die Gefährdung davon wird streng bestraft.

Literatopia: Wir wurden die E’Kturi auf die Menschheit aufmerksam? Wie haben sie sie vor der Marsmission gesehen?

Madeleine Puljic: Für die E’Kturi sind die Menschen Primaten mit einem Hang, gefährliche Technik zu entwickeln, und nicht genügend sozialer Reife, um sie dann nicht einzusetzen. Als solche waren wir ihnen lange Zeit gleichgültig. Aber mit dem Schritt, einen weiteren Planeten zu besiedeln, entwickelt sich die Menschheit zu einer Gefahr für die restlichen Völker in der „näheren“ Umgebung. Also haben es sich die E’Kturi zur Aufgabe gemacht, unsere soziale Entwicklung zu beurteilen – und notfalls korrigierend einzugreifen.

Literatopia: Was denkst Du – sind wir alleine im Universum? Oder gibt es Leben auf anderen Planeten?

Madeleine Puljic: Natürlich! Das Universum ist viel zu groß und vielseitig, um bloß auf einem einzigen Planeten Leben entstehen zu lassen. So besonders sind wir Menschen nun auch wieder nicht, dass der Zufall so etwas wie uns (im weitesten Sinne) nur einmal hervorgebracht haben sollte. Nur weil wir bisher nicht die Mittel haben, andere Lebensformen aufzuspüren, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht da sind – und uns nicht vielleicht längst beobachten.

Ich zumindest könnte es ihnen aber nicht verdenken, dass sie sich bisher von uns fernhalten. Vor allem, wenn man bedenkt, dass uns alleine vom nächsten Sonnensystem bereits über vier Lichtjahre trennen. Zum nächsten erdähnlichen Planeten sind es elf Lichtjahre. Und so lange haben wir Menschen noch nicht auf uns aufmerksam gemacht. Seit der Mondlandung sind gerade einmal 50 Jahre vergangen, der Umkreis, in dem man uns bemerken konnte, ist also noch relativ gering.

Literatopia: Bei Deiner Recherche zu „Zweite Heimat“ hast Du Dich durch tonnenweise Infomaterial zur Raumfahrt und dem Mars gewühlt und dabei allerhand skurrile Fakten entdeckt – möchtest Du ein paar davon mit uns teilen?

Madeleine Puljic: Am verblüffendsten waren für mich all die Strategien und Entwürfe, wie man dem Mars erdähnliche Bedingungen verpassen könnte. Das Thema Terraforming ist wahnsinnig spannend, und wenn man den Optimisten glauben könnte, wäre all das ganz einfach durchzuführen. Die Idee, eine Kolonie zu bauen, die nicht nur in abgekapselten Behältern, sondern auf einem zweiten grünen Planeten – einer zweiten Erde – existieren könnte, hat etwas unglaublich Beflügelndes.

Leider hält die Wissenschaft der NASA mit ernüchternden Fakten dagegen, weshalb ich das Thema auch aus meinem Roman streichen musste.

schwarze ernteLiteratopia: Nach so viel Recherche – wie realistisch ist „Zweite Heimat“?

Madeleine Puljic: Trotz aller Recherche muss ich zugeben: Ich bin keine Expertin, habe weder Astrophysik noch sonst etwas studiert, auch die Reise nach Houston wollte mir nicht gelingen. Alles, was ich beschreibe, ist also vollkommen frei erfunden. Dennoch bemühe ich mich natürlich darum, möglichst glaubwürdige Szenarien zu schildern. Ich habe mir Berichte von Astronauten angehört und angesehen, die zwar nicht zum Mars, aber zur ISS geflogen sind. Ich musste sehr viel mehr berechnen, als man dem Text auf den ersten Blick anmerkt …

Oft genug sitzt man stundenlang, um eine Information zu recherchieren, die bloß in einem Nebensatz Erwähnung findet. Aber genau diese kleinen Details helfen, den Text glaubhaft zu machen. Und das muss er sein, wenn man schließlich von dem Realen abweicht, um in die Fiktion einzutauchen.

Literatopia: Auf Twitter schreibst Du, es gäbe bereits (erotische!) Fanfiction zu „Zweite Heimat“ – da musst Du uns jetzt natürlich mehr erzählen … Wo, wie, was?

Madeleine Puljic: Im Zuge der Werbekampagne vor dem Veröffentlichungsstart habe ich einige interessierte Blogger mit Bordkarten zur Celeste-Mission ausgestattet und sie damit beauftragt, eine Crew zusammenzustellen. Mit dieser durften sie dann in einem kleinen Rollenspiel die Begegnung mit Außerirdischen durchleben und selbst erfahren, wie sich diese Entscheidung anfühlt: Wie tritt man einem fremden Volk gegenüber? Und wie viel erträgt man um des Friedens willen? Einige Teams haben dabei sehr viel Einfallsreichtum und Enthusiasmus an den Tag gelegt. Unter anderem hatte ein Crewmitglied beschlossen, einen Friedenstanz im Adamskostüm aufzuführen (sehr zur Freude der E’Kturi, bei denen das Tanzen eine große Rolle spielt). Eins führte zum anderen, und voilà: Ich habe Fanfiction erhalten. Wie gesagt, die Mitspieler hatten großen Spaß mit dieser Aktion.

Literatopia: Du schreibst unter anderem für „Perry Rhodan NEO“. Wie bist Du zum Heftroman gekommen?

Madeleine Puljic: Ich hatte mit Heftromanen überhaupt nichts am Hut, bis ich über ein Schreibseminar plötzlich von Perry Rhodan-Autoren und -Lesern umgeben war. Durch gegenseitiges Testlesen blieb der Kontakt sehr eng, und als dann Not an der Frau war, hatte ich das Glück, einspringen zu dürfen und mit meinem Text zu überzeugen.

Literatopia: Wie hast Du Dich in die Welt von „Perry Rhodan“ eingearbeitet?

Madeleine Puljic: Gar nicht. Ich weiß immer noch nicht, was ich tue! Zum Glück ist mein Partner Teamautor bei der Serie. Das erspart mir so manche Perrypedia-Suche, aber bei weitem nicht alle.

Literatopia: Du hast früher nicht richtig den Mut zum Schreiben aufgebracht und Dein Hobby brachliegen lassen. Woran lag’s? Warst Du zu selbstkritisch? Oder hat Dir schlicht die Zeit gefehlt, um Dich dem Schreiben intensiv zu widmen?

Madeleine Puljic: In meiner Kindheit hatte ich denke ich einfach zu viele andere Dinge im Kopf. Ich habe immer gern alles mögliche ausprobiert, vor allem habe ich aber einfach viel gelesen und taggeträumt. Das Aufschreiben kam dann erst später, aber da hatte ich dann schon diese gewaltige Selbsterwartung aufgebaut. Es ist schließlich so: Niemand sagt „Toll, dass du Horror-/Fantasy-/Liebesromane liest.“ Aber wenn du Kafka, Hesse etc. verschlingst, hält man dich für wahnsinnig schlau. Und in einem Alter, wo man zwangsläufig glaubt, alle Probleme der Welt verstanden zu haben, muss man natürlich auch etwas „Bleibendes“ schreiben. Man darf sich nicht hinsetzen und das schreiben, wovon man den ganzen Tag lang träumt (und was das angeht, war ich eine sehr normale Jugendliche), man muss Literatur erschaffen! Ich wünschte, mir hätte damals schon jemand gesagt, dass es okay ist, zu lesen und zu schreiben, was einen interessiert und vor allem, was einem Spaß macht! Denn dann macht es auch beim Lesen Spaß.

Literatopia: Dir dient unter anderem Musik als Inspirationsquelle. Muss es eine bestimmte Art von Musik sein? Und hörst Du auch während dem Schreiben Musik?

Madeleine Puljic: Absolut. Ich kann mich nur sehr schlecht konzentrieren, wenn es zu still ist. Beim Schreiben benutze ich am liebsten Soundtracks, die zur Stimmung des Textes passen, oder andere instrumentale Stücke. Aktuell läuft beispielsweise beruhigende Pianomusik, während ich diese Antworten tippe.

Literatopia: Du magst nicht all Deine Charaktere. Wen zum Beispiel nicht? Und welche sind Dir dagegen ans Herz gewachsen?

Madeleine Puljic: Ach, mittlerweile habe ich mich mit den meisten arrangiert. Es gibt viele Charaktere, deren Entscheidungen ich nicht gutheiße, und andere, die ich gerne mal schütteln würde, damit sie zur Vernunft kommen. Aber am schwierigsten sind für mich die Figuren, die mir in irgendeiner Form sehr ähneln. Dann neige ich dazu, ihre Gedanken als selbstverständlich anzunehmen, und keiner außer mir versteht, warum die denn so spinnen. Da bin ich froh, dass ich TestleserInnen habe, die mir den Text dann guten Gewissens wieder zurückschmeißen.

Literatopia: Was liest Du momentan gerne? Und gibt es einen Roman, den Du unseren LeserInnen ans Herz legen möchtest?

noras welten weltenbruchMadeleine Puljic: Leider habe ich nie in meinem Leben so wenig gelesen wie seit der Zeit, da ich freiberufliche Autorin bin. Meistens schwankt es dann zwischen Texten, die ich aus beruflichen Gründen lesen muss, englischsprachiger Phantastik und deutschen Thrillern. Leider läuft der innere Lektor immer mit, sodass ich wirklich selten abschalten und ein Buch einfach genießen kann. Das ist bei englischen Texten oder bei Genres, die ich nicht schreibe, einfach leichter.

Literatopia: Im März erscheint noch ein neuer Roman von Dir, der zweite Band von „Noras Welten“. Worauf dürfen sich die Leser freuen? (alle, die den ersten Band nicht kennen, hören kurz weg)

Madeleine Puljic: Nora hat ihre Gabe, in Buchwelten zu springen, gemeistert und ist kurzentschlossen aufgebrochen, um ihr Leben in der Geschichte zu verbringen, die sie im ersten Band verändert hat. Leider muss sie bald feststellen, dass sie damit keineswegs beim Happy End angelangt ist. Durch ihre Veränderungen ist gesamte Welt instabil, und sie muss einen Weg finden, um ihren Geliebten vor dem Tod zu bewahren, der eigentlich für ihn festgeschrieben steht – und dieser Weg liegt nicht in Eldinor.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!

Madeleine Puljic: Vielen Dank!


Autorenfoto: Copyright by Madeleine Puljic

Autorenhomepage: www.madeleinepuljic.at


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.